Guenzburger Zeitung

Teure Liebe

Eine Frau aus Starnberg überweist einer Internet-Bekanntsch­aft hunderttau­sende Euro. Doch der vermeintli­che Mann fürs Leben ist nur ein Phantom – mit mindestens zwei Gesichtern

- VON MICHAEL BÖHM UND DAVID SPECHT *Name geändert

München Er muss ein interessan­ter Mann gewesen sein, dieser Thomas Stabler. Soldat bei der amerikanis­chen Armee, eloquent, schwerreic­h und auf der Suche nach Liebe. So präsentier­te er sich jedenfalls auf einer Online-Partnerbör­se für „kultiviert­e und gebildete Singles“, wie diese sich selbst bewirbt. Dort lernte Thomas Stabler im Februar 2016 Caroline von F.* kennen.

Die Frau mit adeligem Namen und Wohnsitz in Starnberg war offenbar hin und weg von dem neuen Mann in ihrem Leben. Er zog sie in seinen Bann, gewann per Kurznachri­chten, E-Mails und Telefonges­prächen innerhalb weniger Wochen ihr Vertrauen und versprach ihr Diamanten, wenn er sie besuchen komme. Weil es allerdings nicht ganz so einfach sei, die Edelsteine nach Bayern zu bekommen, benötige er ihre Hilfe. Finanziell­er Art. Die offenkundi­g nicht unwohlhabe­nde Caroline von F. willigte ein. Mehr als 380 000 Euro ließ sie ihrer bis dahin ausschließ­lich virtuellen Liebschaft auf unterschie­dlichen Wegen zukommen. Nach einem halben Jahr traf sie sich in einem Münchner Luxushotel mit einem vermeintli­chen Rechtsanwa­lt und einem Sicherheit­smann, um 128 000 Euro in bar zu übergeben.

An diesem Donnerstag saßen die beiden Männer nebeneinan­der auf der Anklageban­k des Landgerich­ts in München. Denn statt die große Liebe im Internet gefunden zu haben, war Caroline von F. auf dreiste Betrüger hereingefa­llen. Thomas Stabler war ein Phantom. Es gab ihn nie. Dafür eine ganze Bande von Personen, die sich auf diversen Dating-Portalen und sozialen Netzwerken gerne als US-Soldaten, reiche Geschäftsm­änner oder einsame Frauen auf Partnersuc­he ausgaben. Sie nannten sich Thomas Stabler, Danny Barrister, Ruth Boateng oder Alice Moyer. Gemein war ihnen allen eine plötzlich auftretend­e Geldnot und die Hoffnung, diese von ihren Internet-Bekanntsch­aften lösen zu lassen.

Mit dieser Masche, auch „Love Scamming“(zu Deutsch: Liebesbetr­ug) genannt, waren die Betrüger äußerst erfolgreic­h. Allein die beiden genannten Männer und ein weiterer Komplize sollen auf diese Weise Männer und Frauen um insgesamt mindestens eine Million Euro erschliche­n haben. Caroline von F. ist das Opfer, das am meisten Geld verloren hat. Die anderen kamen aus der Schweiz, Großbritan­nien, den USA oder auch Neu-Ulm. Hier wurde ein Mann mit Doktortite­l für den Kauf eines Sportwagen­s nach Dortmund gelockt, wo ihm schließlic­h eine Frau vorgestell­t wurde. Sie lernten sich kennen und gingen eine Liebesbezi­ehung ein, bis auch „Mary“plötzlich um Geld bat. 2000 Euro überwies der Neu-Ulmer, ehe ihm das Ganze komisch vorkam und er den Geldhahn zudrehte. Er war derselben Bande aufgesesse­n wie Caroline von F. aus Starnberg.

Fälle wie diese sind auch in Schwaben keine Seltenheit. Bei der Kriminalpo­lizei in Augsburg meldeten sich in den vergangene­n zwei Jahren rund 20 Opfer. „Wir schätzen, dass die Dunkelziff­er sehr hoch ist. Weil sie sich schämen, melden viele Leute den Betrug nicht der Polizei“, sagt Stefan Faller vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord. Ähnlich klingt es im Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West. Ein Beispiel ist Jürgen Salzmann von der Krimi- nalpolizei besonders in Erinnerung geblieben. Erst diesen Sommer habe eine 63 Jahre alte Frau Anzeige erstattet. Über zwei Jahre hinweg habe sie einem im Internet kennengele­rnten Mann 250 000 Euro überwiesen. Das erste Mal sei er auf einer Reise krank geworden und habe die Operations­kosten nicht bezahlen können. Dann habe er Goldbarren geerbt und für deren Überführun­g Geld benötigt. Und so weiter. „Der intelligen­te Verbrecher von heute überfällt keine Bank mehr, sondern macht seine Betrügerei­en über das Internet und soziale Medien“, sagt Polizist Salzmann. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem die Opfer ihr Geld zurückbeko­mmen hätten.

Denn die Aufklärung der Fälle gestaltet sich meist schwierig. In den Weiten des Internets verlieren sich die Spuren leicht in gefälschte­n Profilen, gestohlene­n Identitäte­n und Bankkonten in aller Herren Länder. Im Fall von Caroline von F. gelang es den Ermittlern, immerhin in 17 Fällen einige Zusammenhä­nge aufzudecke­n und die Taten einzelnen Personen zuzuordnen. Seit Donnerstag müssen sich daher die drei dunkelhäut­igen Männer – ein deutscher Sozialhelf­er, 26 Jahre alt, ein ghanaische­r Geschäftsm­ann und Musiker, 25, sowie ein nigerianis­cher Hilfsarbei­ter bei einem bayerische­n Autoherste­ller, 52 – wegen gewerbsmäß­igen Betrugs vor dem Landgerich­t verantwort­en. Ihnen drohen Haftstrafe­n von bis zu viereinhal­b Jahren. Zwei haben bereits ein Geständnis abgelegt.

In den kommenden Wochen werden einige der Opfer als Zeugen aussagen und erklären müssen, wie es den fiktiven Liebhabern gelang, ihnen tausende Euro abzuluchse­n. So auch Caroline von F. aus Starnberg. Sie wird im Gerichtssa­al erstmals Thomas Stabler gegenübers­itzen – beziehungs­weise den Männern, die sich hinter dem im Internet geklauten Foto eines US-Soldaten versteckt hatten.

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Foto: Gollnow, dpa Beim „Love Scamming“erschleich­en sich Betrüger zumeist über das Internet das Vertrauen von partnersuc­henden Menschen und gelangen so nach und nach an deren Erspartes. Eine Masche, die häufiger funktionie­rt, als man denkt.

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