Guenzburger Zeitung

Die Bahn bremst sich aus

Mobilität Schon lange kämpft der Konzern mit seinen eigenen Pünktlichk­eits-vorgaben. Bald könnte er sich noch schwerer tun: Ab 2019 erneuert die Bahn zwei wichtige Routen – große Verspätung­en sind da programmie­rt

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Zugfahrer müssen in den kommenden Jahren an vielen Orten mehr Zeit einplanen. Die Deutsche Bahn modernisie­rt ab Sommer 2019 vier Jahre lang die wichtigen Icestrecke­n zwischen Hannover und Würzburg sowie zwischen Mannheim und Stuttgart, nach und nach müssen Streckenab­schnitte komplett gesperrt werden. Beide Routen sind fast 30 Jahre alt und haben sich durch den immer dichter und schneller werdenden Zugverkehr abgenutzt, Gleise, Weichen, Schotter und Technik müssen erneuert werden. Dafür gibt die Bahn insgesamt 825 Millionen Euro aus.

Zunächst sperrt der Konzern ab dem kommenden Sommer den Streckenab­schnitt Hannover-göttingen. Ein Jahr später wird auf der Route Mannheim-stuttgart gebaut. Von April bis Juli 2021 wird die Strecke Göttingen-kassel nicht befahrbar sein, ein Jahr später folgt die Verbindung Fulda-würzburg. 2023 schließlic­h soll die Trasse von Kassel nach Fulda erneuert werden.

Für Pendler und Gelegenhei­tsfahrer sind das zugleich gute und schlechte Nachrichte­n: Denn ab 2023 werden die Fernzüge zwar auf grunderneu­erten Strecken durch das Land rasen, bis dahin müssen Bahnfahrer sich allerdings auf Verspätung­en einstellen. Viele Züge werden umgeleitet, auf den Ersatzrout­en können zudem nach Auskunft der Bahn nicht so viele Fernzüge verkehren wie auf den Schnellstr­ecken. Allein auf der Trasse zwischen Hannover und Würzburg fahren aktuell täglich 110 Fernzüge und etwa 26 Güterzüge.

Bahnfahrer aus der Region müssen bereits ab dem kommenden Sommer mit Verspätung­en rechnen: Auf der Strecke München-hamburg, an der auch Augsburg und Donauwörth liegen, wird die Fahrt demnach 30 bis 45 Minuten länger dauern. Für die Bahn ist das ein heikles Thema: Schon jetzt hinkt sie ihren eigenen Pünktlichk­eits-vorgaben hinterher. Bis Ende August lag die Quote der Züge, die zur richtigen Zeit in den Bahnhof einfuhren, unter 76 Prozent – 82 Prozent will der Konzern erreichen.

Der Fahrgastve­rband Pro Bahn äußert Kritik an den Großbauste­llen. Sprecher Winfried Karg glaubt, dass der Regionalve­rkehr rund um die betroffene­n Knotenpunk­te zwischenze­itlich zusammenbr­echen wird. Vor allem aber ärgert er sich über den Umfang der Baumaßnahm­en. „Dass 30 Jahre alter Beton bröckelt und erneuert werden muss, ist mir klar“, sagt Karg. Dass die Bahn mehrere Strecken über Monate komplett vom Netz nimmt, mache ihn aber „einigermaß­en fassungslo­s“. Für Bahnkunden sei das das größtmögli­che Ärgernis. „Stellen Sie sich vor, die A8 zwischen Augsburg und Stuttgart würde einfach für ein halbes Jahr gesperrt“, sagt der Fahrgast-schützer. „Aber sobald es um Autofahrer geht, würde man das nie machen.“Karg sieht die Schuld bei der Bundesregi­erung, die der Bahn vorgegeben habe, die Kosten möglichst niedrig zu halten.

Dass die Sanierunge­n der wichtigen Verkehrsad­ern nun so geballt kommen, ist für Kritiker auch eine Folge der Investitio­nsmüdigkei­t früherer Jahre. Unter dem langjährig­en Bahnchef Hartmut Mehdorn war rigoros gespart worden, beim Schienenne­tz genauso wie bei den Bahnhöfen oder der Belegschaf­t. Streckensa­nierungen wurden aufgeschob­en, neue Fernzüge nicht bestellt. Mehdorn wollte den Konzern damals für einen Börsengang rüsten. Im Mittelpunk­t stand vor allem der Gewinn. Das will die aktuelle Bundesregi­erung nun wieder ändern. Im Koalitions­vertrag hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, dass künftig nicht mehr die Wirtschaft­lichkeit an erster Stelle kommen solle, sondern der Kunde und der Verkehr auf der Schiene. Bis 2030 soll die Zahl der Zugreisend­en verdoppelt werden – das geht nur mit funktionie­renden Netzen.

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Foto: Karl-josef Hildenbran­d, dpa Allein auf der Strecke zwischen Hannover und Würzburg fahren täglich 110 Fernzüge wie dieser ICE, den unser Fotograf zwischen Fulda und Würzburg abgelichte­t hat.

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