Vandalismus am Wahlplakat
So gut wie jede Partei und Gruppierung im Landkreis ist davon betroffen. Manche Werbetafeln verschwinden sogar ganz. Warum trotzdem noch keine Anzeigen erstattet wurden und welches andere Problem hier gesehen wird
Landkreis Bei jeder Wahl ist es das Gleiche: An so gut wie jeder Laterne hängen gleich mehrere Plakate von Parteien, die jemanden oder sich generell zur Wahl stellen. Und kaum hängen sie dort oder stehen auf den Grünflächen, werden sie beschädigt, verunstaltet oder verschwinden ganz. Doch wie ist das jetzt, in diesen politisch aufgeheizten Zeiten? Wir haben Parteien und Gruppierungen, die bei der Landtags- und/ oder Bezirkstagswahl antreten, per E-Mail um eine Auskunft gebeten – die Bayernpartei, die Partei LKR, die Piraten und die V-Partei3 haben nicht darauf geantwortet.
● AfD Sie hat ihre Plakate bereits möglichst hoch gehängt, „da wir wissen, dass sie Ziel von Angriffen in bestimmten Gemeinden sind“, erklärt Landtagskandidat und AfDLandesvize Gerd Mannes. In vielen Orten gebe es trotzdem PlakatVerluste, vor allem innerhalb des Gebiets der Verwaltungsgemeinschaft Ichenhausen, „wo regelmäßig alle Plakate in einer Nacht abgeräumt werden“, in Krumbach und Umgebung, in den Günzburger Stadtteilen Wasserburg und Denzingen sowie in Burgau. Der Ausfall liege bei gut 30 Prozent. Er kritisiert, dass die Grünen ihre Holzplakate von unten angebracht und AfD-Plakate hochgeschoben hätten. „Dadurch fehlt die Festigkeit und die Plakate verdrehen sich völlig.“Insgesamt seien viele beschmiert und mit „Hitlerbärtchen“oder Klebeband verunstaltet worden. Aus Zeitmangel sei man den Zerstörungen noch nicht nachgegangen und habe sie nicht anzeigt. In wesentlichen Fällen solle das nachgeholt werden.
● Bündnis 90/Die Grünen Bisher sei man „ziemlich verschont worden“, erklärt Kreissprecher Kurt Schweizer. In Günzburg seien zwei Plakatständer verschwunden, ansonsten fehle das eine oder andere Plakat, „jedoch nichts Erwähnenswertes“. Die Polizei habe man nicht eingeschaltet. Das Einzige, was auch unter konkurrierenden Parteien nicht akzeptiert werde, sei ein Vorfall an einer Plakatwand in Krumbach. Dort habe ein Wahlhelfer der AfD vor einer Plakatwand gestanden, es seien noch drei freie Plätze vorhanden gewesen, „aber er überklebt eine grünes Plakat“. Da beschwere man sich über Vandalismus „von irgendwelchen Chaoten, aber die eigenen Wahlhelfer machen es selber. Daher erst mal seine eigenen Helfer sensibilisieren, bevor man auf andere losgeht“, fordert Schweizer in einer Mail an Gerd Mannes. Der hatte ihm auch eine Mail eines Bürgers weitergeleitet, der schrieb, die Antifa habe AfD-Plakate zerstört, was Schweizer zurückwies. Allgemein stört es die Grünen, dass Parteien direkt an Bäumen plakatieren. Dadurch könnten die Rinde und der Baum selbst beschädigt werden.
● CSU Vor allem in Günzburg, Burgau, Leipheim, Ichenhausen, Jettingen-Scheppach und in Krumbach seien Plakate beschädigt worden, erklärt Angela Dirlmeier aus dem Günzburger CSU-Büro. Überklebt worden seien aber keine, und auch sonst „schaut es bisher relativ verträglich aus“. Anzeige erstattet habe die CSU auch nicht.
● Die Linke „Leider haben wir grundsätzlich zerstörte, umgehängte, beschmierte und hochgeschobene Plakate von uns bei Kontrollfahrten vorgefunden“, so Kreisvorsitzender und Landtagskandidat Stefan Balkheimer. „Örtliche Schwerpunkte würden wir nicht festlegen wollen.“Anzeige erstattet worden sei nicht, was man sich aber vorbehalte bei Beweisen. Auffällig sei, in Gemeinden mit wenig zugelassenen Werbeträgern die Plakatierung meist unbeschädigt sei. „Wo zur Wahl zusätzliche Werbetafeln der Gemeindeverwaltungen zur Verfügung gestellt wurden und die Anzahl der anzubringenden Plakate für die Parteien vorgegeben wurde, haben wir bisher im Stimmkreis Günzburg keine Beschädigungen oder Veränderungen der angebrachten Werbeträger festgestellt.“Die Linke halte es für sinnvoll, die Zahl der Plakate zu reduzieren, damit man noch Verkehrszeichen erkenne und die Umwelt geschont werde.
