Fünf Gamsbärte für einen ICE
Es sollte ein entspannter Abend werden. Erst einkaufen in München, danach ins Theater. Mit dem Zug von Augsburg aus, das schont die Nerven besser als der Mittlere Ring. Dann, noch nicht am Bahnsteig, kommt die Erkenntnis in Gestalt zweier Trachtenträger. Es ist ja Wiesn! Oder: Die schlimmste Zeit, um mit dem Zug nach München zu fahren. Dort häufen sich zur besten Kaffeezeit am Gleis schon die Biertrageln voller Leergut, die Mülleimer sind zum Brechen voll. Manche OktoberfestBesucher auch, wie sich herausstellen wird – und zwar noch bevor sie ein Festzelt überhaupt nur aus der Entfernung gesehen haben.
In der Fußgängerzone reiht sich ein Trachten-Pop-up-Store an den nächsten. Spezialangebot: „Bavarian Hats“, echte Gamsbärte zum Sonderpreis für 3,99 Euro. Im Theater kann man die nicht brauchen: „My Fair Lady“wird gespielt, auf Bairisch. Wer hier in Tracht kommt, der trägt sie aus Tradition. Doch kaum tritt man nach dem Schlussapplaus hinaus auf die Straße, kommt die Realität mit Martinshorn: Sanitäter laden die Alkoholleichen ein. Die, die noch stehen können, fahren mit dem letzten Regionalzug. Das ist auch Tradition. Genauso wie die Entscheidung, an so einem Tag das BayernTicket in den Müll zu werfen und auf den volksfestfreien ICE umzusteigen – selbst wenn er fünfmal so teuer ist wie ein echter Gamsbart.