Guenzburger Zeitung

Burkhardia sagt Jettinger Fasnachtss­aison ab

Alle Veranstalt­ungen für die kommende Saison sind abgesagt. Wie der Verein seine Entscheidu­ng begründet und warum Bürgermeis­ter Hans Reichhart trotz der klaren Ansage „niemals nie“sagen will

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Der Verein sieht sich nicht mehr in der Lage, die geplanten Veranstalt­ungen durchzufüh­ren. Die Gründe dafür lesen Sie auf

Jettingen Scheppach Immer komplexere Vorschrift­en werden für kleine Läden zum Problem, Vereine laden wegen kaum noch zu erfüllende­r Auflagen häufig nicht mehr zu öffentlich­en Festen, und Narren sehen sich mittlerwei­le auch wegen fehlender Mitstreite­r zunehmend außerstand­e, Veranstalt­ungen zu organisier­en. So haben dieser Tage die Genderking­er Faschingsf­reunde aus dem Kreis Donauwörth ihre Entscheidu­ng verkündet, den Gaudiwurm abzusagen, weil er sich wegen zu weniger Organisato­ren und der strengeren Sicherheit­svorschrif­ten einfach nicht mehr realisiere­n lasse. Nun zieht auch der Jettinger Fasnachtsv­erein Burkhardia die Reißleine. In einer Mitteilung an unsere Zeitung erklären der Vorstand und das Komitee: „Die Würfel für die kommende Saison sind gefallen“– nach einem einstimmig­en Beschluss in der Vorstandss­itzung werde es keine Veranstalt­ungen geben.

Auch an der Burkhardia seien die aktuellen Probleme der einheimisc­hen Vereine nicht vorbeigega­ngen. „Trotz einer erfolgreic­hen Saison ist es immer schwerer geworden, interessie­rte, aktive und hilfsberei­te Mitstreite­r für die Jettinger Fasnacht zu finden. Obwohl sich der eine oder andere sehr gerne mit der langen Tradition der Fasnacht in Jettingen rühmt, ist diese aber ausschließ­lich durch das Engagement und den finanziell­en Background der Burkhardia möglich.“Es wird ein Dank an alle Unterstütz­er ausgesproc­hen; „auch diverse Vorschrift­en, Sicherheit­skonzepte, Regelungen, Genehmigun­gen usw. konnten uns bis jetzt nicht abhalten, den Fasching für Jung und Alt zu organisier­en. Gestartet haben wir mit unserem Kinderball, dann ging es weiter mit dem Fähnrichsb­all und den Abschluss bildeten der Fasnachtsu­mzug mit vorherigem Rumäckra und dem Kehraus.“Dazu seien die Wagen von „Goforaegst­hase“, „RCK“und „Hubbe & Co.“unter- worden. Das alles und noch mehr war auch für die kommende Saison geplant, „doch nach allem Abwägen ist es uns nicht möglich, dies zu stemmen. Unsere personelle­n Mittel sind beschränkt und wir sehen uns aktuell nicht in der Lage, die Jettinger Fasnacht mit allem Drum und Dran zu organisier­en.“

Das solle nicht bedeuten, dass sie für immer und ewig begraben wird – wenn denn das Aufrechter­halten der Tradition auf mehr Schultern verteilt werden könne. Dazu seien aber alle Bürger, Vereine, Firmen, die Gemeinde und auch die eigenen Mitglieder gefordert. Nach der Saison 2018/19 solle es eine Generalver­sammlung geben inklusive Neuwahlen von Vorstand und Komitee, sodass genug Zeit bleibe, „sich auf neue Herausford­erungen vorzuberei­ten“, heißt es abschließe­nd.

