Guenzburger Zeitung

Das Paradies kommt am Ende

Die letzte Folge von „Heimat im Kleinen“führt in diesem Jahr in den Ortsteil von Deisenhaus­en. Ende ist eine Einöde, in der es aber alles andere als öde zugeht. Die fünf Bewohner wollen mit niemandem tauschen. Eines aber stört sie gewaltig

- VON PETER WIESER (TEXT UND FOTOS)

Deisenhaus­en/Ende Das mit den fünf Einwohnern ist nicht ganz richtig, wenn man die Tiere mit einbezieht. In dem Deisenhaus­er Ortsteil leben nämlich auch drei Hunde: Cäsar und Maxl, ein Schäferhun­dund ein Dackelmisc­hling, sowie Lilly, eine Labradorda­me. Und acht Hennen gibt es auch: Drei schwarze, drei braune und zwei weiße, die jeden Tag sieben bis acht Eier legen. Die anderen Bewohner sind: Franziska, 79, und Horst Hofmann, 78, sowie ihr Sohn Bernhard, 53, der mit seiner Frau Karin, 51 und Sohn Benedikt, 26, ebenfalls dort lebt. Lediglich deren Tochter Bettina, 25, ist inzwischen verhei- ratet und wohnt in Hairenbuch. Die Einöde Ende liegt sozusagen auch an einem gewissen Ende: nämlich an dem von Oberbleich­en, am Billenhaus­er Weg. Und damit hat der Ort etwas, über das manche doch ein bisschen größeren Orte gar nicht verfügen: Hausnummer­n, die der Straße zugeordnet sind. Und zwar den Billenhaus­er Weg Nummer eins und den Billenhaus­er Weg Nummer zwei. Sogar ein Ortschild, wenn auch kein offizielle­s, habe es einmal gegeben, erzählt Karin Hofmann schmunzeln­d. Sie habe kurzerhand eine Folie, gelb und mit „Ende, Lkr. Günzburg“bedrucken lassen und auf eine Sperrholzp­latte geklebt.

Ende bestand einst nur aus einem einzelnen Gebäude – nämlich der Einöde „Zum End“, erklärt Benedikt Hofmann. Auch von der Bezeichnun­g „Beim Enderbauer­n“soll die Rede gewesen sein. Erst- bezeugt ist der Name im Jahr 1712. Franziska Hofmann erzählt weiter: „Es war eine Gastwirtsc­haft.“Und ganz früher müsse es einmal eine Poststatio­n gewesen sein. 1971 haben sie und ihr Mann Horst die Wirtschaft, den „Schlachter­wirt“von einer Erbengemei­nschaft gekauft, obwohl sie eigentlich in Thannhause­n schon ein nagelneues Haus gebaut hatten. Das ehemalige Wirtschaft­sschild „Schlachter­wirt, Bes. H. u. F. Hofmann“haben sie aufgehoben. Es befindet sich in der Werkstatt gegenüber. Auch das Kreuz mit Christus, das sich früher in der Wirtsstube befand, ist noch vorhanden. Es hängt heute im Esszimmer von Karin und Bernhard Hofmann. Wie alt es ist, können sie allerdings nicht sagen.

Das Gebäude selbst sei damals stark renovierun­gsbedürfti­g gewesen, fährt Franziska Hofmann fort und erinnert sich daran, wie viel Arbeit sie damals in dieses hineingest­eckt haben. Zwei Jahre lang führten die Hofmanns die Gastwirtsc­haft weiter. Die Gäste kamen vorwiegend aus der Umgebung, Spaziergän­ger und hauptsächl­ich Lastwagenf­ahrer. „Das hat sich herumgespr­ochen“, sagt Franziska Hofmann. An einem Rosenmonta­g sei einmal der ganze Billenhaus­er Weg mit Lastwagen, hauptsächl­ich von solchen mit Bärenmarke-Reklame, zugestellt gewesen. Und wenn am Nachmittag jemand gekommen sei und Hunger gehabt habe, dann habe sie dem auch einmal noch schnell ein Schnitzel gemacht. Manchmal seien die LkwFahrer schon in der Früh um sieben zum Kaffee und zu Rühreiern mit Speck dagestande­n – sie selbst dagegen noch im Bademantel.

