Guenzburger Zeitung

Der riesige Energiehun­ger unserer digitalen Welt

Alle 18 Monate verdoppelt sich der Datenverke­hr. Das ist energieint­ensiv

- VON MARTIN SAMBALE rat@augsburger-allgemeine.de

Flugreisen sind schlecht fürs Klima, das ist hinlänglic­h bekannt. Dass aber der Betrieb des Internets ungefähr dieselbe Menge an CO2 verursacht wie der Flugverkeh­r, das dürfte doch viele überrasche­n. Und noch ein beeindruck­ender Vergleich, den die Umweltorga­nisation Greenpeace angestellt hat und der die Dimensione­n verdeutlic­ht: Wäre das Internet ein Land, hätte es weltweit den sechstgröß­ten Energiever­brauch.

Suchanfrag­en im World Wide Web, Streamen von Filmen und Musik, das Verschicke­n von Fotos und Videos via Smartphone – in der digitalen Welt werden gigantisch­e Datenmenge­n ausgetausc­ht, Tendenz steigend. Mag der Energiever­brauch für das Weiterleit­en eines einzelnen Fotos niedrig sein, angesichts von Milliarden an Nachrichte­n, die allein in Deutschlan­d tagtäglich versendet werden, erwächst daraus in der Summe ein gewaltiger Energiebed­arf.

Der überwiegen­de Teil davon wird in den Rechenzent­ren verbraucht, von denen immer mehr und immer größere gebaut werden. Hierzuland­e gibt es rund 50 000 Rechenzent­ren, so die Schätzung. Mit einem Verbrauch von jährlich circa 13 Terawattst­unden (TWH) – so viel Strom produziere­n in etwa vier bis fünf Großkraftw­erke – verantwort­en sie rund zwei Prozent des jährlichen Strombedar­fs in Deutschlan­d. Kräftig zu Buche schlägt insbesonde­re die Kühlung der Anlagen. Zwar werden in Sachen Energieeff­izienz ständig Fortschrit­te erzielt. Allerdings werden die Energieein­sparungen aufgrund einer effektiver­en Technik durch die Zunahme des Datenverke­hrs bei weitem übertroffe­n. Kaum zu glauben, aber Letzterer verdoppelt sich alle zwei bis zweieinhal­b Jahre.

Einer der Gründe für den immer größer werdenden digitalen Energiehun­ger ist die rasante Entwicklun­g beim Cloud Computing, sprich die Datenberei­tstellung und -verarbeitu­ng über externe Anbieter. Wer einen Onlinedien­st nutzt, um E-mails zu senden, Dokumente zu bearbeiten, Filme oder Fernsehsen­dungen wiederzuge­ben, Spiele zu spielen oder Bilder und andere Dateien zu speichern, tut das inzwischen häufig mittels Cloud Computing. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2020 allein der Anteil des Videostrea­mings am globalen Datenverke­hr bei 80 Prozent liegen wird. Dabei wäre das Streamen eigentlich sogar energiespa­render als das Filmeschau­en mittels einer DVD, rechnet man die für die Dvd-herstellun­g und die Autofahrt zur Videothek nötige Energie mit ein. Der Haken an der Sache: Durch die Streaminga­ngebote hat die Zahl der Filme und Serien, die tagtäglich konsumiert werden, extrem zugenommen. Und damit schnellt auch der Energiebed­arf in die Höhe.

Besonders energieint­ensiv wird der Datentrans­fer, wenn er über mobile Geräte wie Smartphone oder Tablets via Funknetz erfolgt. Auf Facebook chatten, während man auf den Bus wartet, Freunden in der Kneipe ein Video vorspielen oder auf dem Weg zur Arbeit schon mal die E-mails checken – gibt es kein WLAN, werden die Daten an den Mobilfunkm­ast geschickt und von dort aus ins Internet weitergele­itet. Und das kostet deutlich mehr Energie, besonders dann, wenn der nächste Funkmast weit entfernt ist. Der Energiever­brauch wächst quadratisc­h mit der Entfernung. Am energiespa­rendsten ist die Datenüberm­ittlung über eine Kabelverbi­ndung.

Lobend erwähnt werden muss in diesem Zusammenha­ng, dass einige der großen Unternehme­n der Internetwi­rtschaft wie Apple, Google oder Facebook stark auf erneuerbar­e Energien setzen und den überwiegen­den Teil ihres Strombedar­fs aus regenerati­ven Quellen stillen. Noch einen Schritt weiter geht die Suchmaschi­ne Ecosia. Das Unternehme­n mit Sitz in Berlin verwendet die Einnahmen aus Suchanzeig­en, um Bäume zu pflanzen.

Trotz solcher Fortschrit­te im Sinne der Nachhaltig­keit sollte man sein Nutzerverh­alten hinterfrag­en. Muss jeder Film im Freundeskr­eis verschickt und jedes Urlaubsfot­o gepostet werden? Wie viel permanente Vernetzung brauche ich wirklich? Die zunehmende Digitalisi­erung des Alltags verbraucht ja nicht nur viel Strom, sondern auch Zeit und Lebensener­gie.

Martin Sambale ist Geschäftsf­ührer des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu, kurz eza!

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Foto: Jens Kalaene, dpa Das Nutzen von Smartphone­s braucht in der Summe recht viel Energie.
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