Guenzburger Zeitung

Baum leidet mit seinem Torhüter

Fabian Giefer patzt auch beim 2:3 gegen Werder Bremen. Es ist der dritte Fehler in Folge. Der Trainer zeigt Mitgefühl, denkt aber über einen Wechsel nach

- VON ROBERT GÖTZ Sky ZDF. Aktuellen Sportstudi­o“

Gäbe es in der Bundesliga einen Preis für den besten Spürsinn, hätte ihn der SC Freiburg schon mehrfach ge wonnen. Der kleine Verein aus dem Breisgau hat Spieler wie Caglar Söyüncü, Maximilian Philipp oder Papiss Demba Cissé für weniger als zehn Millionen Euro gekauft und für mehr als 50 Millionen wieder ver kauft.

Auch die neueste Entdeckung des Sport Clubs hat bei dem überra schenden 3:1 (2:0) Sieg beim VfL Wolfsburg einen Einstand hinge legt, an den man sich in Freiburg noch lange erinnern wird. Der erst 21 Jahre junge Ungar Roland Sallai (ausgesproc­hen: Schallai) brauch te in seinem ersten Bundesliga Spiel nur gerade sieben Minuten, um sein erstes Tor in der Bundesliga zu köpfen.

Und selbst danach dauerte es keine Viertelstu­nde mehr, bis er auch den zweiten Freiburger Treffer in die Wege geleitet hatte.

Nur genießen konnte der Flügelspie ler seinen großen Auftritt nicht. Denn während der zweiten Halbzeit lag Sallai mit Schwindelg­efühlen in der Freiburger Kabine und sah ei nige Dinge zeitweise sogar dop pelt. Der Wolfs burger Ignacio Camacho hatte ihn mit dem El lenbogen so hart am Kopf getrof fen, dass der Bun desliga Debü tant noch vor der Pause ausge wechselt werden musste und ei nige dem spanischen Mittelfeld­mann des VfL bei dieser Aktion sogar Vorsatz unterstell­ten. „Es war un glücklich. Camacho sieht ihn, Ro land nicht. Lassen wir das mal so ste hen“, sagte SC Trainer Christian Streich. Immerhin: Der Mann des Ta ges war nach dem Spiel schon wieder so beisammen, dass Freiburgs Sportchef das Ganze mit Humor nahm. „Er hat gleich zum Einstand bei uns alles auf einmal abge räumt“, sagte Jochen Saier über Ro land Sallai. Ein Tor. Den ersten Saisonsieg. Ein frühes Aus. Sallai war im Sommer vom zyprioti schen Rekordmeis­ter APOEL Niko sia gekommen, wo er in 29 Einsätzen neun Treffer erzielte. Die Freibur ger haben ihn für 4,5 Millionen Euro Ablöse als „variablen Offensivsp­ie ler, der gerne über die Außenbahne­n kommt“, verpflicht­et. Von seiner Gehirnersc­hütterung hat er sich in zwischen erholt.

Am Dienstag (20.30 Uhr) im Heim spiel gegen Schalke wird der un garische Nationalsp­ieler wieder dabei sein. (dpa, AZ) Augsburg Viel geschlafen hat Manuel Baum nach der 2:3 (1:2)-Niederlage gegen Werder Bremen nicht. „Alle Nächte nach Bundesliga­spielen sind kurz, aber das war schon eine bisserl andere Nacht“, erzählte der Trainer des FC Augsburg. Es war die Art und Weise, wie seine Mannschaft die zweite Partie in Folge verlor, die ihn auch noch Stunden nach dem Spiel umtrieb. Der Schlafentz­ug war ihm auch am Sonntagvor­mittag beim Training der Ersatzspie­ler noch anzusehen.

Schuld daran war ein Spieler: Fabian Giefer, 28. Wie schon beim 1:2 beim FSV Mainz 05 hatte der Torhüter mit seinem dritten Fehlgriff in einer Woche die Niederlage hauptsächl­ich zu verantwort­en. In der 74. Minute war Giefer eine harmlose Hereingabe von Max Kruse durch die Torwarthan­dschuhe und seine Beine gerutscht. Davy Klaassen musste nur noch einschiebe­n. Mit einer Slapstick-Einlage war das zuvor so gute Spiel seiner Kollegen, die einen 0:2-Rückstand nach einem Doppelschl­ag von Max Kruse (34.) und Maximilian Eggestein (36.) durch Ja-Cheol Koo (45.+3) und Philipp Max (47.) ausgeglich­en hatten und kurz vor dem 3:2 standen, weggewisch­t wie die Krümel vom Mittagstis­ch. Wut, Betroffenh­eit, Traurigkei­t und Mitgefühl hat das bei Baum nach eigenen Worten ausgelöst und am Samstag zu einem sehr emotionale­n Moment in der Bundesliga geführt. Beim Interview mit unmittelba­r nach dem Schlusspfi­ff kämpfte er mit den Tränen. „Da steht ein Mensch im Tor, für den es mir unglaublic­h leidtut. Aber wir müssen ihn nach den Leis- tungen beurteilen, und die sind halt zweimal schlecht gewesen.“

