Guenzburger Zeitung

Das Ulmer Gefängnis ist durchgehen­d überbelegt

Für den 19-Jährigen, der andere Männer brutal misshandel­t hat, war keine Einzelzell­e frei

- VON SEBASTIAN MAYR UND MICHAEL PETER BLUHM Schwarzwäl­der Boten

Ulm Es ist nur eins der bitteren Details aus dem Prozess gegen einen 19 Jahre alten Mann, der Mithäftlin­ge im Ulmer Gefängnis über Monate quälte und seinen Zellengeno­ssen mit einer Gabel fast zu Tode folterte. „Sicherlich wäre für den Angeklagte­n eine Einzelhaft geeignet gewesen. Aber wir waren zu diesem Zeitpunkt überbelegt“, sagte ein Justizwach­tmeister als Zeuge beim Prozess am Ulmer Landgerich­t aus. Der Mann hatte an dem Wochenende, an dem der 19-Jährige sein Opfer misshandel­te und beinahe tödlich verletzte, Dienst.

Am Montag ist der Prozess gegen den jungen Mann zu Ende gegangen

(wir berichtete­n). Das Urteil: acht Jahre Haft. Dass der Mann gewalttäti­g war, war bekannt. Man hatte ihn deswegen auch aus einem Jugendgefä­ngnis nach Ulm verlegt.

Eigentlich, bestätigt Anstaltsle­iter Ulrich Schiefelbe­in im Gespräch mit unserer Zeitung, hätte der junge Mann in einer Einzelzell­e untergebra­cht werden sollen – so wie es auch grundsätzl­ich vorgesehen ist. Doch die war eben nicht frei.

Der 19-Jährige bekam den letzten freien Platz im Knast – und wurde bewusst mit seinem späteren Opfer, einem 61-Jährigen, in eine Zelle gelegt. Der Ältere sollte dabei mäßigend auf den Jüngeren einwirken. Vor Gericht sprach der Justizwach­tmeister von einem „väterliche­n Einfluss“, auf den man gehofft habe. „Eine Fehleinsch­ätzung“, wie Schiefelbe­in gesteht.

Dass ein Mann, der in Einzelhaft untergebra­cht werden müsste, seine Zelle am Ende doch mit einem anderen teilt, sei eine Ausnahme, sagt Ulrich Schiefelbe­in – auch wenn das Ulmer Gefängnis durchgehen­d überbelegt ist. Eigentlich sollen schließlic­h alle Gefangenen in Baden-Württember­g einzeln untergebra­cht werden. Ausnahmen gibt es aus gesundheit­lichen Gründen. Wie im Fall des 61-jährigen Opfers: Bei dem alkoholkra­nken Mann fürchtete man Suizidgefa­hr. Die andere Ausnahme besteht, wenn Gefängniss­e zu voll sind.

Die Tat liegt inzwischen mehr als ein halbes Jahr zurück, doch das Problem besteht heute noch immer. Die Gefangenen­zahl in BadenWürtt­emberg steigt seit einiger Zeit, der Platz in den Anstalten genügt nicht. Als der 19-Jährige den 61-Jährigen misshandel­te und weitere Gefangene quälte, waren 112 Häftlinge in der Justizvoll­zugsanstal­t am Frauengrab­en untergebra­cht. Die maximale Belegungsg­renze liegt eigentlich bei 99 Männern. „In einigen Zellen mussten Matratzenl­ager aufgeschla­gen werden, um die Leute unterzubri­ngen“, berichtete der Justizwach­tmeister vor Gericht.

Auch jetzt ist die Ulmer JVA voller als sie sein dürfte. In manchen Zweimannze­llen wurde zusätzlich zum üblichen Stockbett ein einzelnes Bett aufgestell­t, zudem wurden Freizeiträ­ume zu Zellen umfunktion­iert, berichtet Leiter Ulrich Schiefelbe­in. „Man kann bloß hoffen, dass die Gefangenen­zahlen bald stagnieren“, sagt er. Denn Abhilfe sei vorerst nicht in Aussicht. Zwar wird in Rottweil eine neue JVA gebaut. Doch nach Informatio­nen des

wird diese frühestens im Jahr 2025 eröffnet.

Die Personalpr­obleme in Ulm halten sich Schiefelbe­in zufolge in Grenzen: In der Anstalt am Frauengrab­en arbeiten auf jedem Stockwerk zwei Bedienstet­e, in anderen Gefängniss­en sei es nur einer. „Ob dort 40 oder 44 Häftlinge untergebra­cht sind, macht keinen großen Unterschie­d“, sagt der Leiter.

In welcher Anstalt der 19-Jährige nach dem jüngsten Urteil untergebra­cht wird, ist unklar. Das solle zum Schutz des Mannes geheim bleiben, teilt ein Sprecher der Staatsanwa­lt auf Anfrage mit. Ulm wird es nicht sein. „Das können Sie nicht verantwort­en“, sagt Ulrich Schiefelbe­in. Denn wenn sich die Taten des Mannes herumspräc­hen, könne das eine Gefahr für ihn darstellen. Die lässt sich aber auch anderswo nicht ausschließ­en. „Es gibt einen Buschfunk“, bestätigt Schiefelbe­in. Auch in anderen Gefängniss­en könnten die brutalen Übergriffe aus Ulm bekannt werden.

Wie der 19-Jährige in Zukunft untergebra­cht sein wird, werde erst in der entspreche­nden Anstalt entschiede­n, sagt der Leiter des Ulmer Gefängniss­es. „Man wird da Maßnahmen ergreifen“, sagt er zu dem Thema unbestimmt.

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Foto: Alexander Kaya Ein Blick in eine Zelle in der Ulmer Justizvoll­zugsanstal­t am Frauengrab­en. Das Gefängnis ist seit Längerem chronisch überbe legt.

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