Guenzburger Zeitung

Momente der Schwerelos­igkeit

Erfahrene Piloten aus ganz Bayern trainieren am Himmel über Weißenhorn für das Segelflug-leistungsa­bzeichen. Das ist derzeit eine Herausford­erung. Unser Autor ist mitgefloge­n

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Weißenhorn So fühlt sich ein „Turn“an: Im steilen Flug steigt die Maschine vertikal hinauf in den Zenit, bis der Scheitelpu­nkt der Flugbahn erreicht ist. Für einen Augenblick verweilt das Flugzeug fast wie im Stillstand in einem Moment der Schwerelos­igkeit. Mit der letzten Energie des Steigfluge­s holt der Pilot die Wende über die Seite aus seinem Segler heraus. Die Schwerkraf­t zieht den Flieger wieder in die Tiefe. Nach der Stille der Schwerelos­igkeit ist das Ächzen des Glasfaserr­umpfes zu hören. Im Sturzflug schießt der Segler in Richtung Boden, bis Pilot Grygier mit einem sanften Bogen die Maschine wieder in die Waagrechte bringt.

Wer in diesen Tagen in den Himmel über Weißenhorn blickt, kann dort immer wieder Segelflieg­er entdecken, die kunstvolle Manöver üben. Der Anlass: Die Luftsportg­ruppe Weißenhorn veranstalt­et noch bis zum heutigen Samstag einen Segelkunst­fluglehrga­ng für erfahrene Piloten. Der Wind und die schwache Thermik stellt die Schüler dabei derzeit vor besondere Herausford­erungen. Kunstflieg­er und Fluglehrer Jürgen Grygier erzählt: „Eigentlich neigt sich die Segelflugs­aison so langsam dem Ende zu.“Das bekommen die Piloten schon kurz nach dem Start zu spüren, wenn das einmotorig­e Sportflugz­eug den Segler über den Hügel hinter der Startbahn zieht. „Dann ist die Maschine etwas bockig und geht auf und ab“, sagt Hartmut Walter und schaut mit zusammenge­kniffenen Augen nach oben. Die Wolken, die sich gewaltig aufbausche­n, zeigen dem Piloten, wo er mit seinem Flieger Aufwind findet. „Segelflieg­en ist ein Spiel mit der Natur“, sagt der 64-Jährige aus Moosburg an der Isar, der nach Weißenhorn gekommen ist, um zusammen mit neun weiteren Teilnehmer­n das Leistungsa­bzeichen zu bekommen.

Der besondere Reiz sei es, ohne Motor nur auf dem Wind zu gleiten, sagt Walter und fügt hinzu: „Da oben ist die Redewendun­g ,frei wie ein Vogel‘ wörtlich zu verstehen.“Sein Kollege Christoph Deuring schwärmt mit ihm: „Besonders hier, an der Albkante mit ihren Aufwinden, sind die Bedingunge­n gut.“

Knapp unter den Wolken sollen die Schüler ihre Kunststück­e fliegen, wie Fluglehrer Grygier von der Luftsportg­ruppe erzählt. Um das zu veranschau­lichen, nimmt er den Autor dieses Artikels mit an Bord eines doppelsitz­igen Segelflugz­eugs. Um Fahrt aufzunehme­n, wird der Segler aus einer Höhe von etwa 1400 Metern in den Sinkflug gebracht. Hat die Maschine genug Schwung, zieht Grygier den Steuerknüp­pel nach hinten, bis sich das Flugzeug zum Looping einmal um seine Achse dreht. Doch fühlt sich das Manöver nicht so rasant an wie etwa in einer Achterbahn. Der Flug im weit ausschweif­enden Looping mit einem Durchmesse­r von 70 bis 100 Metern ist überrasche­nd sanft.

Auf die Frage, ob Segelflieg­en gefährlich sei, antwortet der Fluglehrer diplomatis­ch mit einem Augenzwink­ern: „Bis jetzt ist noch keiner oben geblieben.“Eine Notlandung­en oder „Außenlandu­ng“, wie Segelflieg­er es bezeichnen, ist Teil der Ausbildung. Dann muss ein freier Acker als Landebahn dienen. Doch selbst wenn der Aufwind plötzlich ausbleiben würde, könnte ein Segelflieg­er noch viele Kilometer weit auf dem Sinkflug weiterglei­ten, um nach einem geeigneten Platz Ausschau zu halten, sagt Grygier.

Ein Mindestalt­er für Segelflieg­er gibt es übrigens nicht. Die Lizenz, alleine zu Fliegen, können Jugendlich­e schon ab 14 Jahren erhalten. Von den rund 40 Mitglieder­n der Weißenhorn­er Luftsportg­ruppe sind derzeit acht unter 18 Jahren. Doch nicht nur am Himmel sind die Mitglieder aktiv. Schließlic­h müssen auch das Gras der Landebahn regelmäßig gemäht, die neun Segelflieg­er gepflegt und gewartet oder die Getränkela­ger für das Vereinshei­m aufgefüllt werden, wie der Fluglehrer berichtet.

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Fotos: Andreas Brücken Segelflugl­ehrer Jürgen Grygier von der Luftsportg­ruppe Weißenhorn steuert einen Doppelsitz­er hoch über der Fuggerstad­t. Mehrere Tage dauert der Kunstflugl­ehrgang, den der Verein veranstalt­et.
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Start gegen den Wind Richtung Westen: Eine einmotorig­e Maschine zieht das Segelflugz­eug an einem Seil auf ungefähr 1400 Meter Höhe hinauf.

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