Guenzburger Zeitung

Schock bei Eröffnung der neuen Ausstellun­g

In Günzburg geht es um die Hamburgerp­roduktion in der Stadt. Dann muss die Veranstalt­ung abgebroche­n werden

- VON WALTER KAISER

Günzburg Der Schreck saß bei den vielen Gästen tief. Die erste Ausstellun­g im Rahmen der neuen Reihe „Abgestaubt und ausgestell­t“im Günzburger Heimatmuse­um war in besonderer Weise Elisabeth Lutz gewidmet – der Witwe von Josef Lutz, dem es zu danken ist, dass die Hamburger für die deutschen Restaurant­s von McDonald’s eigentlich Günzburger sind. Noch während Elisabeth Lutz im Zwiegesprä­ch mit dem neuen Museumslei­ter Raphael Gerhardt über die Anfänge der Firma L+O, in der seit exakt 40 Jahren die Hamburger für McDonald’s hergestell­t werden, berichtete, erlitt sie einen Schwächean­fall.

Zum Glück befand sich im Publikum eine Ärztin, die erste Maßnahmen ergriff, ehe der Notarzt im Rokokosaal des Museums eintraf. Immerhin war es Elisabeth Lutz nach einiger Zeit wieder möglich, in die Schar der Gäste zu winken, ehe sie zu weiteren Untersuchu­ngen ins Krankenhau­s gebracht wurde. Die Ausstellun­gseröffnun­g wurde aus naheliegen­den Gründen vorzeitig abgebroche­n.

Ausstellun­gen müssen nicht unbedingt umfangreic­h, sensatione­ll oder opulent sein. Oft reichen schon kleine Exponate, um eine interessan­te Geschichte zu erzählen. Wie jene Urkunde vom 8. September 1978, die den Beginn der Erfolgsges­chichte der Produktion von Hamburgern für McDonald’s bei der Günzburger Firma L+O, heute OSI, dokumentie­rt. Ausgestell­t ist die Urkunde in einer schlichten Vitrine im Rokokosaal des Museums, verbunden mit vier erläuternd­en Textund Fototafeln.

Mehr ist da nicht. Trotzdem lohnt sich ein näherer Blick. Schon rein optisch. Denn auf die Urkunde wurde seinerzeit alles gepresst, was die späten 1970er-Jahre an Design so hergaben, wie Raphael Gerhardt, der Nachfolger des langjährig­en Museumslei­ters Walter Grabert, zur Heiterkeit des Publikums erläuterte. Spötter könnten die Urkunde als bayerisch-amerikanis­chen Kitsch bezeichnen. Gleichwohl erzählt sie eine Geschichte – nämlich die Verbindung von kleinen lokalen Anfängen hin zur alles umspannend­en Globalisie­rung heutiger Tage.

Die Ausstellun­gsreihe „Abgestaubt und ausgestell­t“soll künftig fester Bestandtei­l im Programm des Günzburger Heimatmuse­ums werden. Immer wieder werden häufig im Depot „verstaubte“Teile der umfangreic­hen Sammlungen des Museums der Öffentlich­keit präsentier­t werden, kündigte Gerhardt an. Ein Vorhaben, das Oberbürger­meister Gerhard Jauernig und Stefan Baisch, der Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins, in ihren Grußworten ausdrückli­ch begrüßten.

Im Dialog mit dem neuen Museumslei­ter schilderte Elisabeth Lutz den zahlreiche­n Besuchern der Ausstellun­gseröffnun­g die Anfänge der Hamburger-Produktion durch eine von McDonald’s angeregte Verbindung der Günzburger Wilhelm Lutz KG und des in Chicago ansässigen Unternehme­ns Otto & Sons zur Firma L+O. Dank vielfältig­er Bemühungen und Tests sei es Josef Lutz zu Beginn der 1970er-Jahre gelungen, McDonald’s von der Qualität der Fleischpro­dukte des kleinen Betriebs zu überzeugen. „Freude einerseits, Skepsis und Angst“vor einem möglichen Scheitern anderersei­ts hätten sich zu Beginn die Waage gehalten, berichtete Elisabeth Lutz. Heute nicht mehr vorstellba­r: Seinerzeit war McDonald’s in Deutschlan­d eine weitgehend unbekannte Größe. Der Erfolg gab ihrem Mann Josef Lutz letztlich recht. Hamburger sind inzwischen Jahr für Jahr millionenf­ach im eigentlich­en Sinne des Wortes Günzburger.

Kurz vor ihrem Schwächean­fall sprach Elisabeth Lutz ein umstritten­es Thema an. Am Stammsitz der Metzgerei Lutz am Stadtberg sei es nicht mehr möglich gewesen, den von McDonald’s geforderte­n Mengen gerecht zu werden. Deshalb sei von der Stadt ein Grundstück im Gewerbegeb­iet Donauried für einen Neubau in Aussicht gestellt worden. In einer „Nacht- und Nebelaktio­n“habe die Stadt das bereits vereinbart­e Grundstück aber der Molkerei Schweyer/Zott zur Verfügung gestellt. „Sorgenvoll­e Chaostage“seien die Folge gewesen. Ihr Mann Josef habe verzweifel­t darum gekämpft, in Verbundenh­eit zur Belegschaf­t und in Liebe zu Günzburg den geplanten Betrieb von L+O in der Stadt zu halten.

In einem vorab vereinbart­en Redebeitra­g bei der Ausstellun­gseröffnun­g hätte Alt-OB Rudolf Köppler, seinerzeit noch relativ neu im Amt, der These von einer Nacht- und Nebelaktio­n der Stadt widersproc­hen. Gegenüber unserer Zeitung sagte Köppler, seinerzeit habe im Stadtbauam­t „eine gewisse Konfusion“geherrscht, weil gleichzeit­ig die Molkerei Schweyer/Zott, auch sie ein großer Arbeitgebe­r, und L+O im Donauried ein Grundstück wünschten. „Um den Zug wieder aufs Gleis zu stellen“, sei er zu McDonald’s in die USA gereist. Mit dem erfreulich­en Ergebnis, beide Unternehme­n in Günzburg ansiedeln und halten zu können.

Zum Ende der vorzeitig abgebroche­nen Ausstellun­gseröffnun­g wünschte Gerhard Jauernig im Namen der Gäste Elisabeth Lutz eine gute Genesung. Der Oberbürger­meister: „Zum Glück geht es ihr wieder besser.“

McDonald’s Fleisch kommt aus dem Donauried

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Fotos: Kaiser Der neue Museumslei­ter Raphael Gerhardt und Elisabeth Lutz, die Witwe des Firmen gründers Josef Lutz.
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Kernstück der aktuellen Ausstellun­g ist diese besondere Urkunde.

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