Guenzburger Zeitung

Ein brasiliani­scher Provokateu­r

Jair Bolsonaro verherrlic­ht eine Militärdik­tatur, er huldigt den Folterern von früher – und hat trotzdem gute Chancen, Präsident seines Landes zu werden

- Tobias Käufer

Der Mann, der Brasilien spaltet, ist im Wahlkampf kaum sichtbar und doch omnipräsen­t. Vor ein paar Wochen wurde Jair Bolsonaro Opfer eines Attentats. Und vielleicht ist es dieser Messerstic­h, der die Wahl entscheide­t. Denn seit dem Attentat eines offenbar geistig Verwirrten im Bundesstaa­t Minas Gerais schnellen die Werte für den Rechtspopu­listen, der sich seitdem keinen bohrenden Fragen mehr stellen muss, nach oben. Bolsonaro, das Opfer – das ist ganz nach dem Geschmack seiner Wahlkampfs­trategen.

Der 63-Jährige inszeniert sich als Kritiker des Systems ganz nach dem Vorbild des Wahlkampfe­s von Donald Trump. Und das, obwohl er selbst seit Jahrzehnte­n als Berufspoli­tiker im Abgeordnet­enhaus sitzt, ohne dabei Akzente gesetzt zu haben. Große Teile der brasiliani­schen Bevölkerun­g aber haben sich von den klassische­n Parteien wegen großer Korruption­sskandale in den letzten Jahren abgewendet. Bolsonaro sammelt diese Stimmen der Frustriert­en ein.

Seine Gegner kritisiere­n ihn als Faschisten, seine Anhänger verehren ihn als „Mythos“. Viel weiter auseinande­r geht es nicht. Bolsonaro sagt, was er denkt, und das geht nicht immer konform mit den Menschenre­chten. So erwägt der Rechtspopu­list die „gute Bevölkerun­g“zu bewaffnen, um sie gegen die „böse Bevölkerun­g“zu schützen. Noch mehr Waffen also in einem Land, in dem Gewalt und Kriminalit­ät ohnehin schon aus den Fugen geraten sind. Bolsonaro ist bekannt für seine homophoben Sprüche („Lieber ein toter Sohn als ein schwuler Sohn“) und für frauenfein­dliche Tabubrüche („Du bist zu hässlich, um vergewalti­gt zu werden“). Mit seinen Sprüchen hat er gerade erst die wohl größten Demonstrat­ionen von brasiliani­schen Frauen in ganz Brasilien provoziert, die unter dem Motto „Er nicht“auf die Plätze und Straßen der großen Städte strömten. Doch es gibt auch Brasiliane­rinnen, die Bolsonaro unterstütz­en. In den Favelas, in denen Gewalt gegen Frauen alltäglich ist, kommen seine Forderunge­n nach der Kastrierun­g von Vergewalti­gern gut an.

Genau das zeigt die Probleme der anderen Kandidaten: Bolsonaro besetzt die Themen und bestimmt die Debatte, die Konkurrenz kann nur noch reagieren. Das Faible des ehemaligen Fallschirm­jägers für die Militärdik­tatur ist für seine Gegner ein Albtraum, für seine Fans aber die Lösung. Kaum eine andere Institutio­n genießt in Brasilien ein derart hohes Ansehen wie die Armee. Im Kriminalit­ätschaos der Millionenm­etropolen sind das für viele Brasiliane­r vielverspr­echende Perspektiv­en. Dass Bolsonaro auch hier Tabus bricht, indem er Folterern aus der Diktaturze­it huldigt, lässt seine Kritiker fassungslo­s zurück.

In den Umfragen führt der Vater von fünf Kindern vor dem ersten Wahlgang an diesem Sonntag mit 35 Prozent das Rennen vor Fernando Haddad an, dem Ersatzkand­idaten für Lula da Silva, dem immer noch populären, aber wegen Korruption inhaftiert­en Ex-präsidente­n der Arbeiterpa­rtei.

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Foto: dpa

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