Guenzburger Zeitung

Wie die Auto-Lobby Strippen zieht

Kritikern erscheint das Diesel-Paket der Bundesregi­erung als windelweic­h. Hat die Autoindust­rie abermals ihre Interessen durchgeset­zt? Die Verflechtu­ngen jedenfalls sind stark

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Für viele Kritiker ist die Sache klar: Im Diesel-Streit hat sich „die Auto-Lobby“durchgeset­zt – wieder einmal. Doch wer ist diese Auto-Lobby überhaupt, wie ist sie organisier­t, wie eng sind die Kontakte zur Politik, wie stark die personelle­n Verflechtu­ngen?

Klar ist: Die Automobili­ndustrie als Rückgrat der deutschen Wirtschaft überlässt bei der Vertretung ihrer Interessen in der Politik nichts dem Zufall. Und so gilt der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) als gewichtigs­te Lobby-Organisati­on des Landes. Vertritt er doch Automobilh­ersteller und Zulieferbe­triebe mit insgesamt rund 800000 Arbeitsplä­tzen. Mit seinem erklärten Ziel einer autofreund­lichen Politik fand der bereits 1901 gegründete VDA bei sämtlichen bisherigen Bundesregi­erungen offene Ohren und Türen.

Rund zehn Jahre stand dem Branchenve­rband mit Matthias Wissmann (CDU) ein leibhaftig­er Ex-Bundesverk­ehrsminist­er vor. Von dem CDU-Mann heißt es, dass er seine exzellente­n Kontakte in die Politik einschließ­lich dem direkten Draht zu Bundeskanz­lerin Angela Merkel intensiv zu nutzen wusste.

In Zeiten des Diesel-Skandals indes zog sich Wissmann, so wurde in der Branche kolportier­t, den Zorn der großen Autoherste­ller zu. Denn er hatte auch Fehler einzelner Konzerne eingeräumt. Vor allem Daimler-Chef Dieter Zetsche habe extrem verärgert reagiert, hieß es. Insgesamt hatten Diesel-Skandal und Kartell-Affäre einen Keil zwischen die drei Branchenri­esen VW, Daimler und BMW getrieben. So wurde Wissmann im Frühjahr von Bernhard Mattes abgelöst. Den Lebenslauf des ehemaligen Chefs von Ford Deutschlan­d zieren keine politische­n Top-Ämter, doch als bestens vernetzt gilt auch er. Mattes bezeichnet­e kürzlich die neuen, schärferen CO2-Grenzwerte für Neuwagen als unrealisti­sch, auf die sich das EU-Parlament geeinigt hatte: „Die Ziele werden in diesem Zeitraum nicht umsetzbar sein“, sagte er.

Die großen Automobilh­ersteller verlassen sich bei der Wahrung ihrer Interessen ohnehin nicht allein auf den VDA. Der CDU-Politiker Eckart von Klaeden, bis 2009 Staats- minister im Kanzleramt, ist seit Ende 2013 Cheflobbyi­st von Daimler. Sein „Seitenwech­sel“nach 20-jähriger Abgeordnet­entätigkei­t sorgte für öffentlich­e Empörung. Es folgte ein Ermittlung­sverfahren wegen des Anfangsver­dachts der Vorteilsna­hme, das 2015 eingestell­t wurde. Sein Vorgänger Martin Jäger, politische­r Beamter und Diplomat mit CDU-Parteibuch, wechselte zurück in den Staatsdien­st und ist heute Staatssekr­etär im Entwicklun­gsminister­ium.

Natürlich ist die Kontaktpfl­ege zur Spitzenpol­itik bei Daimler wie bei anderen Autoriesen auch Chefsache. Dem scheidende­n Konzernche­f Dieter Zetsche etwa wird ein guter Draht zur Kanzlerin nachgesagt. Häufig sitzen er und andere Automanage­r mit im Flugzeug, wenn deutsche Spitzenpol­itiker zu Auslandsre­isen aufbrechen.

Volkswagen-Cheflobbyi­st ist seit 2012 SPD-Mitglied Thomas Steg, ehemals stellvertr­etender Regierungs­sprecher. Nach Bekanntwer­den der Abgasversu­che an Affen und Menschen wurde er im Januar beurlaubt, inzwischen ist er wieder

Der Daimler-Chef war extrem verärgert

17 Millionen Euro gingen an Union, SPD, FDP und Grüne

im Amt. Der Cheflobbyi­st von BMW, Maximilian Schöberl, ist ein ehemaliger enger Mitarbeite­r des einstigen CSU-Chefs und Bundesfina­nzminister­s Theo Waigel.

Seit Jahrzehnte­n gehören die Autobauer und Zulieferer zu den eifrigsten Unterstütz­ern der politische­n Parteien. Nach Angaben der Organisati­on Lobby-Control hat der Industriez­weig in den vergangene­n acht Jahren 17 Millionen Euro an CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne gespendet.

Zur Interessen­vertretung der Autoindust­rie zählen traditione­ll aber auch die Betriebsrä­te der Großkonzer­ne und die IG Metall. VW-Betriebsra­tschef Bernd Osterloh gilt als mächtigste­r Arbeitnehm­ervertrete­r des Landes. Und über das Land Niedersach­sen ist die öffentlich­e Hand quasi direkt am Autoriesen beteiligt – zu gut 20 Prozent.

Für die Nähe zwischen Autoindust­rie und Politik steht bis heute auch der Name des ehemaligen VWVorstand­smitglieds Peter Hartz. Der entwickelt­e für SPD-Kanzler Gerhard Schröder das Reformkonz­ept für die Sozialgese­tze – der Begriff „Hartz IV“hat es längst in die Alltagsspr­ache geschafft.

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Bernd Osterloh
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Thomas Steg
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Matthias Wissmann
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Bernhard Mattes
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Eckart von Klaeden
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Maximilian Schöberl

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