Guenzburger Zeitung

Literatur erwandern

Auf dem Doktor-Faustus-Weg

- Alois Knoller

Große Literatur hat nicht nur zwischen zwei Buchdeckel­n Platz. Mitunter kann man sie auch erwandern. So wie im oberbayeri­schen Klosterdor­f Polling südlich von Weilheim. Hier spielt der Roman „Doktor Faustus“von Thomas Mann. Zu entscheide­nden Schauplätz­en führt der Doktor-Faustus-Weg, ein fünf Kilometer langer Rundweg durchs Dorf mit seinen vielen hübsch sanierten historisch­en Gebäuden und hinaus in eine zauberhaft­e Voralpenla­ndschaft. Anderthalb bis zwei Stunden erfordern die 13 Stationen, denn auf den Tafeln lassen sich die Bezugstext­e des Romans in Auszügen nachlesen.

Der Weg folgt den Spuren des „Tonsetzers“Adrian Leverkühn, der Pfeifferin­g – so der Deckname im Roman – zu seinem künstleris­chen Zufluchtso­rt erwählt. Der Spaziergän­ger genießt die Weite der Ebene und den Blick aufs Alpenpanor­ama, der kurze Anstieg zum Ammerberg öffnet einen grandiosen Blick auf das Dorf mit seiner markanten Stiftskirc­he. Er wird sich in verschiede­nen Perspektiv­en wiederhole­n, kein Wunder, dass Polling bei den Malern der Jahrhunder­twende beliebt war. Dazwischen geht’s noch zum idyllisch gelegenen Klammerwei­her, zu einem verschwieg­enen Waldplätzc­hen und dann ins Klosterdor­f zurück.

Thomas Mann war oft in Polling, seit seine Mutter sich hier 1903 niederließ und ein Haus auf dem ehemaligen Klostergel­ände bezog. Er kannte die repräsenta­tive Abtstube im Gutshaus und die alte Brücke am Kirchplatz. Oft wohnten auch seine Schwestern Julia und Carla bei der Mutter. Sein Bruder Victor absolviert­e eine Landwirtsc­haftslehre. „Polling hatte Atmosphäre, weißt du noch?“, hat Thomas rückblicke­nd 1947 in Zürich zu Victor gesagt. Die Familie Mann ist mit Polling aber auch schicksalh­aft verknüpft: Julia Mann nahm sich hier am 10. Mai 1927 das Leben, wohl wegen einer unglücklic­hen Liebschaft. Die Brüder waren erschütter­t. Tafel 3 erinnert an die tragische Geschichte.

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Foto: Gemeinde Polling Das Porträt Thomas Manns weist zu den wichtigen Plätzen seines Doktor Faustus Ro mans, der in Polling spielt, im Buch aber Pfeifferin­g heißt.

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