Wie Bauern auf Klimaextreme reagieren müssen
Es war ein schwieriges Jahr für die Landwirte. Ein Agrarexperte erklärt, wie man das künftig verhindern kann. Er spricht über stabilere Pflanzen, verschenkte Chancen und die Verantwortung als Unternehmer
Herr Breunig, wir feiern an diesem Wochenende Erntedank. Zeit, um Bilanz zu ziehen. Wie groß waren die Ernteeinbußen tatsächlich?
Peter Breunig: Im bundesweiten Durchschnitt haben die Bauern in diesem Jahr etwa 20 Prozent weniger geerntet. Je nach Kultur waren die Einbußen unterschiedlich hoch, aber auch regional sind die Unterschiede extrem. Da konnte es schon sein, dass das eine Feld sehr gut dastand, ein paar Kilometer weiter aber die Lage deutlich schlechter war.
Die Landwirte haben Dürrehilfen bekommen und Kritik geerntet. Auch sollen sie sich auf die Wetterextreme einstellen. Brauchen wir eine andere Art der Landwirtschaft?
Breunig: Pflanzen brauchen CO2, Licht, Nährstoffe und Wasser, um zu wachsen. Dieser biologische Zusammenhang lässt sich nicht außer Kraft setzen. Wenn es nicht regnet, dann wachsen die Pflanzen weniger und der Ertrag sinkt – unabhängig davon, ob ein Betrieb ökologisch oder konventionell wirtschaftet. Natürlich gibt es Maßnahmen, um die Auswirkungen der Trockenheit zu reduzieren. Dabei geht es oft um die Verbesserung des Bodens, etwa durch nachhaltigere Bodenbearbeitungsmethoden, Zwischenfrüchte und vielfältigere Fruchtfolgen.
Werden in einigen Jahrzehnten in Nordschwaben Äpfel angebaut und am Bodensee stattdessen Orangen?
Breunig: Wir sehen schon jetzt Verschiebungen. Bis vor 20 Jahren etwa wurden in Deutschland kaum Sojabohnen angebaut. Nun ist diese Kultur bei uns immer häufiger zu sehen. Der heimische Anbau ist ja auch weit sinnvoller, als Millionen Tonnen aus Übersee zu importieren. Aber es geht nicht nur um neue Kulturen: Nötig sind Sorten, die längere Dürrephasen besser aushalten.
Wird zu wenig geforscht?
Breunig: Weltweit wird seit geraumer Zeit an Züchtungen gearbeitet, die mit Wetterextremen besser zurechtkommen. Andererseits werden auch Potenziale verschenkt. Vor Kurzem hat der Europäische Gerichtshof sogenannte Genome-editing-verfahren der klassischen Gentechnik gleichgesetzt und damit deren Praxiseinsatz bei uns blockiert. Dabei geht es um Pflanzen, die mit neuen molekularbiologischen Methoden gezüchtet werden. Mit dem Urteil hat man aus meiner Sicht eine Chance vertan, um unsere Kulturpflanzen fit für die zunehmenden Wetterextreme zu machen.
Andererseits verträgt gerade Mais ja hohe Temperaturen gut. Läuft es da- rauf hinaus, dass wir in Zukunft noch mehr Monokulturen haben?
Breunig: Monokultur bedeutet, dass jedes Jahr auf demselben Feld die gleiche Kultur angebaut wird. Das passiert äußerst selten – schon aufgrund der europäischen Agrarpolitik. Die Landwirte erhalten ja nur Unterstützung durch die EU, wenn sie sich an bestimmte Umweltauflagen, wie etwa Fruchtfolgen, halten. Und sie haben verstanden, dass breitere Fruchtfolgen nötig sind, um einen fruchtbareren Boden und damit stabilere Pflanzen zu bekommen. Zugleich senkt der Landwirt, der unterschiedliche Kulturen anbaut, auch das Risiko von Ernteausfällen. Wintergerste hat ihre kritische Wachstumsphase zu einer anderen Zeit als Weizen, der wiederum anders als Mais. Kommt es zu einer Dürrephase, sind nicht alle Pflanzen gleich stark betroffen.
