Damit will Mercedes Tesla überholen
Endlich kommt Daimler mit einer eigenen Elektromarke um die Ecke. Erster Vertreter einer ganzen zu erwartenden Modellfamilie ist der EQC, ein SUV. Wie der Stromer mit dem Stern den Kunden die Reichweiten-Angst nehmen will
Gründlichkeit vor Schnelligkeit – wohlmeinend könnte man sagen, „der Daimler“sei nach dieser Devise ins Elektro-Zeitalter gestartet. Die Teslas zischen längst über die Straßen, der BMW i3 ebenfalls, Jaguars i-Pace ist bereits bestellbar und Audis e-Tron soll noch in diesem Jahr kommen. Somit sind die Premium-Wettbewerber ein Stück voraus. Aber: „Wir haben das beste Paket“, sagt Daimler-Boss Dieter Zetsche zur Weltpremiere des Mercedes-Benz EQC, dem ersten „richtigen“Elektroauto der Marke mit dem Stern, das ab Mitte nächsten Jahres ausgeliefert werden soll.
Zwar hat Daimler als weltweit erster Hersteller, der eine ganze Modellpalette voll elektrifizierte, mit dem Smart schon Erfahrung gesammelt. Auch eine unter Strom stehende B-Klasse gibt es. Für den Aufbruch in eine neue Ära steht das jedoch alles nicht. Erst mit der neu geschaffenen, eigenständigen Elektro-marke EQ legt Daimler nach eigener Lesart „den Schalter um“.
Den Anfang macht der EQC, viele weitere Modelle sollen folgen. Bis 2022 will Mercedes in jedem Segment ein voll elektrisches Fahrzeug anbieten. Warum es mit den mittelgroßen SUV losgeht, liegt auf der Hand: Die Stuttgarter können SUV, und ihre Kunden lieben sie. Der GLC, der am wenigsten entfernte Verwandte des EQC, ist ein Bestseller. Außerdem lässt sich in einem hoch gebauten SUV die mächtige besser unterbringen. Im EQC sitzt sie unsichtbar am Fahrzeugboden. Für 450 Kilometer nach NEFZ-Norm sollen die Energiereserven gut sein. Inwieweit sich das in der Praxis bewahrheitet, ist ebenso Spekulation wie der Preis. Der Einstieg könnte Schätzungen zufolge bei 70000 Euro liegen.
Wer so viel Geld ausgibt, kauft „keine Verzichtserklärung“, sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius. Deshalb setzen die Stuttgarter auch in ihrem vermeintlichen Öko-Mobil auf Leistung satt. An jeder Achse des Allradautos sitzt ein Elektromotor. Zusammen leisten die Maschinen maximal 300 Kilowatt und 765 Newtonmeter.
Ob das reicht, den großen Rivalen Tesla samt seines schillernden Gründers Elon Musk auf den Mond zu schießen? Hier kommt ins Spiel, was Daimler-Chef Zetsche mit dem „besten Paket“meint. Er führt die Mercedes-typischen Eigenschaften wie Qualität (hier hat Tesla ohne Frage Probleme), Sicherheit, KomBatterie fort und Luxus ins Feld. Bei Daimler sieht man es so: Mercedes hat jetzt ein Elektroauto. Aber vor allem haben die Elektroautos jetzt einen Mercedes.
Die Marke will Vertrauen wecken, und wer das im Elektro-Segment will, muss den Menschen zuallererst die Reichweiten-Angst nehmen. Das versucht Mercedes mit den Segnungen der Digitalisierung. Das Super-Navi im EQC findet nicht nur die für den Stromverbrauch günstigste Strecke. Es gibt dem Fahrer Tipps, wann er vorausschauend den Fuß vom Gas nehmen sollte, und schlägt bereits während der Routenplanung passende Ladestopps vor.
Das gesamte System lässt sich zusätzlich über eine App steuern, was nicht nur die Zielführung, sondern beispielsweise auch das Ladeprozedere einfach und transparent macht. Sogar reden lässt der EQC mit sich: Wer sein Auto am nächsten Morgen um 8 Uhr vollgeladen und vorklimatisiert vorfinden will, sagt es ihm einfach am Abend. Voraussetzung ist natürlich, dass der EQC an der Strippe hängt.
Mit einem Schnelllader lässt sich die Ladezeit auf 40 Minuten verkürzen. Wie lange es an der nur Handtrockner-großen Wallbox oder an der Haushaltssteckdose dauert, darüber macht Mercedes keine Angaben. Wer unterwegs nachladen muss, soll von einem besonders einfachen System profitieren. Rund 200 verschiedene Anbieter von Elektroauto-Strom agieren am Markt. Doch egal an welcher Säule der EQC hängt: Per App kann der Besitzer überall andocken und einheitlich bezahlen. Es reicht, bei Mercedes registriert zu sein.
Wer nicht weiß, ob er sich Elektroauto traut, kann übrigens schon mal üben. Die App von Mercedes kann das tägliche Pensum jedes Autofahrers, unabhängig vom Fahrzeug, analysieren und ermitteln, wie der Alltag mit einem Stromer optimal zu bewältigen wäre – inklusive Ladezeiten und -stationen.
Fällt das Design des Autos ähnlich fortschrittlich aus wie die Services drumrum? Das liegt im Auge des Betrachters. Bei aller Liebe zur avantgardistischen Optik sollte der Mercedes doch als solcher erkennbar bleiben, sagt Entwicklungschef Ola Källenius. „Warum hätten wir etwas Seltsames machen sollen?“