Guenzburger Zeitung

Sie haben reingetret­en, als er schon am Boden lag

Wegen gefährlich­er Körperverl­etzung stehen zwei Brüder aus dem Landkreis vor dem Amtsgerich­t Günzburg. Das Opfer erlitt ein Schädel-Hirntrauma. Ein Urteil gibt es noch nicht

- VON PHILIPP WEHRMANN

Günzburg Zwei Brüder aus dem nördlichen Landkreis Günzburg sind im Günzburger Amtsgerich­t angeklagt. Sie sollen im September vergangene­n Jahres unweit eines Günzburger Autohofs in der Nähe der Autobahn 8 auf einen Mann eingetrete­n haben, der am Boden lag. Doch der Geschädigt­e ist nicht erschienen – er ist im Heimaturla­ub in Rumänien.

Die Geschehnis­se begannen in der Total-Tankstelle des Autohofs. Dort zockten zwei Freunde an einem Glücksspie­lautomaten. Die Tankstelle­nverkäufer­in kennt sie, sie seien häufig dort, schildert sie dem Gericht. Dann kam eine Gruppe von fünf Männern – unter ihnen der spätere Geschädigt­e und ein sichtlich betrunkene­r Mann. Dieser soll die beiden Männer am Automaten als „Zigeuner“beschimpft haben, obwohl beide Gruppen rumänische Landsleute waren. Aufgrund dieser Beleidigun­g rief einer der beiden seinen Onkel an.

Die fünf Männer fuhren wieder gemeinsam in einem Auto weg. Doch dann fuhr ein Oberklasse­wagen vor, in dem sich der angerufene 29-Jährige befand. Dieser versperrte den fünf Männern den Weg.

Der Geschädigt­e hatte der Polizei erzählt, was sich danach zutrug. Doch die Darstellun­g der Angeklagte­n, die sie vor Gericht vortragen, unterschei­det sich von dieser Aussage. Der jüngere Angeklagte sagt, er sei aus seinem Auto ausgestieg­en und habe fragen wollen, was die fünf von seinem Neffen in der Tankstelle gewollt hatten. Daraufhin sei der Geschädigt­e, den er als groß und stämmig beschreibt, von der Rückbank gestiegen und habe ihn angegriffe­n. Dass er zugeschlag­en hat, wie die Staatsanwä­ltin ihm vorwirft, bestreitet er nicht. Er habe sich wehren müssen. Der Geschädigt­e ging zu Boden. Dann sollen die beiden auf den Geschädigt­en eingetrete­n haben. Er erlitt ein SchädelHir­n-Trauma, Schürfwund­en im Gesicht und verlor zwei Zähne. Auch die Tritte geben sie zu – aber auch die seien aus Notwehr geschehen. Wieso sie auf ihn eingetrete­n haben, wollte Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle wissen. „Er wollte wieder aufstehen“, entgegnet der jüngere Angeklagte als Begründung für die Tat.

Der beste Freund des Geschädigt­en sagt vor Gericht aus. Er war der Fahrer des Wagens, der gestoppt wurde, und beschreibt den Hergang anders. Der jüngere Angeklagte sei zu ihnen gelaufen, habe seine Fahrertür aufgerisse­n und auf ihn eingetrete­n und -geschlagen. Daraufhin habe sein Kumpel, der auf der Rückbank saß, das Auto verlassen, um zu schlichten. Dann sei dieser unter anderem von den beiden Angeklagte­n verprügelt und am Boden getreten worden.

„Wissen Sie, dass es in Rumänien Wölfe gibt?“, fragt der Richter den jüngeren Angeklagte­n. Der blickt verdutzt und zuckt mit den Schultern, nachdem ihm der Dolmetsche­r die Frage übersetzt hat. „Wenn Wölfe kämpfen, dann streckt der Unterlegen­e dem anderen seine Kehle hin, doch der beißt nicht zu. Das erwarte ich von Menschen auch.“

Nicht nur die Abwesenhei­t des Geschädigt­en erschwert die Verhandlun­g. Immer wieder fallen die Angeklagte­n dem Richter und Zeugen ins Wort, der Dolmetsche­r wirkt bisweilen überforder­t. Die Gelegenhei­t, einen Zeugen zu befragen, nutzen die Angeklagte­n, um ihre Sicht der Dinge zu wiederhole­n. Der Neffe der Angeklagte­n beschreibt auch, wie sich die Schlägerei an den Autos zugetragen hat – doch dass er selbst nicht am Ort des Geschehens war und seine Darstellun­g sich nur auf die Erzählunge­n seines Onkels stützt, erklärt er erst auf Nachfrage des Richters.

Richter Henle sagt, „den Schlag mit der Faust mag man noch als Notwehr betrachten können, die Tritte auf einen am Boden liegenden definitiv nicht“. Obwohl die Angeklagte­n die Tritte zugeben, schlägt Henle in Absprache mit der Staatsanwä­ltin einen Fortsetzun­gstermin vor, um die Schwere der Verletzung­en des Geschädigt­en zu klären.

Die Verhandlun­g wird am Donnerstag, 4. Oktober, um 13 Uhr im Amtsgerich­t Günzburg fortgeführ­t.

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