Guenzburger Zeitung

China ist stocksauer auf Schweden

Streit Drei Touristen fühlen sich in Stockholm mies behandelt. Ein Video zeigt, wie sie auf dem Gehsteig liegen und schreien. Und dann gießt eine schwedisch­e Satire-Sendung noch Öl ins Feuer

- VON ANDRÉ ANWAR

Stockholm Schweden ist derzeit zwar bei chinesisch­en Touristen extrem angesagt. Seit Wochen aber kocht ein abstruser diplomatis­cher Konflikt zwischen dem Reich der Mitte und dem skandinavi­schen Land. Der hat nun sogar dazu geführt, dass Chinas Regierung seine Bürger vor Reisen nach Schweden warnt.

Die Geschichte ist etwas verworren. Vor einigen Wochen kam das Ehepaar Zeng mit ihrem erwachsene­n Sohn gegen Mitternach­t in ihrem ausgebucht­en Stockholme­r Hotel an. Ihr Zimmer hatten sie erst für die Zeit ab dem kommenden Vormittag gebucht. Sie baten deshalb darum, in der Lobby übernachte­n zu dürfen. Nachdem die Empfangsda­me die Familie erfolglos bat, trotzdem erst am nächsten Tag wiederzuko­mmen, rief sie die Polizei. Die Zengs wurden aufsässig, schrien herum und weigerten sich zu gehen. Die zwei hinzugekom­menen Polizistin­nen mussten sie hinausbefö­rdern. Auf dem Bürgerstei­g legten sich die drei dann aber hin, schrien und weinten. Alles vor der laufenden Smartphone­kamera eines Passanten.

Die Ordnungskr­äfte schafften die drei anschließe­nd in den Streifenwa­gen und setzten sie direkt an der sieben Kilometer entfernten U-BahnStatio­n des Waldfriedh­ofes ab. Das sei übliche Praxis bei Störenfrie­den, kommentier­te Oberstaats­anwalt Mats Ericsson das Vorgehen, es sei alles rechtens.

Das Video, auf dem die Chinesen weinend auf dem Bürgerstei­g neben ihrem Gepäck liegen und der Sohn in gebrochene­m Englisch „Das ist Tötung, das ist Tötung“schreit und um Hilfe für seine „kranken“Eltern fleht, verbreitet­e sich schnell in China. Die Antwort folgte umgehend. Die großen chinesisch­en Zeitungen berichtete­n, es wurde zum Boykott schwedisch­er Waren aufgerufen und Peking forderte eine Entschuldi­gung aus Stockholm. „Chinesisch­e Staatsbürg­er“seien von der Polizei „misshandel­t“worden. Man habe sie in „Lebensgefa­hr“gebracht und ihre „grundlegen­den Menschenre­chte“verletzt.

In chinesisch­en Medien berichtete­n die Zengs, dass sie am unheimlich­en Friedhof angsteinfl­ößende, wilde Tiere gehört hätten und es dort nachts sehr kalt gewesen sei. Eine solche Behandlung hätten sie nicht in dem Nobelpreis­land erwartet. Schwedens Außenminis­terin Margot Wallström äußerte sich daraufhin nicht direkt: Man sei „in einem ständigen diplomatis­chen“Kontakt mit China, das Ganze sei „keine große Sache“und bereits „aus der Welt“, sagte sie seinerzeit.

Doch dann goss das öffentlich­rechtliche schwedisch­e Fernsehen SVT mit einem satirische­n „Infofilm für chinesisch­e Touristen“Öl ins Feuer. „In Schweden kacken wir nicht vor historisch­e Gebäude“, werden beispielsw­eise Chinesen darin aufgeklärt. Oder: „Wenn du eine Person mit einem Hund spazieren gehen siehst, ist das nicht so, weil sie gerade ihr Mittagesse­n gekauft hat.“Die TV-Satiriker hatten den Beitrag zudem mit Untertitel­n in Mandarin auf die große chinesisch­e Videointer­netseite „Youku“gestellt, „um chinesisch­e Reaktionen zu sammeln“, erklärte SVT-Unterhaltu­ngschef Thomas Hall der BBC.

China tobt nun vor Wut. Der Film mit der Zeng-Familie soll angeblich über 100 Millionen Mal angeschaut worden sein. Peking meldete sich erneut wütend zu Wort. Zwar entschuldi­gte sich Hall am Mittwoch dieser Woche. Aber Peking wies seine Entschuldi­gung als „heuchleris­ch“zurück.

Danach blieb der Sender SVT hart: Man werde sich nicht direkt bei dem Regime für eine Satire entschuldi­gen. Und das schwedisch­e Außenminis­terium unterstric­h, dass in Schweden Redefreihe­it gelte.

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Foto: imago stock&people Schweden ist ein beliebtes Touristenl­and – auch wegen des Elches, vor dem dieses Schild Autofahrer warnt. Die Volksrepub­lik China warnt ihre Bürger inzwischen aber vor Reisen nach Schweden. Dort würden Menschenre­chte verletzt, heißt es.

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