● Die Partei Von gut zehn PlakatMotiven seien es zwei, „die besonders beliebt sind“, erklärt Christian Baumeister vom Landesvorstand. Das „Erste Hilfe bei AfDerjucken“-Plakat werde „sehr gerne verdreht oder herabgeschnitten. Die Wahrheit schmerzt eben. Erstaunlich ist nur, dass gerade in Regionen mit einem hohen Anteil dieses tückischen AfDerjuckens die Menschen die Plakate gerne an sich reißen.“Das weitaus beliebteste Motiv sei die arabische Prinzessin. „Die wird mal übermalt, was uns nicht stört, geben wir doch Street Art eine Chance. Weit häufiger verschwindet sie ohne Rückstände vom Straßenrand. Sie wird schlichtweg irgendwohin verschleppt“, heißt es von der Satire-Partei. Die Polizei werde damit aber nicht behelligt.
● FDP Landtagskandidat und FDPKreischef Herbert Blaschke erklärt, man habe keine Probleme mit Plakatzerstörungen, da die Partei bislang sehr wenig plakatiert habe. Auch bei vergangenen Wahlen habe es kaum Probleme gegeben. Die Plakatierung im Landkreis sei ohnehin zu übertrieben.
● Freie Wähler Zunächst war Ruth Abmayr, Kreisvorsitzende und Kandidatin für den Landtag, gelassen. Es seien Plakate verschwunden, aber nur wenige. Einige Tage später meldet sie sich erneut: „Wenn das so weitergeht, muss ich nach der Wahl keine mehr abhängen.“So viele Plakate habe sie gar nicht, um die Lücken zu füllen. Wer sie verschwinden lässt, wisse wohl nicht, wie viel Arbeit mit dem Aufhängen verbunden ist – abgesehen davon, dass sie den Großteil selbst zahle. Sechs Euro koste ein Doppelplakat, würde mit der Verteilung eine Firma beauftragt, würde es noch teurer. Anzeige erstatten würde sie nur, wenn sie davon überzeugt ist, dass sich jedass mand aus bösem Willen an den Plakaten vergreift. „Und man erwischt ja sowieso immer die Falschen.“
● ÖDP Diese Partei sieht ein ganz anderes Problem: dass jede Gemeinde eigene Regeln für die Plakatierung habe. Die Kreisvorsitzende Gabriela Schimmer-Göresz moniert zudem, dass manche Gemeinden gar Geld verlangten. Anton Weitmann, Beisitzer im Bezirksverband Schwaben der ÖDP, ergänzt: In manchem Ort sei die Zahl erlaubter Plakate auch so begrenzt, dass sie realitätsfern sei – fünf Plakate für zwei Wahlen pro Ort. Eine Verwaltungsmitarbeiterin habe geantwortet, dass dies ja nicht kontrolliert werde. Mit Demokratie und Chancengleichheit habe es aber erst recht nichts zu tun, dass große Parteien mehr Werbung machen dürften als kleine, was im Wahlgesetz verankert sei. „Da fühle ich mich ein bisschen verarscht von den großen Parteien, vor allem von
Große Parteien dürfen mehr Werbung machen
der CSU“, die das Gesetz verabschiedet habe. „Da macht Politik eigentlich keinen Sinn mehr.“
● SPD Dem Kreisvorsitzenden und Bezirkstagskandidaten Achim Fißl ist „nichts über das Normalmaß hinaus bekannt“, die Polizei sei damit auch „nicht belästigt“worden. Für einen inhaltlichen Wahlkampf sei das Ganze ohnehin irrelevant.
Der Polizei liegen nach Auskunft des Präsidiums in der Tat keine Anzeigen vor, über nennenswerte Vorfälle habe sie auch keine Kenntnis. Monika Brehm, im Landratsamt für die Kommunalaufsicht zuständig, erklärt zur ÖDP-Kritik, dass „alle Gemeinden von Verfassungswegen der Werbung für politische Parteien, Wählergruppen, Volksbegehren, Volksentscheide, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide genügend Raum geben“müssen. „Erhebt die Gemeinde Gebühren, ist sie verpflichtet, ihre Entgeltpraxis gleichmäßig, insbesondere gegenüber Parteien, die im Wahlkampf plakatieren wollen, auszuüben. Diese Grundsätze gelten auch für sämtliche Ortsdurchfahrten.“Dort stehe es Gemeinden im Rahmen gewisser Grenzen frei, Gebühren zu erheben. In einer Bekanntmachung des Bayerischen Innenministeriums wird zudem darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits 1974 entschieden habe, dass beim Zuteilen von Werbeplätzen für Parteien „der Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit Anwendung findet“. Auch kleine Parteien müssen aber wirksam werben können.