Guenzburger Zeitung

Wann kommt die Gratis Bahn?

Ministerpr­äsident Markus Söder will den öffentlich­en Nahverkehr in fünf Städten beinahe kostenlos machen – und auch in der Pflege hat er ehrgeizige Pläne

- VON MICHAEL BÖHM UND STEFAN KROG

Augsburg Fünf Monate nach der Regierungs­erklärung von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hängen die Rauchschwa­den des von ihm abgefackel­ten „Feuerwerk der Ideen“noch immer über Bayern. Über das neue Familienge­ld streitet der Freistaat mit dem Bund, selbes droht dem bayerische­n Pflegegeld und auch gegen den Zuschuss für Häuslebaue­r namens Eigenheimz­ulage regt sich Widerstand. Bei der Polizei ist man von den geplanten neuen Pferdestaf­feln nur mäßig begeistert und über die Wiedereinf­ührung der Grenzpoliz­ei verwundert. Markus Söder hält das jedoch nicht davon ab, „pyrotechni­sch“nachzulege­n. Weniger als sechs Wochen vor der Landtagswa­hl hat er weitere politische Ziele benannt, die ebenfalls mit Kosten in Höhe mehrerer Millionen Euro verbunden sein dürften.

Ein Vorschlag erzeugte dabei ein besonders lautes Echo: Söder will den öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) günstiger machen. Geht es nach ihm, sollen Fahrgäste künftig für nur einen Euro den gan- zen Tag lang mit Bus und Bahn fahren können – zumindest in München, Augsburg, Nürnberg, Regensburg und Würzburg.

Allerdings soll es dort keine EinEuro-Tagesticke­ts geben, sondern Jahrestick­ets für 365 Euro. Und zwar spätestens im Jahr 2030, so Söder. Profitiere­n würden nicht nur die mehr als 2,6 Millionen Einwohner in den Kernzonen der Städte, sondern auch die Einpendler aus dem Umland. Ab Mitte 2020 soll der Plan umgesetzt werden und für mehr Lebensqual­ität und sauberere Luft in den Städten sorgen. „Das ist eine ganz große Chance für die Verkehrswe­nde und wird die Fahrgastza­hlen deutlich erhöhen“, sagte Söder und fügte hinzu: „Natürlich brauchen wir dann auch mehr Fahrzeuge und mehr Kapazitäte­n. Das wird einen schrittwei­sen Ausbau erfordern und rund zehn Jahre dauern, bis alles umgestellt ist.“

SPD und Grüne kritisiert­en Söders ÖPNV-Pläne sofort als unglaubwür­diges Wahlverspr­echen. Die SPD befürworte zwar einen kostenfrei­en öffentlich­en Nahverkehr, wolle aber zunächst ein kostenlose­s Bildungsti­ckets für Auszu- bildende, Schüler und Studierend­e einführen, teilte Landeschef­in Natascha Kohnen mit: „Und nicht erst in zwölf Jahren, wie sich das Markus Söder vorstellt.“Auch Markus Ganserer (Grüne) sprach den Äußerungen Söders den Gehalt ab: „Der Ministerpr­äsident überbietet sich mit neuen Ideen, ohne dass er ein fachliches Fundament hat oder auch nur einen seiner Punkte umsetzt.“In München fordern die Grünen schon lange ein 365-Euro-Ticket.

In Augsburg reagierte man am Freitag verhalten euphorisch auf die Ankündigun­g des Ministerpr­äsidenten. Ein so preisgünst­iges Angebot wie ein Euro pro Tag für alle Busse und Bahnen sei „auf kommunaler Ebene nicht ohne erhebliche Zuschüsse finanzierb­ar“, sagte Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU). Sollten diese tatsächlic­h fließen, bedeute das eine „deutliche Verbesseru­ng der Mobilität in unseren Städten und gleichzeit­ig eine Verkehrsen­tlastung“.

Allein im Großraum Augsburg dürften die Einnahmeau­sfälle für die Nahverkehr­sunternehm­en bei Einführung eines 365-Euro-Tickets bei rund 12,5 Millionen Euro jährlich liegen. Bei den Stadtwerke­n verweist man darauf, dass eine Bezuschuss­ung der Abos nur die halbe Miete sei. Um die Qualität auch bei gestiegene­n Fahrgastza­hlen halten zu können, brauche es etwa zusätzlich­e Fahrzeuge, so Sprecher Jürgen Fergg. Der Vorstoß des Freistaats sei insgesamt „sehr begrüßensw­ert“. Die Diskussion über den Gratis-Nahverkehr, die im vergangene­n Jahr im Zuge der StickoxidP­roblematik angestoßen wurde, habe grundsätzl­ich ein Bewusstsei­n für die Wichtigkei­t des Nahverkehr­s und seiner Finanzieru­ng geschaffen.

Neben dem Personenna­hverkehr nahm sich Söder bei seinen jüngsten Ankündigun­gen auch des Themas Pflege an: „Wir wollen Pflegeland Nummer eins werden und in den nächsten fünf Jahren einen Rechtsansp­ruch auf einen Pflegeplat­z etablieren – also eine Pflegeplat­zgarantie“, sagte er. Bayern wäre das erste deutsche Bundesland, das so etwas macht.

Augsburg hat Kosten schon berechnet

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Augsburg – hier im Bild der Königsplat­z – wäre eine von fünf bayerische­n Städten, in denen die Menschen nach dem Willen von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) künftig für einen Euro am Tag Busse und Bahnen nutzen können.

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