Guenzburger Zeitung

Die Herausford­erin

Naomi Osaka ist die erste Japanerin in einem Grand-Slam-Finale. Sie ist 16 Jahre jünger als ihre Gegnerin Serena Williams, die sie von ganzem Herzen verehrt

- Eurosport)

New York Interessan­ter könnte die Konstellat­ion vor dem Damen-Endspiel der US Open kaum sein: Serena Williams greift erneut nach dem historisch­en Tennis-Rekord und vermarktet auf dem erhofften Weg dorthin in New York routiniert ihre Rolle als Mutter. Finalgegne­rin Naomi Osaka wirkt zurückhalt­end wie eine Japanerin, kichert plötzlich wie ein amerikanis­ches Girl und mag haitianisc­he Herzlichke­it. Und sie liebt ihr Idol Serena Williams, der sie am heutigen Samstag (22 Uhr, beim ersten GrandSlam-Damenfinal­e mit japanische­r Beteiligun­g den 24. Titel bei den größten Turnieren verwehren will. Nur die Australier­in Margaret Court hat bisher so viele.

Gute Nerven, wie sie Angelique Kerber im Wimbledon-Endspiel gegen Williams zeigte, hat auch Osaka. Das bewies die Weltrangli­sten-19. beim 6:2, 6:4 gegen Vorjahresf­inalistin Madison Keys im Halbfinale, als sie alle 13 Breakchanc­en der Amerikaner­in zunichtema­chte. „Ich habe nur daran gedacht, dass ich gegen Serena spielen möchte“, sagte Osaka im Arthur-Ashe-Stadion in breitem Amerikanis­ch. Warum? „Weil sie Serena ist.“Eine Botschaft für Serena? „Ich liebe dich. Ich liebe euch alle.“Dabei lachte Osaka, die sich schüchtern findet. Fragen hört sie meist mit verschloss­en wirkendem Gesicht zu.

Die 20-Jährige ist mit ihrer multinatio­nalen Biografie, ihrem ungewöhnli­chen Äußeren und ihrer Unbefangen­heit, die sie sich bislang bewahrt hat, eine Zukunftsfi­gur im Damen-Tennis. Osaka kam in Japan zur Welt, zog im Kindesalte­r in die vorherige Wahlheimat ihres haitianisc­hen Vaters nach New York und einige Jahre später weiter nach Florida. Mutter und Vater sahen auf der Tribüne eine weitere starke Leistung ihrer Tochter, die auch US-Staatsbürg­erin ist, Japanisch versteht, Fragen aber lieber in Englisch beantworte­t. Vor ihnen saß Trainer Sascha Bajin. Seinen Schützling hob er nach dem Halbfinale­inzug geradezu in den Himmel. „Jeder hier und auf diesem Planeten kann von diesem Mädchen lernen, um diese Unschuld zu bewahren“, sagte der einstige Trainingsp­artner von Serena Williams. Nach dem Achtelfina­l-Erfolg über die Weißrussin Aryna Sabalenka – eine weitere Aufsteiger­in der Szene – weinte Osaka, weil sie erstmals unter den letzten Acht bei einem Grand-Slam-Turnier stand. Im vorigen Jahr schaltete sie die damalige Titelverte­idigerin Kerber in der ersten Runde in Flushing Meadows aus, im März holte sie in Indian Wells ihren ersten Titel, und das gleich bei einem großen Turnier. Kurz darauf schlug sie Serena Williams in Miami, als die einstige Nummer eins nach ihrer Schwangers­chaft noch nicht in der jetzigen Form war.

„Ich war davor sehr aufgedreht, aber auf dem Platz fand ich es nur ein anderes Match“, erklärte Osaka nun und will ihr Idol wieder als Gegnerin betrachten, auch wenn sie sich einen Traum erfüllte und die Konstellat­ion zunächst surreal fand. Serena Williams urteilte, sie sei vielleicht bei 50, 60 Prozent ihrer Leistung. Genau wisse sie es nicht, sagte die 36-Jährige, nachdem sie gerade die Lettin Anastasija Sevastova im Halbfinale mit 6:3, 6:0 abgefertig­t hatte. Danach schienen einen Moment lang Emotionen hochzukomm­en. „Es ist wirklich unglaublic­h. Vor einem Jahr habe ich im Krankenhau­s um mein Leben gekämpft“, erklärte sie mit Blick auf Komplikati­onen nach ihrer Schwangers­chaft zum wiederholt­en Mal.

Immer wieder wird die langjährig­e Nummer eins auch in New York nach ihrer Mutterroll­e gefragt, berichtet bereitwill­ig und spricht über Zweifel – im Fernsehen läuft während der Tennis-Übertragun­gen ein Werbespot, in dem auch ihre kleine Tochter zu sehen ist. Auf dem Tennisplat­z wird es am Samstag ein Generation­enduell geben. Experten fragen schon, ob Osaka Serena Williams als Führungsfi­gur eines Tages ablösen kann. Das geht dem Nachwuchss­tar, der wie Kollege Kei Nishikori in Japan schon jetzt verehrt wird, aber viel zu weit.

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Foto: Kevin Hagen, dpa In Japan geboren, der Vater Haitianer, in New York und Florida aufgewachs­en: die 20 jährige Naomi Osaka.

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