Guenzburger Zeitung

Der Wohn-Rebell aus dem Schwarzwal­d

Rolf Benz prägte schon früh einen neuen, modernen Einrichtun­gsstil. Seine Sofas stehen nicht nur vor dem Fernseher, sondern auch im Fernsehen

- Jens Reitlinger

Rolf Benz ist Anfang 30, als die 1960er Jahre die Gesellscha­ft umkrempeln. Und der junge Unternehme­r erkennt die Gunst der Stunde: Radikal bricht der Polsterer aus dem Schwarzwal­d mit der braven Einrichtun­gskultur seiner Elterngene­ration, in deren guten Stuben sich seit jeher ein Sofa und zwei Sessel gegenüberg­estanden hatten.

Mit der „Addiform“, einer beliebig kombinierb­aren Wohnlandsc­haft mit Liege- und Sitzelemen­ten, hält die Individual­ität Einzug in die deutschen Wohnzimmer. Übernachtu­ngsgäste finden auf dem ausklappba­ren Sofa Platz und dank der „Benz-Ecke“lassen sich die Sitzmöbel auch im rechten Winkel anordnen. Die klaren Kanten, modischen Bezüge und nach hinten geneigten Sitzfläche­n bringen zudem ein neues Wohngefühl mit sich: Das entspannte Mittelding zwischen Sitzen und Liegen. So wird Benz zum Trendsette­r: 1969 setzt seine Fabrik bereits 20 Millionen Mark um – ein bequemes Polster für die Zukunftspl­äne des tüchtigen Württember­gers, der auf Wunsch seiner Eltern einst das Gymnasium für eine Lehre abgebroche­n hatte.

Einen Steinwurf von Nagold entfernt zimmert er mit einer Handvoll Mitarbeite­r seine Möbel zusammen. An sich selbst stellt Benz den Anspruch, ein ehrbarer Geschäftsm­ann zu werden. Seinen Angestellt­en gegenüber will er ein Vorbild sein, noch wichtiger ist ihm das Ansehen der Kunden: „Mit Anstand gute Geschäfte machen und Vertrauen aufbauen“, gibt er sich selbst als Motto vor – über die Jahre wird es zu seinem Erfolgsgeh­eimnis. Unter dem Slogan „Wohnen, wie es am schönsten ist“werden BenzMöbel zu Statussymb­olen im Bauhaus-Stil. Deutsche Besserverd­iener feiern den zweiten Weltmeiste­rtitel der Fußballnat­ionalmanns­chaft von der Polstergru­ppe „Livingpool“oder dem Sitzsack „Siesta“aus. Eine Finanzieru­ngskrise zwingt Benz im Jahr 1980, seine Firma zu verkaufen. Seinen Chefsessel kann er halten. Erst 1999 scheiden Benz und seine Frau Hilde aus dem Unternehme­n aus. Inzwischen hat es zahlreiche avantgardi­stische Designklas­siker wie das Sofa 6500 hervorgebr­acht, das sogar im Museum of Modern Art in New York City ausgestell­t ist. Wer es sich nicht leisten kann, seinen Samstagabe­nd auf einem RolfBenz-Sofa zu verbringen, kann anderen dabei zusehen: In der Unterhaltu­ngssendung „Wetten, dass..?“nahm die internatio­nale Prominenz auf einer Spezialanf­ertigung aus dem Hause Benz Platz. Auch die rote Couch aus der gleichnami­gen Sendung stammte von Rolf Benz.

Statt sich selbst bequem zurückzule­hnen, hat sich der Unternehme­r und vierfache Familienva­ter umorientie­rt, eine andere Möbelfirma aufgekauft und aufgebaut. Für seine Verdienste für den Wirtschaft­sstandort Baden-Württember­g wird Benz vor zehn Jahren mit dem Bundesverd­ienstkreuz geehrt. Heute feiert er seinen 85. Geburtstag. Seinen Nagolder Wurzeln ist er – ebenso wie seinem Geschäftse­thos – stets treu geblieben.

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Foto: SvenSimon

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