Bizarrer Streit um ein vermeintliches Sexvideo
Zeigt der kurze Clip wirklich Geschlechtsverkehr oder ist es nur ein Scherz? Eine Frage, die das Gericht Nerven kostet
Günzburg „Während ich spreche, haben alle anderen ruhig zu sein!“Richter Martin Kramer spricht mit erhobener Stimme, um das Getuschel in seinem Gerichtssaal zu übertönen. Fast 20 Zuschauer sorgen für ordentlich Unruhe, als am Amtsgericht Günzburg ein bizarrer Streit um ein vermeintliches Sexvideo verhandelt wird.
Angeklagt ist ein 21-jähriger Günzburger. Er soll ein kurzes Video auf der Online-plattform Snapchat hochgeladen haben, das einen Freund beim Geschlechtsverkehr mit einer Frau zeigen soll. Zu sehen ist nichts auf dem kurzen Clip, lediglich die Stimme der Frau ist zu hören. Beschrieben ist das Video mit dem despektierlichen Titel „Wenn mein Bro die Nutte fickt“. Diese Beschreibung brachte den jungen Mann wegen Beleidigung vor Gericht. Er habe nicht nachgedacht und das Video, das ihm ein Freund zugeschickt hatte, einfach gepostet, sagt er zu seiner Verteidigung. Er habe auch nicht gewusst, wer darauf zu sehen ist.
Die 19-Jährige, deren Stöhnen auf dem Video zu hören sein soll, sagt als Zeugin aus. Eine Klassenkameradin habe sie auf das Video aufmerksam gemacht, nachdem es bereits seit einigen Stunden auf dem Profil des Angeklagten abrufbar war. Daraufhin habe sie ihn angeschrieben und ihn aufgefordert, es zu löschen. Doch da widerspricht der Angeklagte plötzlich. Sie habe ihm mit der Anzeige schaden wollen, weil sie ein Problem mit ihm habe. Das Video, behauptet der 21-Jährige, sei gar nicht echt und zeige die 19-Jährige nicht beim Sex. Vielmehr sei es ein Streich seiner Freunde gewesen. „Der lügt, so eine Ratte“, zischt die junge Frau ihrer Freundin zu, als sie sich in den Zuschauerraum setzt.
Währenddessen bestätigt der vermeintliche Sexualpartner der 19-Jährigen die Geschichte des Angeklagten. Das Video mitsamt dem Gestöhne sei nicht echt, sondern nur gemeinsam mit einer Freundin gespielt. Er habe sich damit vor dem Angeklagten „pushen“, sich aufspielen wollen, sagt der 20-Jährige. Auch eine 16-Jährige, die auf dem Video tatsächlich zu hören sein soll, bestätigt diese Version der Geschichte. „Und das soll lustig sein?“, fragt Richter Kramer kopfschüttelnd.
Schließlich sieht sich das Gericht das besagte Video selbst an. Richter, Staatsanwältin und Verteidiger blicken konzentriert auf den Bildschirm eines Laptops. Der Angeklagte steht dahinter und kann sich ein Grinsen und einen Blick zu seinen Kumpels nicht verkneifen, als das Stöhnen im Gerichtssaal ertönt.
Der Verwirrung ist komplett, zumal der Verteidiger darauf aufmerksam macht, dass das Video, das dem Gericht vorliegt, nicht den Snapchat-profilnamen des Angeklagten zeige.
Einem sichtlich genervten Richter Martin Kramer bleibt so nichts anderes übrig, als den 21-Jährigen freizusprechen. Es habe nicht geklärt werden können, was das Video wirklich zeige und ob der Angeklagte es überhaupt selbst hochgeladen habe. „Ich glaube nicht ein Wort von der Geschichte, die Sie hier präsentiert haben. Und ein solches Video einfach zu veröffentlichen, spricht auch nicht für Ihren Charakter. Sie haben hier keinen guten Eindruck gemacht.“Der Angeklagte gibt sich reumütig: „Ich entschuldige mich für den Aufwand, den alle durch diese Scheißaktion hatten, Herr Richter.“