Franziska Hofmann erzählt auch von dem Franzosen, der gelegentli­ch vorbeikam: Der habe zunächst in alle Töpfe geguckt, dann habe er nicht mehr aufgehört zu essen, einen halben Liter Wein getrunken und zum Abschluss auch noch eine Käseplatte verlangt. „So viel Auswahl hat’s bei uns zwar nicht gegeben, aber eine richtige Speisekart­e, die haben wir schon gehabt“, sagt sie und lacht. Ihr Mann Horst fuhr damals ebenfalls Lkw – mit Baustoffen und Zement beladen. Am Mittag habe er es schon immer so hindrehen können, dass er in der Wirtschaft vorbeikam und beim Ausschenke­n habe mithelfen können, erzählt er.

Gleichzeit­ig hielten Franziska und Horst Hofmann immer um die 27 Zuchtsauen, die Ferkel wurden verkauft. Es wurden Äcker dazu gepachtet und Getreide und Futtermitt­el angebaut. Heute machen es sich Franziska und Horst Hofmann schön. 2003 ging er in Rente, mit den Sauen wurde 2007 aufgehört, was vor allem an den Auflagen ohne Ende gelegen habe, wie er sagt. Aus den Äckern wurden Wiesen, Horst Hofmann macht heute nur noch Heu oder das Holz im Wald – Sohn Bernhard hilft mit, vor allem wenn es um das Instandhal­ten der Maschinen geht. Franziska Hofmann kümmert sich um den großen Gemüsegart­en, in dem eigentlich alles angebaut wird, was angebaut werden kann. Wie viele Gläser Gurken sie heuer schon eingemacht habe, könne sie gar nicht sagen, sagt sie. Inzwischen leben sie in dem Haus nebenan, das sie sich später gebaut haben und in das sie 1997 eingezogen sind. Ein Bekannter habe – nicht zuletzt auch wegen der Abgeschied­enheit – vor vielen Jahren einmal gesagt: „Bei Euch ist es wie im Dornrösche­nschloss.“Irgendwie sieht es auch heute noch so aus mit den eingewachs­enen Grundstück­en, die von außen nur wenig Blick in das Innere freigeben.

Dort, wo die Gastwirtsc­haft war, wohnen jetzt Sohn Bernhard und seine Frau Karin sowie deren Sohn Benedikt. Woanders zu leben, das können sie sich nicht vorstellen. Auch dort gibt es einen großen Gemüsegart­en, und das Brot wird noch selbst gebacken. „So, wie man in der Landwirtsc­haft schon früher halt immer alles selber gemacht hat“, sagt Karin Hofmann. Sie kennt die Extreme in der Beurteilun­gsskala: „Wie im Paradies“und „Bei Euch muss es doch stinklangw­eilig sein“– beide Aussagen hat sie gehört. Letzteres lässt Karin Hofmann nicht gelten. Regelmäßig kämen Bekannte. Und vor allem früher, als die Kinder klein waren, seien immer Freunde da gewesen. „Bei uns wird nichts geplant“, sagt sie. Wenn sich jemand ankündigt, wird schnell einmal unter dem großen Kastanienb­aum zusammenge­sessen. Dort befindet sich auch eine große Feuerstell­e mit einem Schwenkgri­ll und ein paar Bänken.

Langweilig wird es auch ihrem Mann Bernhard nicht. In der Werkstatt steht ein zehn Jahre alter VW-Bus, den er gerade wieder etmals was herrichtet. Einmal VW-Bus – immer VW-Bus, meint Bernhard Hofmann. Daneben steht ein Motorrad, eine etwas ältere Suzuki. Nur weniges an der Maschine ist noch im Originalzu­stand. Die Sitzbank hat er selbst bezogen: Mit dem Lederstoff aus einer alten Lederjeans.

Blickt man in den Garten mit der Bienenweid­e und zu den Gemüsegärt­en, dann fällt eines auf: In Ende scheint alles zu wachsen und zu gedeihen. Sogar die prächtigen Tabakpflan­zen, die Sohn Benedikt am Rand des Gartens angebaut hat. Keine Sorge: Es handelt sich dabei um nichts Ungesetzli­ches – bis zu einer gewissen Menge ist der Anbau von Tabak grundsätzl­ich erlaubt. Und die Pflanzen werden von Benedikt Hofmann sorgsam gehegt und gepflegt.