Müssen wir davon ausgehen, dass es künftig mehr solcher Dürrejahre gibt?
Breunig: Ich bin kein Meteorologe. Aber die Modelle besagen, dass es mehr Extremwetterereignisse geben wird. Das heißt: Die Anzahl der Hitzetage nimmt zu, aber auch die extremen Niederschläge. Das hat wiederum deutliche Auswirkungen auf den Boden, weil heftiger Regen fruchtbaren Boden wegschwemmen kann. In der öffentlichen Diskussion spielt das Thema Bodenerosion leider keine große Rolle. Dabei ist der Boden die Grundlage unserer Lebensmittel.
Was können die Landwirte tun?
Breunig: In den meisten Fällen ist es das Ziel, den Humusgehalt im Boden zu steigern, die Bodenstruktur zu verbessern und das Bodenleben anzuregen. Zum einen erreicht man das, indem der Boden gezielter und weniger bearbeitet wird. Andererseits sind dann aber teilweise mehr chemische Pflanzenschutzmittel nötig, um ertragsreduzierende Unkräuter zu entfernen, wenn diese durch die geringere Bodenbearbeitung weniger mechanisch bekämpft werden. Hilfreich ist es auch, Zwischenfrüchte anzubauen. Das sind Pflanzenmischungen, die Humus anreichern und einen positiven Einfluss auf das Bodenleben haben.
Auf vielen Feldern hat in diesem Jahr das Wasser gefehlt. Wäre Bewässerung eine Alternative?
Breunig: Ein umstrittenes Thema, vor allem, weil wir in vielen Regionen Bayerns keinen Wasserüberschuss haben. Nachhaltig ist Bewässerung ja nur, wenn Landwirte die Menge Grundwasser entnehmen, die auf der bewirtschafteten Fläche neu gebildet wird. Einfach zu sagen, wir bauen überall Brunnen, halte ich nicht für den richtigen Weg. Oft ist es auch nicht wirtschaftlich, da es ja nicht jedes Jahr zu einer Dürre kommt. Bewässerung sollte also nur dort stattfinden, wo sie ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich ist.
Kann man damit ausschließen, dass die Landwirte auch künftige staatliche Hilfen fordern?
Breunig: 340 Millionen Euro Dürrehilfen hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Landwirten zugesagt. Das Geld ist aber nur für Betriebe gedacht, die durch die Dürre in existenzielle Nöte geraten sind, die Auflagen sind streng. Aus meiner Sicht ist es aber eine unternehmerische Aufgabe jedes Landwirts, selbst Risikovorsorge zu tref- fen. Sinnvoll wäre eine steuerfreie Risikorücklage zu ermöglichen, auf die Landwirte in Krisenjahren zurückgreifen können.
Diskutieren zu viele über Landwirtschaft, die zu wenig davon verstehen?
Jeder Mensch ernährt sich und jeder hat das Recht, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Die öffentliche Diskussion sollte sich jedoch stärker darauf fokussieren, welche Ergebnisse wir für Umwelt und Gesellschaft von der Landwirtschaft erwarten und weniger darauf, wie Landwirte im Detail arbeiten. Auf der anderen Seite muss die Agrarbranche aber auch noch lernen,
„Lebensmittel sind nicht nur da, um satt zu machen.“
dass Verbraucher auch Kunden sind, dass sie nicht nur rationale, sondern auch emotionale Anforderungen haben. Lebensmittel sind heute längst nicht mehr nur da, um satt zu werden. Sie sind Teil der eignen Persönlichkeit und Identität. Wenn jeder bei Landwirtschaft mitsprechen will, zeigt es doch, dass das Thema den Menschen wichtig ist. Darin sehe ich eher eine Chance für die Landwirtschaft!
Interview: Sonja Krell
37, ist Professor für Marketing und Marktlehre an der Hochschule Weihenstephantriesdorf.