Generalabrechnung mit Merkel und der CSU
Alice Weidels Auftritt in Breitenthal wird zum Frontalangriff auf die Regierungspolitik
Breitenthal „35“. Unvermittelt ruft einer der Besucher diese Zahl in den Versammlungsraum hinein. Alice Weidel nimmt diese Steilvorlage sofort auf. „35“, wiederholt sie. Ovationen, Jubelrufe, Beifall im Saal, im prall gefüllten Vereinsheim von Breitenthal, etwa 350 Menschen sind gekommen. Bei rund 35 Prozent lag die CSU bei den letzten Umfragen und man spürt an diesem frühen Samstagnachmittag, wie diese Zahl die AfD geradezu beflügelt.
Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion im Vereinsheim eines mittelschwäbischen Dorfes: Das hatte im Vorfeld der Veranstaltung in Breitenthal für heftige Diskussionen gesorgt. Außerhalb des Vereinsgeländes gibt es eine Gegendemonstration.
Alice Weidel kommt etwa eine halbe Stunde später als erwartet. An den Tischen Gespräche, zum Beispiel über Trump, für den so mancher zustimmende Worte findet, dazu massive Kritik an der EU, an offenen Grenzen, an Merkel wird kein gutes Haar gelassen. Auch die Idee, dass sich Bayern gar aus der Bundesrepublik lösen könne, stößt hier und dort auf Sympathie. Ein Gymnasiallehrer sagt, dass man sein Bekenntnis zur AfD immer noch nicht offen aussprechen könne.
Dann kommt Alice Weidel. Jubel im Saal, als die 39-Jährige durch die Reihen geht. Sie nimmt sich Zeit, sucht den direkten Kontakt mit den Besuchern. Viele sind auch aus umliegenden Landkreisen, zum Beispiel aus den Kreisen Unterallgäu oder Dillingen, gekommen. Einige erzählen, dass sie in Schwaben bereits mehrfach Veranstaltungen der AfD besucht haben.
folgt die erwartete Generalabrechnung mit der Politik von Angela Merkel, der Großen Koalition und mit Blick auf den bayerischen Wahlkampf die Attacke auf die CSU. Die Kritik von Innenminister Horst Seehofer, der die AfD als „staatszersetzend“bezeichnet habe, weist Alice Weidel entschieden zurück. Weidel: „Der CSU steht doch das Wasser bis zum Hals.“Und Seehofer und Söder, das sei doch irgendwie „die gleiche Soße“. Kreuze in Amtsstuben aufzuhängen, das sei lediglich Symbolpolitik. Mit seiner Politik mache sich Deutschland zum Gespött in der Welt. Dies würden ihr unter anderem auch Gespräche mit ausländischen Botschaftern immer wieder bestätigen.
„Angela Merkel hat völlig den Verstand verloren“, sagt Alice Weidel. Längst habe sich bei ihrer Politik der „gesunde Menschenverstand in die Pension verabschiedet“. Und „wer Terroristen, Vergewaltiger und Messerstecher besser als die eigenen Bürger schützt, der ist kein Rechtsstaat mehr.“Sie gebe zu, dass sie „Angst für uns alle“habe. Den Verfassungsschutz sieht sie in einer falschen Richtung unterwegs. Der solle vielmehr einmal die Verquickung von SPD, Linken oder der Grünen mit Antifa-Gruppierungen untersuchen.
Bei der AfD-Veranstaltung stellen sich auch die Landtagskandidaten Gerd Mannes und Markus Bayerbach sowie der Bezirkstagskandidat Friedrich Holzwarth vor. „Wir sind rechtsstaatlich, nicht rechtsradikal“, betont Mannes. Alice Weidel hebt später hervor, dass sie es absolut richtig finde, dass ehemalige NPD-Mitglieder in der AfD keinen Platz hätten.
Besucher aus dem Publikum können Alice Weidel schließlich Fragen stellen. Weidel spricht sich in der Fragerunde unter anderem für eine deutliche Senkung der MehrwertEs steuer aus und kritisiert die anhaltende Niedringzinspolitik. Einer fragt, wo sich die AfD in einigen Jahren sieht. „Absolute Mehrheit“, ruft ein Besucher aus dem Publikum. Weidel sagt, dass die AfD sicherlich „kein Juniorpartner“sein werde, wenn sich irgendwann einmal die Perspektive einer Koalition ergeben sollte.
Am Ende ein Lächeln Richtung Publikum, stehende Ovationen. Für die vielen Selfie-Wünsche nimmt sich die AfD-Politikerin geduldig Zeit. Vor dem Vereinsheim begrüßt sie auch noch die laut Polizei rund 100 Personen (der AfD-Kreisvorsitzende Mannes spricht von 400 Leuten vor der Halle), die drinnen keinen Platz mehr fanden, schreibt Autogramme. Die Veranstaltung sei auch im Livestream auf der AfDBayern-Seite von über 2000 weiteren Zuschauern mit verfolgt worden, was laut Mannes ein absoluter Rekord sei.
Draußen, vor dem Vereinsgelände, blickt Franz Keller, Vorsitzender der DJK Breitenthal, nachdenklich Richtung Vereinsheim. Er spricht über die vielen Diskussionen der letzten Tage. Das Vereinsleben? Er hofft, dass es wieder zusammenfindet.