Nur auf eines würden die Hofmanns gerne verzichten: Das ist die B 16, die in unmittelba­rer Nähe vorbeiführ­t. Der Lärmpegel, der störe manchmal gewaltig, sagen sie. Bevor die Straße ausgebaut wurde, sei sie sogar direkt am Haus vorbeigega­ngen. In den letzten Jahren habe der Verkehr spürbar zugenommen, bemerkt Bernhard Hofmann. Trotzdem fällt ein weiteres Mal das Wort „Paradies“. Bereits beim Frühstück sehe man hinauf ins Holz, wenn die Rehe und die Hasen kommen. Vor zwei Jahren sei sogar ein Eulenpärch­en in das Anwesen mit eingezogen. Tauschen möchten Franziska und Horst, Karin und Bernhard sowie Benedikt Hofmann mit niemandem. Zwei Häuser, jede Menge Wiesen, Äcker und Wälder drumherum, sonst nichts: Das ist Ende.

***

Mit der zwölften Folge beenden wir unsere diesjährig­e Dorfserie. Für 2018 sagen wir: Ende!

Zwei Jahre lang führten sie die Gastwirtsc­haft weiter

Wie ein „Dornrösche­nschloss“

 ??  ?? Das ist Ende – und damit auch das Ende unserer diesjährig­en Dorfserie. Die Einöde Ende ist ein Ortsteil von Deisenhaus­en. Wir haben 100 Prozent der Bevölkerun­g abgebildet. Dort leben (von links): Karin und Bernhard Hofmann und Sohn Benedikt, sowie Franziska und Horst Hofmann.
Das ist Ende – und damit auch das Ende unserer diesjährig­en Dorfserie. Die Einöde Ende ist ein Ortsteil von Deisenhaus­en. Wir haben 100 Prozent der Bevölkerun­g abgebildet. Dort leben (von links): Karin und Bernhard Hofmann und Sohn Benedikt, sowie Franziska und Horst Hofmann.
 ??  ?? Ende besteht lediglich aus einer Handvoll Häusern und liegt unmittelba­r an der B 16 bei Oberbleich­en, kurz vor Krumbach.
Ende besteht lediglich aus einer Handvoll Häusern und liegt unmittelba­r an der B 16 bei Oberbleich­en, kurz vor Krumbach.
 ??  ?? In Ende leben neben Bewohnern und Hunden auch acht Hühner, die jeden Tag unge fähr sieben bis acht Eier legen.
In Ende leben neben Bewohnern und Hunden auch acht Hühner, die jeden Tag unge fähr sieben bis acht Eier legen.
 ??  ?? Die Schweinezu­cht gibt es nicht mehr: Horst Hofmann (links) macht heute nur noch Heu und Holz. Sohn Bernhard sorgt dafür, dass die Maschinen laufen.
Die Schweinezu­cht gibt es nicht mehr: Horst Hofmann (links) macht heute nur noch Heu und Holz. Sohn Bernhard sorgt dafür, dass die Maschinen laufen.
 ??  ?? Benedikt Hofmann und seine Tabakpflan­zen. Sie gedeihen in Ende besonders gut.
Benedikt Hofmann und seine Tabakpflan­zen. Sie gedeihen in Ende besonders gut.
 ??  ?? Die Einöde war früher einmal eine Gastwirtsc­haft: der Schlachter Wirt. Das alte Schild hat die Familie aufgehoben.
Die Einöde war früher einmal eine Gastwirtsc­haft: der Schlachter Wirt. Das alte Schild hat die Familie aufgehoben.
 ??  ?? Ein kleines Paradies bis ins Detail: die Bienenweid­e von Karin Hofmann.
Ein kleines Paradies bis ins Detail: die Bienenweid­e von Karin Hofmann.
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Heute sind wir hier
 ??  ?? Achtung, Hund: Mit Cäsar, Maxl und Lilly leben auch drei Hunde in Ende.
Achtung, Hund: Mit Cäsar, Maxl und Lilly leben auch drei Hunde in Ende.
 ??  ?? Obst in Hülle und Fülle: Nicht nur die Weintraube­n sind ein Hingucker.
Obst in Hülle und Fülle: Nicht nur die Weintraube­n sind ein Hingucker.

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