Mein Kühlschrank hat mehr von der Welt gesehen als ich
zum Frühstück. Schwarzer oder grüner Tee wären Alternativen, wachsen aber auch nicht in Bayern. Bleibt noch Malzkaffee. Kurzer Blick in den Kühlschrank, hab ich nicht da. Neben Wurst vom Discounter stehen da Kaffeesahne, Ketchup, Antipasti aus Italien, Nutella, Cheddarkäse und Butter aus Irland. Teile meines Kühlschranks haben schon mehr von der Welt gesehen als ich selbst. Mein Magen knurrt, aber es hilft nichts, ich muss einkaufen gehen.
Aber wohin? Ich probiere es einfach an allen Anlaufstellen, wo ich sonst eben auch einkaufen würde. Also ab zum Discounter und zum Supermarkt. Beim Durchstreifen der Discounter-Regale wird einem schnell klar: Regional einkaufen heißt auch, sich Zeit zu nehmen. Und damit ist nicht nur gemeint, jedes Produkt umzudrehen und zu schauen, wo es herkommt, sondern sich die Zeit zu nehmen, seine Kaufgewohnheiten zu hinterfragen. Statt einfach Begriffe wie Butter, Wurst und Milch aufzuschreiben und dann schnell zusammenzusuchen, stell ich mir die Frage: Brauch ich heute Jo- ghurt? Brauch ich heute Garnelen aus Norwegen? Brauch ich Bio-Riesentomaten aus den Niederlanden? Regional kaufen heißt manchmal verzichten. Das Problem dabei sind aber nicht die Lebensmittel. Das werde ich noch lernen beim Einkaufen …
Beim Discounter bin ich zunächst positiv überrascht. Auf einer Milchverpackung steht „Einfach Regional“, darunter ist ein Bild eines lächelnden Bauers mit einem Kalb und noch etwas weiter unten heißt es, dass die Milch aus Bissingen kommt – keine 50 Kilometer Luftlinie von Augsburg entfernt. Na geht doch, das war einfach! Sicherlich könnte ich auch hinausfahren nach Bergheim und dort bei einem Milchautomaten mir selbst etwas zapfen. Ich gebe mich mit der Discounter-Milch zufrieden.
Mit dem Wissen über das Label Regional“suche ich jetzt gezielt im Discounter nach anderen Produkten und werde im Kühlregal fündig. 350 Gramm Hähnchen-Ministeaks. Doch diesmal steht da als Herkunftsort Bogen. Das ist in Niederbayern. Einfache Strecke mit dem Auto knapp 200 Kilometer. Da stehe ich vor der Frage: Was ist eigentlich regional für mich selbst? Wo ziehe ich die Grenze? Ist Bogen zu weit weg?
Ich kann mich also nicht blind auf solche Label verlassen. Klar, ich kann auch sagen, näher geht’s nicht. Aber bei Fleisch, Gemüse oder Backwaren fällt es einem deutlich leichter, regionale Alternativen zu finden. Deswegen bleiben die Steaks im Kühlregal.
Überhaupt hinterfrage ich mich selbst immer wieder: Wie sicher kann ich mir bei Produkten sein, die in der Region hergestellt worden Ein kleines Beispiel: Schwäbische Spätzle. Hergestellt in der Nähe von Stuttgart. Authentisch, daher für mich vertretbar. Aber als gelernter Lebensmitteltechniker schaue ich auf die Rückseite und lese mir die Zutaten durch. Klar, Hartweizengrieß ist enthalten und Hühnervollei aus Bodenhaltung. Aber: Woher stammen die Eier? Auch aus der Nähe von Stuttgart oder überhaupt nicht aus Deutschland? Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Transparenz der Hersteller fehlt.
Anderes Beispiel: In Augsburg gibt es in der Innenstadt ein Geschäft, das regionale Kleidung anbietet. Schurwolle aus der Region, lokale Fertigung und Verkauf direkt am Standort. Ein tolles Konzept an sich. Doch kleinere Teile wie der Reißverschluss kommen eben nicht von hier. Trotzdem sind bis zu 300 Kilometer Umkreis noch sehr regio„Einfach nal. Auch die zum Teil verwendete Baumwolle kommt nicht aus Deutschland. Aber auf Kleidung kann nun mal keiner verzichten. Sehr transparent ist ein Laden im Augsburger Bismarckviertel. Auf einer großen Landkarte von Bayerisch-Schwaben an der Wand wird über Nummern und kleinen Porträtbildern den Käufern erklärt, wo welche Produkte herkommen. Simpler geht’s nicht.
Die nächste Anlaufstelle ist der Supermarkt, bei mir an der Ecke. Hier ist es kein Problem, regionales frisches Gemüse zu bekommen. Glück gehabt, dass mein Selbstversuch im Spätsommer stattfindet. Bei der Fleischtheke bekomme ich auch Wurst aus der Region. Was mir schon bei früheren Besuchen aufgefallen ist –, und das sehe ich auch in immer mehr Discountern – an den Wänden hängen Bilder von Augssind?