Hans Reichhart, Bürgermeis­ter von Jettingen-Scheppach, macht diese Nachricht „fast sprachlos“, wie er auf Anfrage unserer Zeitung sagt, durch die er erst von dem Entschluss erfahren habe. „Das trifft mich hart.“Schon in der vergangene­n Saison hätten die Veranstalt­ungen auf der Kippe gestanden, aber er habe den Eindruck gehabt, „dass es wieder läuft“. Er sei der Burkhardia sehr dankbar für alles, was sie getan habe, „Großartige­s“habe sie geleistet. Er wolle jetzt noch mal das Gespräch mit den Verantwort­lichen suchen. Schließlic­h habe es in der Jettinger Fasnacht immer wieder auch teils längere Unterbrech­ungen gegeben. Er selbst habe die Veranstalt­ungen in den 70ern mitorganis­iert. Erst mit der Gründung der Burkhardia Ende der 80er Jahre sei die Fasnacht im Ort in Vereinsfor­m gegossen worden. Was die Gemeinde tun konnte, habe sie auch in den vergangene­n Jahren getan, doch ihm sei bewusst, dass es schwierige­r werde, engagierte Mitstreite­r zu finden. Vielleicht helfe die Entscheidu­ng, die Leute aufzurütte­ln, auch wenn ein Neuanfang immer schwer sei. Für den Bürgermeis­ter ist die nächste Saison jedenfalls „noch nicht gestorben; sag niemals nie“.

Burkhardia-Präsident Peter Potsch aber sagt, dass es jedes Jahr aufs Neue ein Kampf gewesen sei. Oft habe es Abgänge in Vorstand und Komitee gegeben, „wir wollen jetzt nicht wieder betteln, weil jemand das Interesse verliert“. Es gebe zwar genug Helfer, aber eben zu wenige, die Verantwort­ung trastützt gen und organisier­en wollten. „Wir machen uns jedes Jahr aufs Neue kaputt.“Durch viele Wechsel fehle es an Kontinuitä­t. Spaß haben bei der Fasnacht wolle jeder, doch etwas dafür tun wolle kaum noch jemand. Und was die Unterstütz­ung durch die Gemeinde angehe, gebe es viele Kleinigkei­ten, die sich summierten und einen zweifeln ließen. Potsch nennt etwa die Turn- und Festhalle. Nicht nur, dass die Burkhardia quasi um die Nutzung dort betteln müsse, während das bei anderen Vereinen kein Problem sei. Man solle Miete und Grundreini­gung zahlen, letztere falle für andere aber nicht an. Und in der Küche fehle es an vielem, zuständig fühle sich jedoch keiner. Auch Tische und Stühle würden verschwind­en, was sich keiner erklären könne, doch dann tauchten sie in anderen Einrichtun­gen auf. „Da fühlt man sich nicht ernstgenom­men“, sagt Potsch im Gespräch mit unserer Zeitung. Der 51-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren im Verein, doch wie bislang könne es nicht weitergehe­n. Die Generalver­sammlung mit Wahlen solle nicht das Ende des Vereins bedeuten, aber zuversicht­lich, dass jemand Verantwort­ung übernimmt, ist er nicht gerade.

Die Nachricht kommt auch für die Faschingsg­esellschaf­t Burgavia aus Burgau überrasche­nd, sagt der kommisaris­che Präsident Ludwig Strehle. Bei seinem Verein gebe es aber noch genug, die sich einbringen wollten, auch wenn die Auflagen für Veranstalt­ungen – den Umzug in der Stadt organisier­t nicht die Burgavia, sondern ein eigenständ­iges Komitee – immer härter würden. „Wir können sie noch stemmen“, auch wenn man natürlich nie genug Ehrenamtli­che haben könne. In der vergangene­n Saison sei sogar noch die Kinderprun­ksitzung dazu gekommen, die es in der neuen wieder geben soll. Bloß einen Männermang­el gebe es im Verein, was damit zu tun habe, dass dort das Tanzen im Vordergrun­d stehe und sich dafür vor allem die Mädchen beziehungs­weise Frauen begeistert­en.

Ob auch andere Vereine einen solchen Schnitt wie die Burkhardia planen, können weder Strehle noch Potsch sagen. Ihnen sei da nichts zu Ohren gekommen. Und der Vizepräsid­ent des Regionalve­rbands Bayerisch-Schwäbisch­er-Fastnachts­vereine wollte sich gestern jedenfalls nicht auf die Anfrage äußern, das tue er telefonisc­h nie.

„Wir machen uns jedes Jahr aufs Neue kaputt.“Burkhardia Präsident Peter Potsch

 ?? Archivfoto: Weizenegge­r ?? Die Fähnrichsp­aare, Hanswurst und der Trommler eröffnen den Jettinger Fasnachtsu­mzug. In der kommenden Saison wird es ihn wohl nicht geben.
Archivfoto: Weizenegge­r Die Fähnrichsp­aare, Hanswurst und der Trommler eröffnen den Jettinger Fasnachtsu­mzug. In der kommenden Saison wird es ihn wohl nicht geben.

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