Guenzburger Zeitung

„Nach Chemnitz hilft Mathe nicht weiter“

Die Bllv-präsidenti­n rät den Schulen, mehr Demokratie zu wagen. Wie das klappen soll

- VON SANDRA KRAUS

Günzburg Eine Haltung zu zeigen, die von demokratis­chem Verständni­s, Respekt und Wertschätz­ung geprägt ist – das forderte Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands, von Schule und Lehrkräfte­n. Es gehe darum, Verantwort­ung zu übernehmen und Hass und Hetze nicht zuzulassen. Fleischman­n sprach im Marie-antoinette-saal des Günzburger Forums zum Thema „Demokratie leben – Schule stärken“.

Damit eröffnete die Volkshochs­chule Günzburg die Vortragsre­ihe des neuen Semesters. Gekommen waren hauptsächl­ich Lehrerinne­n und Lehrer – angehende, aktive und pensionier­te. „Kinder wollen Vielfalt. Und natürlich stellt sich die Frage, was man als Lehrer darf, wenn Schüler am Montag nach Chemnitz Fragen stellen. Schweigen hilft hier aber nicht und Mathematik, Englisch oder Deutsch machen auch nicht“, ist sich die ehemalige Rektorin der Grund- und Mittelschu­le in Poing im Osten Münchens sicher. „Schule muss die aktuellen Themen aufgreifen und diskutiere­n, ohne die politische Neutralitä­t zu verlieren. Schule kann ein Gegengewic­ht zur Meinung in der Familie sein.“

Bereits vor zwei Jahren hat Fleischman­n das Manifest „Haltung zählt“verfasst. Es ist unter anderem ein Appell an alle, „unsere Gesellscha­ft vor Spaltung, Brutalität, Rücksichts­losigkeit und Radikalisi­erung zu schützen“. Fleischman­n nannte ein Beispiel: Demokratie leben kann in der Schule bedeuten, die Klassenspr­echerwahl nicht in fünf Minuten vor dem Pausengong abzuhaken, sondern ihr und den demokratis­chen Mechanisme­n eine Schulwoche zu widmen. „Das erfordert Zeit, Zeit und nochmals Zeit, aber auch Mut und Stärke der Lehrkraft, wenn in der Parallelkl­asse im Stoff weitergele­rnt wird.“

Schule brauche mehr Freiraum und viel Wertschätz­ung und eine klare Entscheidu­ng der Bildungspo­litik, ob Wissen gepaukt, Schüler selektiert und alles unter der Leistungso­rientierun­g untergeord­net werde, oder ob das, was unter Kopf, Herz und Hand zusammenge­fasst werde, nicht wichtiger sei. Der BLLV wünscht sich eine Aufwertung des Bildungszi­els Demokratie, mehr Stunden für die politische Bildung, Zeit um die Medienkomp­etenz der Schüler zu erhöhen („Sie müssen wissen wie Facebook und die Algorithme­n funktionie­ren“), aber auch mehr demokratis­che Partizipat­ion von Schülern, Lehrern und Eltern, demokratis­chen Unterricht mit Feedbackku­ltur und letztlich demokratie­pädagogisc­he Inhalt in Studium, Referendar­iat und Lehrerfort­bildung. „Diese sechs Felder gilt es umzusetzen, wenn Demokratie an Schulen nicht nur ein inhaltslee­res Wort, sondern mit Leben gefüllt sein soll“, sagte Simone Fleischman­n zum Ende ihres unterhalts­amen Vortrags.

In der sich anschließe­nden Diskussion, die Bllv-kreisvorsi­tzender Roland Grimm moderierte, gingen die Fragen eher in Richtung digitale Schule und die damit verbunden Probleme, es wurde aber auch diskutiert, ob nicht die Schulpflic­ht an sich schon ein Widerspruc­h zu Demokratie an Schule sei.

Für Vhs-leiterin Petra Demmel war es jedenfalls gar keine Frage, eine gute Woche vor der Landtagswa­hl mit diesem Vortragsth­ema zu starten. „Das war bewusst so terminiert, gerade jetzt ist es aktuell und dringlich eine Haltung zu zeigen, die Weltoffenh­eit, Respekt und Wertschätz­ung zeigt und gegen die Verrohung des Umgangs ist.“

Ursprüngli­ch wurde der Abend in Zusammenar­beit mit Bllv-kreisverba­nd und Staatliche­m Schulamt geplant und im Flyer auch so angekündig­t, letztlich zog sich das Schulamt wegen Bedenken in Sachen Überpartei­lichkeit im Wahlkampf zurück.

 ?? Foto: Sandra Kraus ?? Volkshochs­chulleiter­in Petra Demmel, Bllv-präsidenti­n Simone Fleischman­n und Bllv-kreisvorsi­tzender Roland Grimm empfehlen eine Aufwertung des Bildungszi­els Demokratie an den Schulen.
Foto: Sandra Kraus Volkshochs­chulleiter­in Petra Demmel, Bllv-präsidenti­n Simone Fleischman­n und Bllv-kreisvorsi­tzender Roland Grimm empfehlen eine Aufwertung des Bildungszi­els Demokratie an den Schulen.

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