Was passiert bei einer Scheidung vor Gericht?
Ein Günzburger Anwalt beantwortet die wichtigsten Fragen
Günzburg Jedes Amtsgericht, auch das in Günzburg, hat ein Familiengericht. Von dessen Arbeit bekommt kaum jemand etwas mit. Dort werden Scheidungen, Unterhaltsund Sorgerechtsstreits unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Der Günzburger Rechtsanwalt Florian Gerdiken ist Experte für Familienrecht und beantwortet wichtige Fragen rund ums Thema.
Was fällt alles unter das Familienrecht?
Oft wird das Familienrecht nur mit Scheidungen in Verbindung gebracht, jedoch sind Scheidungen nur ein Teil des Familienrechts. Dazu gehören unter anderem auch der Versorgungsausgleich, also der Ausgleich von Rentenansprüchen, sowie das Güterrecht, insbesondere der Zugewinnausgleich, also die Regelung des Vermögens, welches während der Ehe aufgebaut wurde. Ein wichtiger Punkt im Familienrecht ist auch der Unterhalt für den Ehepartner oder die gemeinsamen Kinder. Und da kommt dann noch das Thema Sorgerecht hinzu, mitsamt den Fragen nach Umgang und Wohnort der Kinder.
Welche Aufgabe hat der Rechtsanwalt in solchen Streitfällen?
Im Scheidungsverfahren ist auf mindestens einer Seite die anwaltliche Vertretung vorgeschrieben, die andere Seite braucht nicht zwingend einen Anwalt, sofern die Scheidung einvernehmlich ist. Der Anwalt kann jeweils nur einen der beiden Ehegatten vertreten. Tatsächlich können, bis auf die Scheidung, alle familienrechtlichen Auseinandersetzungen außergerichtlich geklärt werden. Das klappt nur meistens nicht. Viele kämen emotional aufgeladen zu dem Anwalt, berichtet er. Teilweise seien die Ehegatten nicht mehr in der Lage, vernünftig miteinander zu sprechen. So kommen dann die Anwälte ins Spiel. Richtig emotional wird es häufig bei Streit um die Kinder. Der Anwalt weist darauf hin, dass es in erster Linie ums Kindeswohl geht. Die Hauptsache ist immer, dass es dem Kind gut geht.
Wie läuft eine Scheidung ab? Meistens gehen die Mandanten nach einem Streit zum Anwalt und wollen sich trennen oder haben sich bereits getrennt. Zu dem Zeitpunkt wissen die Beteiligten oft selbst noch nicht, wie es weiter geht. Wichtig ist hier zunächst eine anwaltliche Erstbera- tung. Sofern keine Härtefälle vorliegen, ist vor einer Scheidung das Trennungsjahr abzuwarten. Der Scheidungsantrag wird von einem Anwalt eines Ehegatten beim Familiengericht eingereicht. In der Regel wird bei der Scheidung der Versorgungsausgleich von Amts wegen vom Gericht durchgeführt.
Was passiert vor Gericht?
Der Scheidungstermin allein ist re- lativ kurz, weil oftmals vorher alles geklärt wurde. Beide Parteien werden noch mal angehört und dann wird, meist noch in dem Termin, die Ehe geschieden. Solche Verhandlungen finden übrigens immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Andere familienrechtliche Verfahren sind hingegen komplizierter. Auf Antrag eines Ehegatten können weitere Angelegenheit im Verbund mit der Scheidung verhandelt werden. Insgesamt kann so eine Scheidung mehrere Jahre dauern. Bei Sorgerechtsverfahren werden auch das Jugendamt, Verfahrensbeistände und die Kinder angehört. Dafür gibt es bei Gericht einen extra Raum mit Spielzeug. Gegebenenfalls müssen auch Gutachten vom Gericht eingeholt werden, beispielsweise zu Vermögenswerten.
Wann bekommt ein Elternteil das alleinige Sorgerecht?
Der Grundfall ist, dass bei in der Ehe geborenen Kindern die gemeinsame elterliche Sorge besteht. Für die Übertragung des Sorgerechts auf ein Elternteil müssen Härtefälle vorliegen, insbesondere müsste das Kindeswohl gefährdet sein, beispielsweise wenn die Kinder von einem Elternteil misshandelt werden. Dabei muss aber immer der Einzelfall betrachtet werden. Die Entziehung des Sorgerechts ist das letzte denkbare Mittel. Vorher wird geschaut, ob das Problem auch anders zu lösen ist, etwa durch Hilfe vom Jugendamt.
Welchen Einfluss hat der Wille der Kinder?
Auch die Kinder werden in Sorgerechtsstreitigkeiten befragt, ab einem gewissen Alter ist das sogar zwingend vorgesehen. Wenn sich um das Sorgerecht der Kinder gestritten wird, wird vom Gericht den Kindern oft ein Verfahrensbeistand beigeordnet. Das ist sozusagen der Anwalt des Kindes, damit die Kinder noch jemand Neutrales an der Seite haben. Dieser versucht, den wahren Kindeswillen herauszufinden und zu welchem Elternteil die größere Bindung besteht. Denn gerade kleinere Kinder sind natürlich anfällig dafür, was die Eltern ihnen einreden. Auch das Jugendamt ist bei solchen Verfahren involviert.
Kommt es auch vor, dass Paare wieder zusammenfinden?
Das kommt tatsächlich häufiger vor. Das ist auch im Sinne des Gesetzgebers, deshalb gibt es das Trennungsjahr, das übereilte Entscheidungen verhindern soll. Sollte man sich nach einer Versöhnung jedoch wieder trennen, beginnt das Trennungsjahr von vorne. O Zur Person Florian Gerdiken, 35, hat Rechtswissenschaften in Augsburg stu diert. Danach war er in Weißenhorn als Rechtsanwalt tätig, bevor er nach Günzburg zur Kanzlei Lenzer, Grob und Egger wechselte. Er ist auf Familien , Verkehrs und Mietrecht spezialisiert. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.