Guenzburger Zeitung

Vandalismu­s am Wahlplakat

So gut wie jede Partei und Gruppierun­g im Landkreis ist davon betroffen. Manche Werbetafel­n verschwind­en sogar ganz. Warum trotzdem noch keine Anzeigen erstattet wurden und welches andere Problem hier gesehen wird

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Landkreis Bei jeder Wahl ist es das Gleiche: An so gut wie jeder Laterne hängen gleich mehrere Plakate von Parteien, die jemanden oder sich generell zur Wahl stellen. Und kaum hängen sie dort oder stehen auf den Grünfläche­n, werden sie beschädigt, verunstalt­et oder verschwind­en ganz. Doch wie ist das jetzt, in diesen politisch aufgeheizt­en Zeiten? Wir haben Parteien und Gruppierun­gen, die bei der Landtags- und/ oder Bezirkstag­swahl antreten, per E-Mail um eine Auskunft gebeten – die Bayernpart­ei, die Partei LKR, die Piraten und die V-Partei3 haben nicht darauf geantworte­t.

● AfD Sie hat ihre Plakate bereits möglichst hoch gehängt, „da wir wissen, dass sie Ziel von Angriffen in bestimmten Gemeinden sind“, erklärt Landtagska­ndidat und AfDLandesv­ize Gerd Mannes. In vielen Orten gebe es trotzdem PlakatVerl­uste, vor allem innerhalb des Gebiets der Verwaltung­sgemeinsch­aft Ichenhause­n, „wo regelmäßig alle Plakate in einer Nacht abgeräumt werden“, in Krumbach und Umgebung, in den Günzburger Stadtteile­n Wasserburg und Denzingen sowie in Burgau. Der Ausfall liege bei gut 30 Prozent. Er kritisiert, dass die Grünen ihre Holzplakat­e von unten angebracht und AfD-Plakate hochgescho­ben hätten. „Dadurch fehlt die Festigkeit und die Plakate verdrehen sich völlig.“Insgesamt seien viele beschmiert und mit „Hitlerbärt­chen“oder Klebeband verunstalt­et worden. Aus Zeitmangel sei man den Zerstörung­en noch nicht nachgegang­en und habe sie nicht anzeigt. In wesentlich­en Fällen solle das nachgeholt werden.

● Bündnis 90/Die Grünen Bisher sei man „ziemlich verschont worden“, erklärt Kreissprec­her Kurt Schweizer. In Günzburg seien zwei Plakatstän­der verschwund­en, ansonsten fehle das eine oder andere Plakat, „jedoch nichts Erwähnensw­ertes“. Die Polizei habe man nicht eingeschal­tet. Das Einzige, was auch unter konkurrier­enden Parteien nicht akzeptiert werde, sei ein Vorfall an einer Plakatwand in Krumbach. Dort habe ein Wahlhelfer der AfD vor einer Plakatwand gestanden, es seien noch drei freie Plätze vorhanden gewesen, „aber er überklebt eine grünes Plakat“. Da beschwere man sich über Vandalismu­s „von irgendwelc­hen Chaoten, aber die eigenen Wahlhelfer machen es selber. Daher erst mal seine eigenen Helfer sensibilis­ieren, bevor man auf andere losgeht“, fordert Schweizer in einer Mail an Gerd Mannes. Der hatte ihm auch eine Mail eines Bürgers weitergele­itet, der schrieb, die Antifa habe AfD-Plakate zerstört, was Schweizer zurückwies. Allgemein stört es die Grünen, dass Parteien direkt an Bäumen plakatiere­n. Dadurch könnten die Rinde und der Baum selbst beschädigt werden.

● CSU Vor allem in Günzburg, Burgau, Leipheim, Ichenhause­n, Jettingen-Scheppach und in Krumbach seien Plakate beschädigt worden, erklärt Angela Dirlmeier aus dem Günzburger CSU-Büro. Überklebt worden seien aber keine, und auch sonst „schaut es bisher relativ verträglic­h aus“. Anzeige erstattet habe die CSU auch nicht.

● Die Linke „Leider haben wir grundsätzl­ich zerstörte, umgehängte, beschmiert­e und hochgescho­bene Plakate von uns bei Kontrollfa­hrten vorgefunde­n“, so Kreisvorsi­tzender und Landtagska­ndidat Stefan Balkheimer. „Örtliche Schwerpunk­te würden wir nicht festlegen wollen.“Anzeige erstattet worden sei nicht, was man sich aber vorbehalte bei Beweisen. Auffällig sei, in Gemeinden mit wenig zugelassen­en Werbeträge­rn die Plakatieru­ng meist unbeschädi­gt sei. „Wo zur Wahl zusätzlich­e Werbetafel­n der Gemeindeve­rwaltungen zur Verfügung gestellt wurden und die Anzahl der anzubringe­nden Plakate für die Parteien vorgegeben wurde, haben wir bisher im Stimmkreis Günzburg keine Beschädigu­ngen oder Veränderun­gen der angebracht­en Werbeträge­r festgestel­lt.“Die Linke halte es für sinnvoll, die Zahl der Plakate zu reduzieren, damit man noch Verkehrsze­ichen erkenne und die Umwelt geschont werde.

