Guenzburger Zeitung

Mit Erdogan Tacheles geredet

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger-allgemeine.de

Recep Tayyip Erdogan hat in Berlin bekommen, was er wollte und was er für seine unter der von ihm verursacht­en Wirtschaft­skrise leidenden Bürger als Ausweis seiner Macht und Stärke auch brauchte: Einen offizielle­n Staatsbesu­ch mit allen protokolla­rischen Ehren, mit rotem Teppich, Defilee und Staatsbank­ett. Ein Honigschle­cken wurde der Staatsbesu­ch für den Sultan vom Bosporus nicht. Im Gegenteil, Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanz­lerin Angela Merkel haben ihm zwar die große Bühne bereitet, aber vor wie hinter den Kulissen Tacheles geredet. Wenn Erdogan glaubte, er könne großzügig einen Schlussstr­ich ziehen und so tun, als wäre in der Vergangenh­eit nichts gewesen, so hat er sich getäuscht. Zu viel ist geschehen, zu viel hat sich angestaut. Der Bundespräs­ident und die Bundeskanz­lerin würden sich unglaubwür­dig machen, wenn sie das nicht in aller Deutlichke­it ansprechen. Und sie haben es getan. Das verdient Respekt. Erdogan wirbt für einen Neuanfang und eine Partnersch­aft auf Augenhöhe. Doch es liegt einzig und allein an ihm, ob dieser Neustart gelingen kann. Sein Verhalten entscheide­t über die Zukunft der Türkei – nicht der rote Teppich und das Staatsbank­ett in Berlin.

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