Guenzburger Zeitung

Ein Finale zum Heulen

Serena Williams verliert im Endspiel der US Open die Fassung. Sie zertrümmer­t ihren Schläger, beschimpft den Schiedsric­hter und weint aus Wut. Überraschu­ngssiegeri­n Naomi Osaka kommt ebenfalls nicht ohne Tränen aus

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New York Mit unverzeihl­ichen Ausrastern im US-Open-Finale zerstörte Serena Williams den größten Moment von Naomi Osaka. Einmal mehr setzte die 36-Jährige im Zorn ihren Ruf als Ikone des Weltsports aufs Spiel und ließ den ersten Grand-Slam-Titel für Japans Tennis fast zur Nebensache werden. Als wären Schiedsric­hter-Beleidigun­gen, ein zertrümmer­ter Schläger, Tränen und ein Spielabzug nicht schon genug, erhob Williams nach dem 2:6, 4:6 noch Sexismus-Vorwürfe.

Was Williams am Samstag in New York so ungebührli­ch erzürnte, waren drei regelkonfo­rme Verwarnung­en von Carlos Ramos, einem der erfahrenst­en und besonnenst­en Unparteiis­chen auf dem Stuhl. Die erste gab es wegen Coachings. „Ich betrüge nicht, lieber verliere ich. Sie schulden mir eine Entschuldi­gung“, giftete sie Ramos immer wieder an. Williams habe klargemach­t, sie sei nicht gecoacht worden, teilte der US-Tennis-Verband mit, statt den Schiedsric­hter zu stärken. Trainer Patrick Mouratoglo­u räumte verbotene Zeichen von der Tribüne ein, die Williams indes wohl kaum gesehen haben dürfte. Via Twitter echauffier­te sich der Franzose, wohl jeder Spieler werde gecoacht, der Schiedsric­hter sei der Star der Show gewesen – nicht zum ersten Mal bei den US Open, wo sich Williams schon 2009 im Halbfinale gegen Kim Clijsters und 2011 im verlorenen Finale gegen Samantha Stosur danebenben­ahm. Gegen Clijsters wurde der Matchball nicht mehr ausgespiel­t, weil Williams nach einem zu Unrecht gegebenen Fußfehler die Linienrich­terin so anschrie, dass sie ihre zweite Verwarnung erhielt und den Punkt damit verlor.

Nachdem sie diesmal im zweiten Satz nach dem Break zum 3:1 ihren Aufschlag abgab, zertrümmer­te sie ihren Schläger und kassierte einen Punktabzug. „Sie haben mir einen Punkt gestohlen – Sie sind auch ein Dieb“, herrschte sie den Portugiese­n beim nächsten Seitenwech­sel an. Ramos blieb nichts anderes als die dritte Verwarnung übrig und der Spielabzug zum 3:5. „Das fühlte sich wie eine sexistisch­e Bemerkung an“, meinte sie zu der Strafe. Ramos habe noch nie einem Mann ein Spiel abgezogen, der „Dieb“zu ihm gesagt habe. „Das macht mich fertig. Aber ich werde weiter für die Frauen kämpfen“, versprach Williams und brachte – komplett aus dem Zusammenha­ng – erneut den Fall der Französin Alizé Cornet auf. Cornet war während des Turniers zu Unrecht verwarnt worden, weil sie auf dem Platz ihr Tennis-Shirt ausgezogen hatte, um es richtig herum wieder anzuziehen.

Die Stimmung unter den 24 000 Fans im Arthur-Ashe-Stadium beim Finale war nach den wiederholt­en Disputen aufgeheizt. Serena Williams bat bei der Siegerehru­ng darum, nicht mehr zu buhen und kämpfte vergeblich mit den Tränen. Auch Osaka hatte feuchte Augen und musste sich anhören, wie USVerbands­chefin Katrina Adams die Verliereri­n als Vorbild lobte und sagte: „Wir alle haben uns ein anderes Ende gewünscht.“Tennislege­nde Billie Jean King schlug sich später via Twitter ebenfalls auf die Seite von Williams und prangerte eine „Doppelmora­l“im Tennis an, die Frauen benachteil­ige. Etwas anders sahen das die Veranstalt­er des Turniers. Sie verhängten gestern eine Geldstrafe von 17000 Dollar gegen Williams.

Osaka ging mit all dem bemerkensw­ert um, brachte mit Nervenstär­ke nach 1:19 Stunden ihren Aufschlag zum 6:4 durch und umarmte danach ihre japanische Mutter auf der Tribüne innig. Ihr haitianisc­her Vater sei zu aufgeregt, um das Match dort zu schauen, berichtete sie später. Die 20-Jährige wirkte nicht so, als würde sie gerade den größten Erfolg ihrer jungen Karriere feiern. Das wollte die seit der

„Sie haben mir einen Punkt gestohlen – Sie sind ein Dieb.“Serena Williams zum Schiedsric­hter

Kindheit in den USA lebende Aufsteiger­in mit Videospiel­en, aber nicht mit Alkohol. „Ich bin 20“, antwortete sie entrüstet auf die Frage nach einem Drink. Von den Kontrovers­en auf dem Platz habe sie kaum etwas mitbekomme­n. Was in ihrem Idol womöglich wirklich vorging, ließ sie dagegen sehr wohl durchblick­en – wenn auch erst nach einiger Bedenkzeit und der nächsten Träne im Auge. Osaka sah sich auf dem Platz nicht mehr als SerenaFan, sondern nur als Tennisspie­lerin, die gegen eine andere Tennisspie­lerin antrat. „Als ich sie am Netz umarmt habe, habe ich mich wieder wie ein kleines Kind gefühlt“, sagte die künftige Nummer sieben der Welt.

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Foto: Fotostand Eine verstörte Siegerin spendet einer aufgelöste­n Verliereri­n Beifall: Die 20 jährige Naomi Osaka und die von ihr verehrte 16 Jah re ältere Serena Williams.
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Foto: dpa Einer muss büßen: Der Schläger von Se rena Williams.

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