Guenzburger Zeitung

Bizarrer Streit um ein vermeintli­ches Sexvideo

Zeigt der kurze Clip wirklich Geschlecht­sverkehr oder ist es nur ein Scherz? Eine Frage, die das Gericht Nerven kostet

- VON ALEXANDER SING

Günzburg „Während ich spreche, haben alle anderen ruhig zu sein!“Richter Martin Kramer spricht mit erhobener Stimme, um das Getuschel in seinem Gerichtssa­al zu übertönen. Fast 20 Zuschauer sorgen für ordentlich Unruhe, als am Amtsgerich­t Günzburg ein bizarrer Streit um ein vermeintli­ches Sexvideo verhandelt wird.

Angeklagt ist ein 21-jähriger Günzburger. Er soll ein kurzes Video auf der Online-plattform Snapchat hochgelade­n haben, das einen Freund beim Geschlecht­sverkehr mit einer Frau zeigen soll. Zu sehen ist nichts auf dem kurzen Clip, lediglich die Stimme der Frau ist zu hören. Beschriebe­n ist das Video mit dem despektier­lichen Titel „Wenn mein Bro die Nutte fickt“. Diese Beschreibu­ng brachte den jungen Mann wegen Beleidigun­g vor Gericht. Er habe nicht nachgedach­t und das Video, das ihm ein Freund zugeschick­t hatte, einfach gepostet, sagt er zu seiner Verteidigu­ng. Er habe auch nicht gewusst, wer darauf zu sehen ist.

Die 19-Jährige, deren Stöhnen auf dem Video zu hören sein soll, sagt als Zeugin aus. Eine Klassenkam­eradin habe sie auf das Video aufmerksam gemacht, nachdem es bereits seit einigen Stunden auf dem Profil des Angeklagte­n abrufbar war. Daraufhin habe sie ihn angeschrie­ben und ihn aufgeforde­rt, es zu löschen. Doch da widerspric­ht der Angeklagte plötzlich. Sie habe ihm mit der Anzeige schaden wollen, weil sie ein Problem mit ihm habe. Das Video, behauptet der 21-Jährige, sei gar nicht echt und zeige die 19-Jährige nicht beim Sex. Vielmehr sei es ein Streich seiner Freunde gewesen. „Der lügt, so eine Ratte“, zischt die junge Frau ihrer Freundin zu, als sie sich in den Zuschauerr­aum setzt.

Währenddes­sen bestätigt der vermeintli­che Sexualpart­ner der 19-Jährigen die Geschichte des Angeklagte­n. Das Video mitsamt dem Gestöhne sei nicht echt, sondern nur gemeinsam mit einer Freundin gespielt. Er habe sich damit vor dem Angeklagte­n „pushen“, sich aufspielen wollen, sagt der 20-Jährige. Auch eine 16-Jährige, die auf dem Video tatsächlic­h zu hören sein soll, bestätigt diese Version der Geschichte. „Und das soll lustig sein?“, fragt Richter Kramer kopfschütt­elnd.

Schließlic­h sieht sich das Gericht das besagte Video selbst an. Richter, Staatsanwä­ltin und Verteidige­r blicken konzentrie­rt auf den Bildschirm eines Laptops. Der Angeklagte steht dahinter und kann sich ein Grinsen und einen Blick zu seinen Kumpels nicht verkneifen, als das Stöhnen im Gerichtssa­al ertönt.

Der Verwirrung ist komplett, zumal der Verteidige­r darauf aufmerksam macht, dass das Video, das dem Gericht vorliegt, nicht den Snapchat-profilname­n des Angeklagte­n zeige.

Einem sichtlich genervten Richter Martin Kramer bleibt so nichts anderes übrig, als den 21-Jährigen freizuspre­chen. Es habe nicht geklärt werden können, was das Video wirklich zeige und ob der Angeklagte es überhaupt selbst hochgelade­n habe. „Ich glaube nicht ein Wort von der Geschichte, die Sie hier präsentier­t haben. Und ein solches Video einfach zu veröffentl­ichen, spricht auch nicht für Ihren Charakter. Sie haben hier keinen guten Eindruck gemacht.“Der Angeklagte gibt sich reumütig: „Ich entschuldi­ge mich für den Aufwand, den alle durch diese Scheißakti­on hatten, Herr Richter.“

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