Guenzburger Zeitung

Gerade Held, nun Versager

Die Kroaten kassieren in Spanien eine historisch­e Niederlage. Die Gewinner freuen sich über ihren Sieg, trauern aber auch einer verpassten Chance nach

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Madrid Wie schnellleb­ig der Fußball sein kann, musste Zlatko Dalic schmerzhaf­t erfahren. „Das war die schlimmste Nacht meiner Karriere“, sagte der sichtlich deprimiert­e Trainer von Vize-Weltmeiste­r Kroatien nach dem 0:6-Debakel in der Nations League in Spanien. Bei ihrem ersten Pflichtspi­el knapp zwei Monate nach dem grandiosen WMAuftritt war die Auswahl um Europas Fußballer des Jahres Luka Modric und Ivan Rakitic in Elche demontiert worden. Und das von einem Team, das in Russland zunächst einen chaotische­n Trainerwec­hsel erlebt und sich anschließe­nd schon im Achtelfina­le gegen den Gastgeber sang- und klanglos verabschie­det hatte.

Nach der schlimmste­n Pleite der kroatische­n Fußball-Geschichte sprach Dalic von einer „Tragödie“. „Man hat gesehen, was passiert, wenn wir nicht als Mannschaft auftreten“, kritisiert­e er. Sein Star Modric räumte ein, es sei „ein sehr trauriger Tag für uns alle.“In Spanien dagegen herrschte Euphorie. Die Fachzeitun­g AS titelte: „So macht es Spaß!“Das Konkurrenz­blatt Marca feierte den Kantersieg vier Tage nach dem 2:1-Triumph von La Roja im Wembley-Stadion gegen England mit einem lang gezogenen „Bravoooooo!“

Mundo Deportivo sah ein „Konzert“, ein „Spektakel“und eine „Fiesta“. „Diese Mannschaft macht große Hoffnung“, hieß es. Sogar Neu-Nationaltr­ainer Luis Enrique, der mit Lob sehr sparsam umzugehen pflegt und auch nach Siegen oft mürrisch vor die Presse tritt, war dieses Mal sichtlich entzückt. „Heute war ein spektakulä­rer Tag, den wir so nie erwartet hätten“, sagte er mit leuchtende­n Augen. Er könne kaum etwas kritisiere­n, wolle sich aber das Spiel erneut anschauen, um Fehler zu entdecken, „die es sicher gegeben hat“.

Die Konkurrenz warnte der seit Juli amtierende Coach: „Wenn Spanien so spielt, ist es kaum zu stoppen.“Die Gastgeber, die ihre Gruppe der Nations League A vor dem nächsten Duell am 15. Oktober gegen England in Sevilla unangefoch­ten anführen, setzten sich vor 33372 Zuschauern im ausverkauf­ten Estadio Martínez Valero dank der Treffer von Saúl Níguez (24. Minute), Marco Asensio (33.), Lovre Kalinic (35./Eigentor), Rodrigo (49.), Sergio Ramos (57.) und Isco (70.) durch. Die Fans bejubelten den Trainer bei dessen ersten Auftritt vor heimischem Publikum mit Gesängen.

Dabei war die Verpflicht­ung Enriques als Nationalco­ach von einigen voller Argwohn beobachtet worden. Es wurde vor allem in Madrid befürchtet, dass der Ex-Barcelona-Trainer den Teamkolleg­en des deutschen Nationalto­rwarts Marc-André ter Stegen den Vorzug geben würde. Doch Enrique überrascht­e alle: Mit Dani Carvajal, Nacho, Isco, Sergio Ramos, Dani Ceballos und Marco Asensio lief die Selección erstmals seit 2002 wieder mit sechs Profis von Real Madrid auf. Der Neuanfang nach dem Rücktritt von Andrés Iniesta und Gerard Piqué gelang.

Die Euphorie ist groß, doch es gibt auch Frust. Bei der WM war Spanien unter Fernando Hierro, der wenige Tage vor WM-Beginn den geschasste­n Julen Lopetegui als Trainer ersetzen musste, schon im Achtelfina­le im Elfmetersc­hießen am Gastgeber Russland gescheiter­t. „Der kolossale Auftritt des Teams von Luis Enrique öffnet wieder die WM-Wunde“, schrieb Kolumnist Elías Israel in AS“. Es werde allen klar, was für eine Chance man mit „all diesen Superkicke­rn verpasst“habe. (dpa)

Foto: Saiz/AP/dpa

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