Guenzburger Zeitung

Merkel greift Trump wegen UN-Politik an

Angela Merkel und Markus Söder sprechen in der Abtei Ottobeuren. Es ist das einzige Treffen im Wahlkampf. Dabei warnt ein zahmer Ministerpr­äsident vor Nörgelei und Aggression

- VON ULI HAGEMEIER

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat vor einer Schwächung wichtiger Institutio­nen wie der Europäisch­en Union und der Vereinten Nationen gewarnt und dabei US-Präsident Donald Trump scharf kritisiert. Dieser glaube, es könne immer nur einen Sieger geben, er halte im Gegensatz zu ihr Multilater­alismus und Kompromiss nicht für die Lösung, sagte Merkel am Sonntag bei einem europapoli­tischen Symposium in Ottobeuren (Unterallgä­u). Sie warnte Trump davor, die Vereinten Nationen weiter zu attackiere­n. „Etwas zu zerstören, ohne etwas Neues entwickelt zu haben, halte ich für brandgefäh­rlich“, sagte sie. Mehr zum Symposium, bei dem Merkel auch mit Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) auftrat, lesen Sie auf

Frieden, Wohlstand, Stärke im Wettbewerb mit den USA und China, Lösungen im Umgang mit Flüchtling­sbewegunge­n – all das ist ohne die Europäisch­e Union nicht möglich. Das sind in Kurzform die Ergebnisse des europapoli­tischen Symposiums am Sonntag in der Benediktin­erabtei Ottobeuren. Kanzlerin Angela Merkel, Ministerpr­äsident Markus Söder und der ehemalige Bundesfina­nzminister Theo Waigel beschworen als Hauptredne­r die Bedeutung der EU für die Stabilität Deutschlan­ds und Europas. Alle drei forderten aber auch Veränderun­gen in der EU, um den Herausford­erungen einer sich verändernd­en Weltordnun­g gerecht werden zu können.

Es war ein geschichts­trächtiger Ort für dieses Treffen: Seit über 1200 Jahren wirken die Mönche in der Tradition des heiligen Benedikt im Unterallgä­u, über den 250 geladenen Gästen des Symposiums im Kaisersaal der Abtei zeigt das De- die Kaiserkrön­ung Karls des Großen. In gewisser Weise geschichts­trächtig war auch das Aufeinande­rtreffen Merkels und Söders: Es ist das einzige in diesem Landtagswa­hlkampf, an dessen Ende wohl der Verlust der absoluten Mehrheit für die CSU stehen wird und damit eine Veränderun­g der politische­n Landschaft. Theo Waigel hatte dieses Treffen organisier­t, der Ministerpr­äsident hatte Merkel nicht nach Bayern eingeladen. Und so war die Sitzordnun­g im Kaisersaal auch sinnbildli­ch: Die Kanzlerin von der CDU zwischen zwei Antipoden der CSU – Söder, der ständig „mehr Bayern“fordert, und dem Ehrenvorsi­tzenden Waigel, der „mehr Europa“für richtig hält und im Gegensatz zu Söder ein bekennende­r Merkel-Unterstütz­er ist.

Die Kanzlerin wurde beiden gerecht, indem sie sagte, Verwurzelu­ng in der Region und Weltoffenh­eit seien keine Gegensätze. Sie wurde aber auch der Ankündigun­g gerecht, eine „europapoli­tische Grundsatzr­ede“zu halten. Die EU sei ebenso wie der Euro ein Garant für den Frieden in Europa: „Menschen, die die gleiche Währung haben, führen keine Kriege gegeneinan­der.“Und ohne das Mandat, auf europäisch­er Ebene Wirtschaft­sabkommen zu verhandeln, seien Abmachunge­n mit Staaten wie den USA und China selbst für eine starke Nation wie Deutschlan­d viel schwierige­r zu erreichen, sagte Merkel: „Wir sind nicht immer nur die, die geben. Im Augenblick hilft Europa uns.“

Gleichwohl forderte die Kanzlerin auch Veränderun­gen in der EU: „Es macht mir Kopfschmer­zen, dass wir kein gemeinsame­s Denken in der Migrations­politik haben“, sagte sie. Die EU-Staaten bräuchten auch mehr Gemeinsamk­eit in der Außenund Sicherheit­spolitik, sie müssten ihre Streitkräf­te besser aufeinande­r abstimmen sowie die Entwicklun­g Afrikas stärker fördern, um Flüchtling­sströme einzudämme­n. Die Kanzlerin forderte auch mehr Zusammenar­beit bei der Entwicklun­g und Produktion von Schlüsselt­echckenfre­sko nologien wie künstliche­r Intelligen­z und Batterien für Elektrofah­rzeuge.

Sie erhielt deutlich mehr Applaus als Söder. Dabei zeigte der sich ungewohnt zahm: „Bayern und Deutschlan­d werden es ohne Europa nicht schaffen“, sagte der Ministerpr­äsident. Bisher fest stehende Institutio­nen wie die EU wankten, dabei bräuchten wir gerade jetzt Stabilität. Mit Blick auf die Flüchtling­skrise sagte der bislang wenig zimperlich auftretend­e Ministerpr­äsident, ein „aggressive­r Ansatz“bringe nichts, „wir können internatio­nale Bewegungen nicht stoppen, wir müssen sie leiten und lenken“.

Vor der Abtei demonstrie­rten 150 Anhänger der AfD gegen Merkel und ihre Flüchtling­spolitik. Etwa 750 Menschen wiederum demonstrie­rten bei den friedliche­n Kundgebung­en gegen die AfD – und fanden in Söder einen Fürspreche­r Merkels: Er warnte vor dem Versuch, „mit Nörgelei und Hass die Politik als Ganzes zu diskrediti­eren“.

So viel Einigkeit ist man in der Union kaum noch gewohnt.

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