Guenzburger Zeitung

Vollends grotesk

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Zu „Muss dieses Kunstwerk verschwind­en?“(Feuilleton) vom 22. September: So also wird neuerdings mit der Erinnerung an die Verbrechen des Deutschen Reiches umgegangen. Hinter der Wortfassad­e aus „Neukonzept­ion“und „produktive­r didaktisch­er Gedenkstät­tenarbeit“verbirgt sich schlicht, dass man die Wahrheit der Euthanasie entsetzlic­h findet, sich ihr nicht länger aussetzen will und ganz und gar kunstfremd­e Kriterien heranzieht, um sich und den Besuchern von Irsee Schonung zu verschaffe­n. Es mag ja sein, dass eines der im Triptychon von Beate Passow abgebildet­en, geschunden­en Kinder nicht dort, sondern in einer anderen Nazihölle gequält wurde; aber ändert dies etwas am Schicksal des Kindes und an den Mordmethod­en? Und nur darum geht es in dem Kunstwerk. Dass man nun auch noch auf den Schutz der Abgebildet­en abhebt und in den Bildern eine fragwürdig­e Täterpersp­ektive sieht, ist vollends grotesk (ob man nun auch in den Kirchen die Darstellun­g der Kreuzigung Christi verbieten will, handelt es sich doch zweifellos um eine Täterpersp­ektive?). Kunstwerke dieser Art sind immer Paradigmen und stehen nicht für das Geschehnis als solches, sondern für den existenzie­llen Abgrund des Verbrechen­s, in den wir zu sehen gezwungen werden. Gert Heidenreic­h, Seefeld

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