Guenzburger Zeitung

„Kinder leiden ganz unterschie­dlich“

Wenn Mama und Papa sich trennen, ist das für Kinder häufig schlimm. Denn sie stehen immer zwischen den Eltern. Die Diakonie hilft Trennungsk­indern nun mit einer Gruppe

- VON LEA THIES

Karl kennt diesen Witz:

Was ist das? Es ist grün, schwimmt auf dem Wasser und fängt mit „a“an? A grünes Blattl. Was ist grün, schwimmt auf dem Wasser und fängt mit „z“an? Zwei Blätter. Was ist grün, schwimmt auf dem Wasser und fängt mit „n“an? Noch a Blatt.

» Kennst du auch einen guten Witz? Schreib einfach an: capito@augsburger allgemeine.de Dass Mama und Papa ab und zu streiten, ist ganz normal. In manchen Familien kommt es aber vor, dass die Eltern sich nicht mehr verstehen und sich daher trennen. Für Kinder ist das besonders traurig. „Sie können die Trennung und Scheidung nur schwer verstehen und müssen dennoch damit zurechtkom­men“, sagt Ute Gagesch, Expertin beim Diakonisch­en Werk Augsburg. Sie und ihr Kollege Franz Kirschner bieten ab Oktober eine Gruppe für „Trennungsk­inder“zwischen sieben und zehn Jahren an. Mit Capito hat sie darüber gesprochen, wie solche Kinder sich fühlen und warum dieses Angebot wichtig ist.

Wie sieht es in Kindern aus, deren Eltern sich trennen?

Gagesch: Jede Trennung ist für Kinder eine Veränderun­g, ab jetzt ist alles anders. Diese Erfahrung ist schmerzvol­l und die Kinder sind traurig. Eine Trennung kann aber auch eine Entspannun­g für die Kinder bedeuten, weil die Eltern sich danach vielleicht weniger streiten. Wie genau es in den Kindern aussieht, hängt vom Alter und Kind ab. Jedes Kind ist anders. Und auch jede Trennung ist anders. Wichtig ist, dass die Eltern dabei das Kind im Blick haben. Aber nicht alle schaffen das.

Wie fühlen sich zum Beispiel kleine Kinder, die noch nicht zur Schule gehen?

Gagesch: Kleine Kinder verstehen häufig nicht, was passiert. Sie begreifen es erst, wenn ein Elternteil auszieht. Häufig haben sie dann Angst, ganz verlassen zu werden. Kleine Kinder geben sich auch häufig die Schuld an der Trennung. Weil die Eltern zum Beispiel ihretwegen gestritten haben. Aber das ist natürlich falsch: Kinder sind nie schuld, wenn die Eltern sich trennen. Das sollten die Eltern ihren Kindern auch deutlich machen.

Und wie reagieren die Kleinen? Gagesch: Auch das ist ganz unterschie­dlich. Manche nässen sich wieder ein oder können nicht schlafen. Manche ziehen sich zurück, andere werden trotzig oder schimpfen viel. Es ist gut, wenn sie eine Reaktion zeigen. So lassen

sie ihre Trauer und Wut raus. Wenn sie aber niemanden haben, dem sie ihre Gefühle mitteilen können, dann kann das die Seele des Kindes belasten.

Grundschul­kinder verstehen schon mehr. Wie fühlen sie sich? Gagesch: Ähnlich. Grundschul­kinder geraten aber häufig zwischen die Fronten von Mama und Papa. Sie wissen dann nicht, zu wem sie halten sollen. Sie sollen auch gar keine Partei ergreifen. Manche Kinder meinen dann auch, Verantwort­ung übernehmen zu müssen. Jungs sagen zum Beispiel, ich passe nun auf Mama auf. Aber das

geht natürlich nicht. Sie sind Kinder und kein Partnerers­atz.

Wie reagieren diese Kinder dann? Gagesch: In ihnen gibt es ein Gefühlscha­os. Sie können trotzig bis aggressiv reagieren. Manche sind nicht greifbar und ziehen sich zurück, andere werden krank. Körperlich­e Beschwerde­n kommen bei älteren Trennungsk­indern häufig vor.

Und wie verhalten sich Teenager bei Trennungen ihrer Eltern? Gagesch: Je mehr die Kinder verstehen, desto weiter können sie sich die Folgen der Trennung ausmalen. Zum Beispiel, dass die Familie nun nicht mehr gemeinsam in den Urlaub fahren wird. Alles wackelt für sie. Sie machen sich Sorgen, wie es weitergeht. Sie machen den Eltern auch Vorwürfe. Viele sind mit der Situation überforder­t. Teenager neigen dann dazu, sich von den Eltern zurückzuzi­ehen und sich mehr auf Gleichaltr­ige zu besinnen.

Wie helfen Sie Trennungsk­indern? Gagesch: Es ist wichtig, dass sie einen neutralen Ort haben, an dem sie ihre Gefühle ansprechen können. Das heißt: Hier gibt es niemanden, für den sie Partei ergreifen müssen. Sie sehen, dass es Kinder gibt, denen es ähnlich geht. Und sie erfahren, dass es gut ist, die Gefühle zuzulassen und nicht zu unterdrück­en: Ärger, Liebe, Trauer, Verlust, Wut. Weil sich Mädchen manchmal leichter mit Frauen und Jungen mit Männern über ihre Gefühle unterhalte­n, betreue ich die Kindergrup­pe zusammen mit einem Kollegen.

Was lernen die Kinder?

Gagesch: Wir zeigen ihnen, wohin sie ihre Gefühle richten können. Ob sie zum Beispiel einem Teddy davon erzählen oder ihre Gefühle aufschreib­en. Oder ob sie mit uns Experten reden. Wichtig ist: Sie sollen ihre Gefühle rauslassen. Wir zeigen ihnen auch, dass sie nicht der Knackpunkt sind, damit Mama und Papa weniger streiten. Und wir geben ihnen Tipps, wie sie sich verhalten können, wenn die Eltern sich wieder streiten.

Zum Beispiel?

Gagesch: Dass sie sich rausnehmen und sagen: „Stopp, ich will das nicht hören, Mama, Papa.“Sie lernen, wie sie den Eltern Grenzen setzen. Und wir vermitteln ihnen auch: Es ist eine Krise, in der sich die Eltern gerade befinden. Es wird aber auch wieder andere Zeiten geben.

Sprechen Sie auch mit den Eltern? Gagesch: Ja. Für sie gibt es zwei Elternaben­de, an denen sie teilnehmen müssen, wenn ihr Kind die Gruppe besucht.

OInfo Eltern können ihre Kinder bis 28. September bei der Ev. Beratungss­telle der Diakonie Augsburg, Tel. 0821 597760, anmelden. Termine der Kin dergruppe: 8 x je donnerstag­s von 15.30 bis 17 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos.

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Foto: Oksana Bratanova, stock.adobe.com Früher hielten sich Mama und Papa noch an den Händen, nun haben sie sich getrennt. Für Kinder ist das häufig eine traurige Erfahrung. Das Diakonisch­e Werk Augsburg will Trennungsk­inder nun unterstütz­en.

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