Theater als Integrationsbeschleuniger?
Interkulturelle Woche Eine türkische Theatergruppe versucht, mit ihren Mitteln das Thema zu beleben. Türkische Zuschauer kamen, deutsche kaum. Und auch der Landkreis als Organisator der Veranstaltungsreihe blieb fern
Günzburg Eine gute, eine wichtige Sache eigentlich, die „Interkulturelle Woche“. Initiiert, organisiert und durchgeführt vom Landkreis Günzburg. „Vielfalt verbindet“steht in markigen Worten als Motto über den Beiträgen zu dieser Initiative, mit dem angegebenen Ziel: „Vorurteile abbauen und gegenseitiges Vertrauen wachsen lassen“. Die 1998 in Ulm gegründete Profigruppe „Theater Ulüm“brachte, als Beitrag der Ditib-vereine Günzburg und Burgau, ihre neueste Produktion „Oh Gott, die Türken integrieren sich“auf die Bühne des Günzburger Forums am Hofgarten. Ein Stück, in deutscher Sprache, so war in der Vorankündigung zu lesen, das dem Themenkomplex Integration über die Schulter schauen, ihm mit Wortwitz und Humor auf die Sprünge helfen wolle.
In Landshut und Freising, erfuhr man auf Nachfrage, waren zwei Tage vorher die Häuser restlos ausverkauft. So weit, so gar nicht gut, denn der Forums-saal war nur spärlich besetzt. Von türkischen Zuschauern. Deutsche waren so gut wie keine auszumachen. Und Vertreter des federführenden Landkreises glänzten durch Abwesenheit. Keine Begrüßung. Keine Bezugnahme. Nichts.
Auf der Bühne passierte sehr viel. Ein agiles Sechspersonenensemble gab sich alle erdenkliche Mühe, das Publikum mit spontanem Wortwitz, mit ironischen Dialogen, mit Humor, Schalk im Nacken und gewitzter Bezugnahme zum Publikum – als „liebe Nachbarn“– in seinen Bann zu ziehen. Das klappte, vornehmlich wenn türkisch gesprochen wurde, und die Zuschauer sich vor Vergnügen auf die Schenkel klopften. Akkurat wurden die deutsch-türkischen Probleme, Missverständnisse, Vorurteile und sonstigen Wehwehchen aufs Korn genommen. Durch eine Zeitreise. Von den Tagen, als Mehmet Tas (gesprochen Dasch, was Türkischsprachlern allein schon Vergnügen bereitete) vor 37 Jahren nach Deutschland kam, als noch Kraft über Intelligenz stand, und beim obligaten Arztbesuch die Diagnose gestellt wurde „Mund aufmachen, A sagen, Zähne zeigen!“Die deutsche Sprache fasste bei Mehmet nur langsam Fuß. Das erste Wort, das sich ihm einprägte, lautete „gut“und der erste Satz „langsam Kollege, langsam“. Familiär und auch sonst blieb man Deutschland über die Jahre erhalten, auch wenn es Papa ungern sah, dass ein deutscher Jüngling seine Tochter zur „Fründün“erkor. Und dann die „emanzte“Ehefrau. Und der Mitgifthandel der beiden Papas vor der Prozedur deutsch-türkischer Verehelichung, die sehr fortschrittlich endete, mit des jungen Paars Initiative: „Schachert ihr mal weiter, wir gehen inzwischen heiraten!“
Natürlich standen Ein bürgerungs test mit Konjunktiv II, Türkei urlaub, Frauen power undKäs spätzle auch zur Debatte, bevor sich schließlich die Integ rat ions komödie zum Trauerspiel „Eu-beitritt“wandelte, mit Maastrichter und Kopenhagener Kriterien und der Frage: Kann, soll, wird und darf die Türkei Mitglied in der Familie Europa sein, oder werden. Ob, insgesamt gesehen, dieser theatral-intime Einblick in deutsch-türkische Familien befindlichkeiten allerdings integ rat ions beschleunigende Wirkung hinterließ? Man weiß es nicht.