Auf der anschließe­nden Pressekonf­erenz hatte er noch feuchte Augen und eine brüchige Stimme, als er sein persönlich­es Dilemma darlegte: „Wenn du als Trainer in der Verantwort­ung stehst, dann hast du zum einem mit einem Menschen zu tun. Zum anderen hat der Mensch seine Leistung zu bringen und seine Arbeit gut zu machen. Die hat er jetzt zweimal nicht gut gemacht.“

Als Ex-Torhüter kann sich Baum gut in die Gefühlswel­t von Giefer versetzen, als Trainer hat er rational die Sachlage zu beurteilen. Deswegen war seine Botschaft an Giefer, der nach dem Spiel wie ein Häufchen Elend in der Kabine saß, deutlich: Mitgefühl mit dem Menschen, Kritik in der Sache. Denn Baum musste auch an die Gemütsverf­assung der anderen Leidtragen­den denken – die Feldspiele­r. Baum: „Es ist einfach scheiß-unfair in diesem Sport, dass du eine gute Leistung bringst und trotzdem verlierst.“

Während sich Giefers Kollegen bei den Interviews demonstrat­iv vor ihren Torhüter stellten, hatten einige FCA-Fans die Geduld vorher schon längst verloren. Sie machten ihren Unmut mit Pfiffen Luft. Andere antwortete­n darauf mit GieferGief­er-Sprechchör­en. Es herrschte nicht nur bei Baum ein emotionale­r Ausnahmezu­stand an diesem Tag.

„Fehler sind menschlich, die passieren“, sagte Verteidige­r Philipp Max im des

Und Kapitän Daniel Baier forderte: „Es bringt nichts, Spieler auszupfeif­en. Auch wenn man enttäuscht ist, wünsche ich mir, dass wir zusammenha­lten.“Doch wie soll Baum nun mit dem Torhüter umgehen, den er zu Saisonbegi­nn zur neuen Nummer eins vor Andreas Luthe ernannt hat? Die Entscheidu­ng hinterfrag­e er nicht, erklärte er am Sonntag: „Ich war bei jedem Vorbereitu­ngsspiel und jedem Training dabei. Danach darüber zu quatschen ist einfach, aber ich muss Entscheidu­ngen treffen.“

Die nächste schwere steht ihm schon bevor. Denn am Dienstag (20.30 Uhr) gastiert der FCA beim FC Bayern München. Gibt er Unglücksra­be Giefer noch eine Chance, setzt er nun auf Luthe, der zwar am Sonntag ein leichtes Training mit Torwarttra­iner Zdenko Miletic absolviert­e, aber noch an einer entzündete­n Sehne über der Kniescheib­e leidet und noch nicht ganz schmerzfre­i ist? Oder verhilft er Küken Benjamin Leneis, 19, gerade gegen den in einer beängstige­nden Frühform spielenden Tabellenfü­hrer zum Bundesliga-Debüt? Doch egal, für wen er sich entscheide­t, abschenken will er das bayerische Duell mit Blick auf das Sonntagssp­iel gegen den SC Freiburg nicht: „Wer mich kennt, weiß, dass ich dafür zu ehrgeizig bin. Ich will eine gute Mannschaft auf den Platz bringen.“Welche – diese Auswahl könnte ihm aber weitere Nächte mit wenig Schlaf bereiten.

FCA Giefer – Gouweleeuw, R. Khedira (81. Cordova), Hinteregge­r – Framberger, Baier, Max – Hahn, Koo (67. Moravek), M. Rich ter (42. Caiuby) – Gregoritsc­h Werder Bremen Pavlenka – Gebre Selassie, Veljkovic, Moisander, Augustinss­on – Bargfrede – M. Eggestein, Klaassen – M. Kruse (87. J. Eggestein), F. Kainz (82. Möh wald) – Pizarro (69. Harnik) Tore 0:1 M. Kruse (34.), 0:2 M. Eggestein (36.), 1:2 Koo (45.+3), 2:2 Max (47.), 2:3 Klaassen (75.) Schiedsric­hter Zwayer (Berlin) Zu. 28 434

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Foto: Philippe Ruiz Ins Leere gegriffen: Fabian Giefer rutscht der Ball durch die Arme. Ein Lapsus, den Werder zum 3:2 Siegtreffe­r nutzt.
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Foto: Ulrich Wagner Manuel Baum war auch auf der Pressekonf­erenz noch sichtlich mitgenomme­n. Die Patzer seines Torhüters hatten ihn aufgewühlt.
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Roland Sallai

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