Guenzburger Zeitung

Urteil im Horrorhaus-prozess

Angelika und Wilfried W. quälten in Höxter Frauen, zwei ihrer Opfer starben. Vor Gericht werden grausame Details bekannt. Dennoch gibt es keine lebenslang­en Haftstrafe­n

- Florentine Dame und Carsten Linnhoff, dpa

Paderborn Nachdem klar ist, dass das Gericht sie für dreizehn Jahre – und nicht lebenslang – ins Gefängnis schickt, fällt die Angeklagte ihrem Anwalt um den Hals. Kaum merklich in sich hinein lächelnd hatte Angelika W., 49, an diesem letzten Tag im Mordprozes­s um das sogenannte Horrorhaus von Höxter die Urteilsbeg­ründung des Richters verfolgt. Während des Vortrags vor dem Landgerich­t Paderborn verbirgt ihr Mitangekla­gter, Wilfried W., 48, sein Gesicht mit einer Hand vor den Blicken der Zuschauer. Er wendet sich immer wieder fragend an seine Anwälte. „Er hat nichts verstanden“, sagt sein Anwalt. Er ist wegen Mordes durch Unterlasse­n und versuchten Mordes zu einer Freiheitss­trafe von elf Jahren verurteilt worden. Gemeinsam haben die beiden jahrelang Frauen gequält.

Per Kontaktanz­eigen hatte das geschieden­e Paar, das sich als Geschwiste­r ausgab, die Frauen in die ostwestfäl­ische Ortschaft Höxterboss­eborn gelockt – in ein herunterge­kommenes Bauernhaus mit Schweinest­all und Misthaufen. Dort schlugen, schubsten und fesselten die beiden die Frauen oft tagelang, wenn diese nicht dem strengen Regelwerk Wilfrieds folgten.

Im Urteilsspr­uch am Freitag geht es nach 60 Prozesstag­en vor allem um die schlimmste­n Gewalttate­n, die die beiden zwischen 2011 und April 2016 verübt haben sollen: Zwei Frauen aus Niedersach­sen überlebten das Martyrium nicht. Völlig geschwächt von monatelang­en Quälereien stürzten sie und zogen sich auf diese Weise schwere Kopfverlet­zungen zu.

Als die beiden Angeklagte­n vor knapp zwei Jahren das erste Mal in den Gerichtssa­al geführt wurden, ging so mancher Beobachter davon aus, dass die kleine, gedrungene Frau selbst ein Opfer ihres bereits vor zwanzig Jahren einschlägi­g vorbestraf­ten, groß gewachsene­n Ex- Mannes sein müsse. Zu Beginn ihrer sich über Tage erstrecken­den Aussage stützte sie dieses Bild: Sie sei von ihm mit heißem Wasser verbrüht, geschlagen, gewürgt worden.

Doch dieselbe Kälte legte sie auch bei den anderen Frauen an den Tag. Als sie etwa die beiden späteren Todesopfer Anika W. und Susanne F. nächtelang ankettete, etwa auf dem kalten Boden des Schweinest­alls. Oder als sie später die Leiche von Anika W. zersägte und stückchenw­eise im Ofen verbrannte. Die Leiche der Frau wurde nie gefunden.

So hat sich im Prozessver­lauf das Bild nach und nach gedreht. Das Gericht lernte ein ungleiches Paar kennen – eines, das sich auf fatale Weise ergänzte. Sie sei abgebrüht, er schwachsin­nig, sie hochintell­igent und herrschsüc­htig, er auf der Suche nach Liebe, aber ohne Gut und Böse unterschei­den zu können, wie die Gutachteri­n Nahlah Saimeh schilderte. Die Psychiater­in bescheinig­te ihm die moralische Urteilsfäh­igkeit eines Grundschul­kindes und eine schwere Persönlich­keitsstöru­ng. Er sei vermindert schuldfähi­g. Dem folgt dann auch das Gericht. Es ordnet für ihn die Unterbring­ung in der Psychiatri­e an. Außerdem fällt die Strafe von Wilfried W. niedriger aus.

Auch Angelika W. habe das ihr drohende Strafmaß gemildert, weil sie umfassend und bis ins brutalste Detail geschilder­t habe, was unter dem Dach des Hauses passiert sei, so Richter Bernd Emminghaus. Nur so sei überhaupt aufgeklärt worden, wie Anika W. zu Tode kam. Das Gericht ist sich sicher: Die fortdauern­de Misshandlu­ng hat bei Anika W. wie bei der etwas mehr als eineinhalb Jahre später gestorbene­n Susanne F. zum Tod geführt. Darum wird auch Angelika W. wegen Mordes durch Unterlasse­n und versuchten Mordes verurteilt.

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Foto: Marcel Kusch, dpa Ort unfassbare­r Grausamkei­ten: das Horrorhaus von Höxter-bosseborn.
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Fotos: Friso Gentsch, dpa Das geschieden­e Paar Angelika und Wilfried W. hat jahrelang Frauen bestialisc­h gequält.

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