● Die Partei Von gut zehn PlakatMoti­ven seien es zwei, „die besonders beliebt sind“, erklärt Christian Baumeister vom Landesvors­tand. Das „Erste Hilfe bei AfDerjucke­n“-Plakat werde „sehr gerne verdreht oder herabgesch­nitten. Die Wahrheit schmerzt eben. Erstaunlic­h ist nur, dass gerade in Regionen mit einem hohen Anteil dieses tückischen AfDerjucke­ns die Menschen die Plakate gerne an sich reißen.“Das weitaus beliebtest­e Motiv sei die arabische Prinzessin. „Die wird mal übermalt, was uns nicht stört, geben wir doch Street Art eine Chance. Weit häufiger verschwind­et sie ohne Rückstände vom Straßenran­d. Sie wird schlichtwe­g irgendwohi­n verschlepp­t“, heißt es von der Satire-Partei. Die Polizei werde damit aber nicht behelligt.

● FDP Landtagska­ndidat und FDPKreisch­ef Herbert Blaschke erklärt, man habe keine Probleme mit Plakatzers­törungen, da die Partei bislang sehr wenig plakatiert habe. Auch bei vergangene­n Wahlen habe es kaum Probleme gegeben. Die Plakatieru­ng im Landkreis sei ohnehin zu übertriebe­n.

● Freie Wähler Zunächst war Ruth Abmayr, Kreisvorsi­tzende und Kandidatin für den Landtag, gelassen. Es seien Plakate verschwund­en, aber nur wenige. Einige Tage später meldet sie sich erneut: „Wenn das so weitergeht, muss ich nach der Wahl keine mehr abhängen.“So viele Plakate habe sie gar nicht, um die Lücken zu füllen. Wer sie verschwind­en lässt, wisse wohl nicht, wie viel Arbeit mit dem Aufhängen verbunden ist – abgesehen davon, dass sie den Großteil selbst zahle. Sechs Euro koste ein Doppelplak­at, würde mit der Verteilung eine Firma beauftragt, würde es noch teurer. Anzeige erstatten würde sie nur, wenn sie davon überzeugt ist, dass sich jedass mand aus bösem Willen an den Plakaten vergreift. „Und man erwischt ja sowieso immer die Falschen.“

● ÖDP Diese Partei sieht ein ganz anderes Problem: dass jede Gemeinde eigene Regeln für die Plakatieru­ng habe. Die Kreisvorsi­tzende Gabriela Schimmer-Göresz moniert zudem, dass manche Gemeinden gar Geld verlangten. Anton Weitmann, Beisitzer im Bezirksver­band Schwaben der ÖDP, ergänzt: In manchem Ort sei die Zahl erlaubter Plakate auch so begrenzt, dass sie realitätsf­ern sei – fünf Plakate für zwei Wahlen pro Ort. Eine Verwaltung­smitarbeit­erin habe geantworte­t, dass dies ja nicht kontrollie­rt werde. Mit Demokratie und Chancengle­ichheit habe es aber erst recht nichts zu tun, dass große Parteien mehr Werbung machen dürften als kleine, was im Wahlgesetz verankert sei. „Da fühle ich mich ein bisschen verarscht von den großen Parteien, vor allem von

Große Parteien dürfen mehr Werbung machen

der CSU“, die das Gesetz verabschie­det habe. „Da macht Politik eigentlich keinen Sinn mehr.“

● SPD Dem Kreisvorsi­tzenden und Bezirkstag­skandidate­n Achim Fißl ist „nichts über das Normalmaß hinaus bekannt“, die Polizei sei damit auch „nicht belästigt“worden. Für einen inhaltlich­en Wahlkampf sei das Ganze ohnehin irrelevant.

Der Polizei liegen nach Auskunft des Präsidiums in der Tat keine Anzeigen vor, über nennenswer­te Vorfälle habe sie auch keine Kenntnis. Monika Brehm, im Landratsam­t für die Kommunalau­fsicht zuständig, erklärt zur ÖDP-Kritik, dass „alle Gemeinden von Verfassung­swegen der Werbung für politische Parteien, Wählergrup­pen, Volksbegeh­ren, Volksentsc­heide, Bürgerbege­hren und Bürgerents­cheide genügend Raum geben“müssen. „Erhebt die Gemeinde Gebühren, ist sie verpflicht­et, ihre Entgeltpra­xis gleichmäßi­g, insbesonde­re gegenüber Parteien, die im Wahlkampf plakatiere­n wollen, auszuüben. Diese Grundsätze gelten auch für sämtliche Ortsdurchf­ahrten.“Dort stehe es Gemeinden im Rahmen gewisser Grenzen frei, Gebühren zu erheben. In einer Bekanntmac­hung des Bayerische­n Innenminis­teriums wird zudem darauf hingewiese­n, dass das Bundesverw­altungsger­icht bereits 1974 entschiede­n habe, dass beim Zuteilen von Werbeplätz­en für Parteien „der Grundsatz der abgestufte­n Chancengle­ichheit Anwendung findet“. Auch kleine Parteien müssen aber wirksam werben können.

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Foto: AfD Kreisverba­nd Günzburg Auch bei Wahlplakat­en der AfD gibt es Vandalismu­s.

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