Gespräche werden laut und Freundschaften wanken
Wie eine AfD-Veranstaltung alte Freundschaften in Schieflage und das Vereinsleben durcheinander bringt
Wie eine AfD-Veranstaltung und eine Gegendemonstration die Stimmung in Breitenthal aufwühlen.
Breitenthal „Alice Weidel, 15. September, 12 Uhr, Vereinsheim Breitenthal.“Die Wahlveranstaltung der AfD ist auf den Plakaten nur in wenigen Worten umschrieben. Doch der geplante Auftritt der CoVorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion in der mittelschwäbischen Provinz wühlt ein Dorf regelrecht auf. In Gesprächen wird die Tonlage mitunter laut, bisweilen geht es gar so weit, dass alte Freundschaften in Schieflage geraten, Vereinsmitgliedschaften werden gekündigt. Und immer steht die Frage im Raum: Darf man der umstrittenen AfD Raum geben für ihren Wahlkampf? Oder ist die AfD – wie in Diskussionen auch oft zu hören ist – einfach eine „normale“Partei, die ein Recht darauf hat, für ihre Positionen zu werben?
„Wir sind demokratisch und die größte Oppositionspartei. Wir haben ein Recht, solche Veranstaltungen zu organisieren“, sagt der AfD-Kreisvorsitzende Gerd Mannes. Doch am Samstag hat sich bei der „Demo gegen die AfD in Breitenthal“ein breites Bündnis zusammengefunden. Die Veranstaltung soll, wie Claudia Snehotta, eine der Mitorganisatorinnen, erklärt, bereits um 11 Uhr beginnen. Hinter der vom SPD-Landtagskandidaten Tobias Auinger initiierten Aktion stehen die SPD, die Grünen, der DGB, die Freien Wähler, die Linke, die ÖDP und der DJK-Diözesanverband Augsburg. Nicht angeschlossen hätten sich, so Auinger, wegen der Beteiligung der Linkspartei die CSU und die FDP.
Bei der AfD-Veranstaltung werden bis zu 200 Besucher erwartet. In Günzburg waren es bei einer Demonstration gegen die AfD vor einigen Wochen rund 250 Personen, sagt Auinger. Wegen diverser Auf- lagen des Vereinsausschusses werde die Demonstration außerhalb des Vereinsgeländes stattfinden, teilen die Organisatoren mit. Nicht selten finden AfD-Veranstaltungen in öffentlichen Hallen statt. In Breitenthal sind die Begleitumstände anders. Das Vereinsheim gehört drei Vereinen im Ort: der DJK sowie dem Schützen- und Musikverein. Ein Gremium aus Vertretern dieser Vereine hatte mehrheitlich entschieden (nach unseren Informationen mit 5:2-Stimmen), dass die AfD das Vereinsheim für ihre Veranstaltung nutzen kann (wir berichteten).
Vor wirtschaftlichen Interessen sei das Handeln geprägt gewesen, erklärte beispielsweise Reinhard Stegmann, einer der Vorsitzenden des Musikvereins.
Man könne doch nicht das Wirtschaftliche über das Moralische stellen, sagt Claudia Snehotta. Zusammen mit ihrem Mann Richard Sne- (er ist auch Bezirkstagskandidat der ÖDP) und den beiden erwachsenen Töchtern ist sie aus der DJK Breitenthal ausgetreten. Richard Snehotta (Snehotta Pflegeteam) hat auch das Firmensponsoring beendet. Die AfD – das sei die Botschaft von Hass und Kälte, sagt Claudia Snehotta. „Jede AfD-Veranstaltung, die nicht von Protest begleitet wird, macht die AfD gefährlicher, weil sie dann als normale Partei wahrgenommen wird“, betont sie. Und: „Die AfD wird wieder gehen, aber im Dorf wird von all dem etwas zurückbleiben.“Viele Jahre war sie Übungsleiterin bei der DJK, sie hat das Mutter-Kind-Turnen oder auch Tanzgruppen betreut. Ihr, und ihrer Familie, sei der Austritt sehr schwergefallen. Aber angesichts der jüngsten Geschehnisse habe es keine andere Wahl gegeben. Und die Snehottas sprechen von weiteren Mitgliedern, die keinen „Fuß mehr in das Vereinsheim“setzen wollten. Geht durch das Dorf gar so etwas wie ein „Riss“? Im Gespräch mit Gabriele Wohlhöfler spürt man, dass sie nach Worten für das, was sich in ihrer Gemeinde entwickelt hat, sucht. Ein „Riss“? So weit würde sie nicht gehen, sagt sie. Sie hofft, dass die Menschen wieder zusammenfinden. Wie und auf welcher Seite soll sich die Gemeinde positionieren, wo steht die Bürgermeisterin, die für die CSU auch dem Kreistag angehört, selbst? „Wir haben eine Demokratie“, sagt sie mit Blick auf die AfD-Veranstaltung in Breitenthal. Doch sie habe sich dazu entschlossen, bei der Demonstration ein Grußwort zu sprechen und sich so als Bürgermeisterin der Gemeinde zu positionieren.
Wer wird zur AfD-Veranstaltung kommen? Kein Zweifel kann inzwischen daran bestehen, dass nicht wenige Menschen aus dem Lebenshotta bereich, der oft mit „bürgerlich“umschrieben wird, die Entwicklung der AfD mit einem durchaus wohlwollenden Interesse verfolgen. Diese Entwicklung ist auch im Vergleich zu früheren Auftritten, etwa der NPD vor Jahrzehnten, neu. Der Kreisvorsitzende Gerd Mannes spricht immer wieder davon, wie stark die AfD inzwischen in der Arbeiterschaft positioniert sei. Aber viele AfD-Sympathisanten hätten „Angst, sich offiziell zu äußern“, sagt er. Im Grenzbereich zwischen den Kreisen Günzburg und Unterallgäu gilt die AfD als relativ stark. In Babenhausen wurde vor Kurzem ein Ortsverband gegründet. Andere Parteien und Gruppierungen würden immer wieder von Toleranz sprechen, sich aber dann gegenüber der AfD ganz anders verhalten. Kein Verständnis hat er für die Entscheidung des SPD-Landtagskandidaten Auinger, nicht an der Podiumsdiskussion der Günzburger Zeitung und der Mittelschwäbischen
Nachrichten teilzunehmen. Mannes betont noch einmal, dass die Veranstaltung mit Alice Weidel auf alle Fälle stattfinden werde.
Die Stimmung im Vorfeld der AfD-Veranstaltung ist aufgeheizt. Und dann ist da noch der Brand eines Kiosks auf dem Sportgelände am Montagabend. Die Polizei spricht in solchen Fällen von „Kleinbrand“. Aber im Fall Breitenthal ist das etwas anders. Es gebe ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Aufklärung des Falls, sagt ein Sprecher des Kemptener Polizeipräsidiums. So habe die Kripo die Ermittlungen übernommen, eine Gutachterin des Landeskriminalamtes sei vor Ort gewesen. Eine Brandlegung oder eine Fremdeinwirkung könne nahezu ausgeschlossen werden. Wahrscheinlich sei ein technischer Defekt. Der Sachschaden betrage rund 5000 Euro. Diese Erkenntnisse werden wenigstens mit Blick auf den Brand die Diskussion wohl etwas entspannen.