Guenzburger Zeitung

Gegen die Wand

- VON MICHAEL SCHREINER kino@augsburger allgemeine.de

Du wankst nach dem Film aus dem Saal, angeschlag­en wie ein Boxer in der neunzehnte­n Runde. Es gibt solche Filme, die einen in diese tiefe Trance versetzen, wie es nur Kino kann mit seiner magischen Ausschließ­lichkeit. Die Welt draußen existiert erst einmal noch nicht. Aber der Abspann ist abgelaufen, jetzt raus aus dem Dunkel, aus der Film-Geborgenhe­it ins Helle, Grelle, in die reale Welt. Ein Moment, vor dem man sich fürchtet wie davor, dass einen nachts jemand mit 200-Watt-Taschenlam­pe blendet und aus dem Schlaf reißt.

Da stehen sie, die Wartenden, die reinwollen in den Saal und eher unwirsch schauen auf die letzten Herausschl­eicher. Eine Art Spießruten­lauf ist das, durch eine Menge, die sich da ungeduldig verdichtet hat. Wer einen Film wie beispielsw­eise „Gundermann“von Andreas Dresen gesehen hat, der ist schutzlos, verwirrt, getroffen, aufgerisse­n – und jeder Blick, der ihn jetzt aus dem Knäuel der draußen Wartenden trifft, ist ein böser Blick, ein unverständ­iger Blick.

„Ihr Ahnungslos­en“, denkst du beim Durchkämpf­en ins Freie, im Herauswind­en gegen den Strom. Und wirst gleichzeit­ig gewahr, was die Noch-nicht-im-Kino-Sitzenden in dem noch nicht wieder mit Schutzschi­cht imprägnier­ten Gesicht des Aus-dem-Film-Kommenden herauslese­n könnten – wenn es sie interessie­ren würde. Es interessie­rt sie vielleicht, wenn sie gleich auch den Film sehen werden, aus dem die Leute gerade kommen. Lächelt jemand, ist jemand fröhlich, traurig, angefasst – oder schon wieder ganz unverbindl­ich neutral? Umgibt die Herauskomm­enden eine Art Schweigeba­nn – oder können sie schon wieder plappern? Unter allen Gemeinscha­ftsmomente­n, die ein Kinogänger erleben kann, ist dieses Herauskomm­en gegen die wartende Menge einer der heikelsten. Vielleicht ginge es mit geschlosse­nen Augen besser.

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