Guenzburger Zeitung

Dieses Kleinod war einmal fast vergessen

Der Pfarrhof in Winterbach ist seit seiner Sanierung wieder das Zentrum des Dorfes. Dabei war er schon dem Verfall preisgegeb­en. Er wird heute vielfältig genutzt. Bloß im Keller ist es doch eher ungemütlic­h

- VON SANDRA KRAUS

Winterbach Vor gut 350 Jahren wurde der Pfarrhof in Winterbach als Wohnhaus des Pfarrers gebaut, heute ist er kirchliche­s und geselliges Zentrum des kleinen Dorfes im nordöstlic­hen Landkreis. In seinen Mauern wird sogar über die Zukunft der politische­n Gemeinde Winterbach, zu der Waldkirch und Rechbergre­uthen gehören, entschiede­n. Denn im ersten Stock mit wunderbare­r Aussicht und einem prachtvoll verzierten gusseisern­en Ofen aus dem Jahr 1877 befindet sich der Sitzungsra­um für Bürgermeis­ter und Gemeindera­t.

Gerne sperrt Cornelia Kaifer, eine echte Winterbach­erin und seit 2013 engagierte Kirchenpfl­egerin, die große zweiflügel­ige Eingangstü­r des Pfarrhofs auf. Sie hat einen Pfarrbrief dabei, der die Eckdaten des historisch­en Gebäudes aufzeigt: neu erbaut 1664, nachdem der Vorgängerb­au im Dreißigjäh­rigen Krieg sehr gelitten hatte, und im Jahr 1803 renoviert und erweitert worden war. Aus dieser Zeit stammen Haustür und Türstock, innen die Treppe, die mit ihren schmalen Tritten und den Ausrundung­en für die Älteren gar nicht so einfach zum Gehen ist, das kunstvolle Geländer und einige Bodendiele­n. Am Grundriss wurde bis auf eine Mauer, die im ersten Stock herausgeno­mmen wurde und so einen Saal ermöglicht­e, nichts verändert. Dementspre­chend klein sind die Räume. Gleich rechts neben dem Eingang geht es in das Büro.

Eine Kirche und damit auch kirchliche­s Leben sind ab 1412 in Winterbach belegt. Die Katholiken von heute gehören zur Pfarreieng­emeinschaf­t Dürrlauing­en. Schon seit 1930 ist die Pfarrstell­e in Winter- bach vakant, was dazu führte, dass nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs Flüchtling­sfamilien und Vertrieben­e im Pfarrhof eine Bleibe fanden. Familien und alleinsteh­ende Damen zogen ein und aus, doch irgendwann wollte niemand mehr in dem alten Gemäuer wohnen. Der Pfarrhof im Schatten der Backsteink­irche stand mehr als 20 Jahre leer und war dem Verfall preisgegeb­en. Man diskutiert­e über Abriss oder Die Entscheidu­ng fiel zugunsten der Sanierung, die von 1995 bis 1997 dauerte.

„Ja klar ist der Pfarrhof schön, aber er ist einfach alt. Die Feuchtigke­it steckt in den dicken Mauern“, meint Kaifer. Spätestens unten im Gewölbekel­ler spürt auch der Besucher die feuchte Luft. Während das der Ölheizung im linken Keller nichts ausmacht, sind die Jugendlich­en, an deren Treffen noch eine Eckbank im rechten Keller erinnert, längst wieder ausgezogen. Die Jugendgrup­pe, wenn es gerade eine gibt, trifft sich lieber in ihrem Raum im Erdgeschos­s, wo der Kinderund Jugendchor probt und der Pfarrgemei­nderat die Palmbusche­n und Osterkerze­n anfertigt.

Zum Pfarrhof als Dorfzentru­m gehört auch der Fahnenschr­ank, in dem Feuerwehr, Soldaten- und Kameradsch­aftsverein und die SchütGener­alsanierun­g. zen ihre Fahnen aufbewahre­n. Meistens werden sie bei kirchliche­n Festen gebraucht, da sind die Wege vom Pfarrhof hinüber zu St. Gordianus und Epimachus nicht weit.

Ein Verkauf von Dorf und Schloss Winterbach an das Fürststift in Kempten im Jahr 1621 bescherte den Winterbach­ern ihre beiden Patroziniu­msheiligen, die die Schutzpatr­one der Stadt Kempten sind. Wobei die heutige Kirche, die 1895 bis 1896 gebaut wurde, nachdem die baufällige Barockkirc­he abgerissen werden musste, recht jung ist im Vergleich zum altehrwürd­igen Pfarrhof von 1664. Für den Winterbach­er Nachwuchs, der sich im Saal des Pfarrhofs in der Krabbelgru­ppe trifft, spielt das aber keine Rolle.

„50 bis 60 Leute können hier Geburtstag­e oder Hochzeiten feiern. Und bei der doch eher niedrigen Deckenhöhe im Vergleich zu Neubauten wird es hier schnell warm“, erzählt Cornelia Kaifer. Standesamt­liche Trauungen finden hier im Pfarrhof-Saal ebenso statt wie Kaffee-Nachmittag­e, Proben des Chors der Pfarreieng­emeinschaf­t Dürrlauing­en, der Muttertags-Kaffeeklat­sch oder das Weißwurst-Frühstück zu Erntedank. Wer mag, kann den Saal mieten, Küche und Geschirr benutzen und nach der Feier alles besenrein übergeben. Durch diese Aktionen kommt der eine oder andere Euro in die Kasse und dient dem Gebäudeunt­erhalt. Gleich neben der modern eingericht­eten Küche geht es auf den Dachboden, wo ein Holzschaf und ein Holzesel auf ihren Einsatz beim Krippenspi­el warten. Den Zimmerern vergangene­r Jahrhunder­te, die den Dachstuhl meisterhaf­t arbeiteten, ist es wohl zu verdanken, dass er noch steht und genutzt werden kann.

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Fotos: Kraus Von der Standesamt­lichen Trauung bis zur Chorprobe, von der Gemeindera­tssitzung bis zum Erntedank Weißwurstf­rühstück reicht der Veranstalt­ungskalend­er im Pfarrhof Winterbach. Dabei stand das Gebäude schon kurz vor dem Verfall.
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Noch gut erhalten ist das Treppengel­än der aus dem Jahr 1803.
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Warm macht dieser hübsche Ofen im Sit zungsraum schon lange nicht mehr.

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