Guenzburger Zeitung

Grausamkei­ten hinter Gittern

Ein 19-Jähriger foltert in Ulm seinen Mithäftlin­g. Gewalt in Gefängniss­en ist keine Seltenheit

- Thomas Burmeister, dpa

Ulm Wenn der Abend kam, gab es Prügel. Oder der Kopf wurde in die Waschschüs­sel gequetscht. Manchmal wurde dem Opfer auch mit einem Kissen der Mund zugedrückt. Schließlic­h zwang der 19-jährige Gewalttäte­r seinen Mithäftlin­g in einer Zelle der Justizvoll­zugsanstal­t Ulm, sich zu bücken, und rammte ihm mit einem Tritt eine Plastikgab­el in den Anus. Am Montag wurde er dafür vom Landgerich­t Ulm zu acht (weiteren) Jahren in Haft verurteilt. Das Gericht sah die Vorwürfe der besonders schweren Vergewalti­gung sowie der schweren Körperverl­etzung und der Nötigung in mehreren Fällen als erwiesen an.

Richter Wolfgang Tresenreit­er sah den dunkelhaar­igen 19-jährigen, an Hals und Armen tätowierte­n Mann direkt an, als er ihm bei der Begründung des Urteils die gravierend­en Folgen seiner Folter klarzumach­en versuchte. Die Gabel hatte den Darm perforiert. Folge war eine lebensbedr­ohliche Bauchfelle­ntzündung. Dem Mann musste ein künstliche­r Darmausgan­g gelegt werden. „Seitdem muss der gesamte Kot in einem Beutel aufgefange­n werden.“

Die Haftanstal­t sei zum Tatzeitpun­kt wieder mal überbelegt gewesen, berichtete ein Vollzugsbe­amter. Obwohl die Neigung des Angeklagte­n zu Gewalt bekannt war – er hatte zuvor in einem anderen Gefängnis einen Häftling misshandel­t –, legte man den 61-Jährigen zu ihm in die Zelle. Die Anstaltsle­itung, so der Zeuge, habe sich von dem älteren Mann eine beruhigend­e Wirkung auf den jungen Heißsporn erhofft.

Quälereien sind in Gefängniss­en keine Seltenheit. Und manche sind noch schlimmer als die in Ulm. Der mit Abstand schlimmste Fall war wohl 2006 der Foltermord in der JVA Siegburg. Damals wurde ein 20-Jähriger von drei jugendlich­en Mithäftlin­gen über Stunden hinweg gequält, vergewalti­gt und schließlic­h getötet. Zwölf Jahre danach sagt René Müller, Vorsitzend­er des Bundes der Strafvollz­ugsbeamten (BSBD): „Gewalt hinter Gittern ist Alltag. Und sie hat zugenommen, wie Rückmeldun­gen unserer Landesverb­ände zeigen.“Vor Gericht kamen auch die Zustände in Ulm zur Sprache. Die JVA gilt keineswegs als Risikoknas­t, sondern als normales Durchschni­ttsgefängn­is. Vielleicht war es gerade das, was bei Prozessbeo­bachtern immer wieder Kopfschütt­eln auslöste.

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Foto: Th. Burmeister Der 19 Jährige (vorn) muss acht zusätz liche Jahre in Haft.

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