Guenzburger Zeitung

Das Ende der Kreidezeit

Unterricht soll digitaler werden

- VON SARAH RITSCHEL

München Jeder bayerische Lehrer in jeder noch so kleinen Schule soll bald souverän mit einem Tablet umgehen können. Jeder Lehrer soll künftig auch mit digitalen Inhalten arbeiten – und zwar mit mehr als nur einem Beamer, um Arbeitsblä­tter an die Wand zu werfen.

Deshalb startet das Kultusmini­sterium jetzt die nach eigenen Angaben „größte Fortbildun­gsoffensiv­e, die es in Bayern je gab“: Jeder Lehrer ist verpflicht­et, technische­s Grundverst­ändnis zu üben, sich interaktiv­e Inhalte anzueignen und Fragen zum Datenschut­z zu beantworte­n. Mehr noch: Am Institut für Schulquali­tät und Bildungsfo­rschung (ISB) gibt es ab sofort eine Art permanente Task Force für Digitalisi­erung. Über 20 Lehrer, Systembetr­euer und Informatik­er helfen in der neuen Medienabte­ilung bayerische­n Lehrkräfte­n in eine für sie manchmal noch fremde Welt.

Bisher erfolgte digitaler Unterricht in Bayern meist nach der Devise: „Macht mal!“Die Folge: In einer Studie der Vereinigun­g der bayerische­n Wirtschaft gibt zwar die große Mehrheit der Lehrer an, digitale Medien einzusetze­n. Bei genauem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass damit oft vor allem der Beamer gemeint ist, den vier von fünf Pädagogen regelmäßig nutzen. Wenn es darum geht, Schüler interaktiv einzubezie­hen,

Spaltung und Mobbing im Netz verhindern

winkt mehr als die Hälfte ab. Die neuen Digital-experten am ISB sollen das ändern und entwickeln ständig neue Tipps für digitalen Unterricht. Denn 80 Prozent der Schüler sagen in einer weiteren Umfrage, dass mehr Stoff hängen bleibt, wenn man zwischendu­rch ein Lernvideo schaut, im Internet recherchie­rt oder Inhalte interaktiv aufbereite­t werden.

Karin Oechslein, die das ISB leitet und mit ihrem Team die bayerische­n Lehrpläne mitentwick­elt, sieht noch eine zweite, mindestens genauso wichtige Aufgabe der neuen Abteilung: Organisati­onen und Parteien etwas entgegenzu­setzen, die im Internet die Gesellscha­ft spalten wollen. Die jüngste Kampagne der Alternativ­e für Deutschlan­d bestätigt sie darin. In Hamburg hat die AFD eine Online-plattform freigescha­ltet, auf der Schüler aus dem Unterricht heraus melden können, wenn ein Lehrer vermeintli­ch abfällig über die Partei spricht. In den ersten Tagen seien über 1000 Hinweise eingegange­n, berichtet das rechte Compact-magazin. „Neutrale Schulen“, hat die AFD ihre Plattform genannt. „Stasi-methoden“sagen Opposition­spolitiker dazu. Schulen dürften im Internet nicht von solchen Entwicklun­gen überholt werden, sagt die Isb-chefin.

Das neue Referat soll noch eine weitere virtuelle Gefahr eindämmen: Cybermobbi­ng. Jeder fünfte Jugendlich­e wurde schon online gemobbt, wie eine Studie der Bundeszent­rale für politische Bildung zeigt. „Da müssen wir etwas tun“, sagt Oechslein. Ihr Haus arbeitet an einem Messenger, über den Schüler beleidigen­de Nachrichte­n direkt an die Lehrkraft weiterleit­en können. Wie viele das tatsächlic­h tun werden, ist eine andere Frage: Scham und Dunkelziff­er sind bei Mobbing groß. „Da müssen Profis Aufklärung­sarbeit leisten.“

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