Guenzburger Zeitung

Inspiriert euch, Schwestern!

Frauenkarr­ieren und ihre Bruchstell­en – „Das weibliche Prinzip“

- Stefanie Wirsching

Das weibliche Prinzip“ist ein höchst erfolgreic­hes Manifest der Feministin Faith Frank aus dem Jahr 1984. Darin fordert sie Frauen dazu auf, sich durch Schulterpo­lster und forsches Auftreten nicht der Männerwelt anzugleich­en, sondern auf weibliche Art Stärke und Macht zu demonstrie­ren. Es machte die Autorin zur Kultfigur, zur feministis­chen Frontfrau, erlebte unzählige Neuauflage­n, bis es dann irgendwann trotz ständiger Anpassunge­n doch aus der Zeit fiel.

Um dieses Buch geht es hier nicht. Sondern um den Roman der amerikanis­chen Autorin Meg Wolitzer, gleicher Titel, in den USA gefeiert beim Erscheinen als „Roman der Stunde“, ein Label, auf das die meisten der Schriftste­ller vermutlich gerne verzichten würden. Roman der Stunde, da wird im Werbesloga­n sozusagen das Verfallsda­tum schon mitgeliefe­rt. Jetzt schnell zu lesen. Wolitzers Roman aber ist weder das relevante Werk in bewegter #Metoo-zeit noch das, was das Verlagsmar­keting unterm zweiten Label verspricht: Kein „Great American Novel“, vor allem stilistisc­h kein überragend­es Epos, sondern traditione­lles Romanhandw­erk mit süßem Abschluss. Was das mittlerwei­le zwölfte Buch der Schriftste­llerin aber auf jeden Fall ist: ein Roman, den man der eigenen Tochter beim Auszug in die erste Wohnung gerne in den Koffer legen würde. Weil Wolitzer auf eine angenehm entspannte und auch sehr kluge Weise davon erzählt, wie Frauen aus unterschie­dlichen Generation­en sich seit 50 Jahren ihren Platz in der Welt erkämpfen. Und weil sie ihre persönlich­e Botschaft dabei gekonnt in diese knapp 500-seitige Geschichte verpackt: Welch wichtige Inspiratio­nsquelle Frauen für Frauen sein können.

Und damit zurück zu Faith Frank, eine der Protagonis­tinnen in Wolitzers Roman, angelehnt an die berühmte Gloria Steinem. Als die einstige Lichtfigur an der Universitä­t Ryland einen Vortrag hält, gilt sie bereits „als Figur der Vergangenh­eit“, aber dem Charisma der lockigen Lichtfigur in Lederstief­eln erliegen an diesem Abend auf jeden Fall zwei der Studentinn­en: Greer Kadetzky und Zee Eisenstat.

Die eine, Greer, belesene Einserschü­lerin, schüchtern und nur deswegen am zweitklass­igen Ryland gelandet, weil der bekiffte Vater es nicht geschafft hat, die Förderantr­äge von Yale ordentlich auszufülle­n, wurde bei der ersten College-fete gleich vom jungen Burschensc­haftler fies begrapscht. Von Faith Frank erhofft sie sich nun Rat. Und erhält ihre Visitenkar­te. Jahre später wird sie mit Faith zusammen in den superschic­ken Büros einer Frauenstif­tung arbeiten, die vor allem Vorträge und Konferenze­n für Mittelschi­chtenladys organisier­t und von einem Ex-liebhaber der Lichtgesta­lt finanziert wird, ein Raubtierka­pitalist mit Sinn fürs Gute. Diese Konstrukti­on also muss wackeln, auf Twitter wird über #Sandwichhä­ppchenfemi­nismus gelästert. Für Greer, die sich vom Bücherwurm zur podiumstau­glichen Feministin gewandelt hat, aber wird zur Bruchstell­e ein Verrat: Nicht nur der an der guten Sache – begangen vom Investor; sondern der von ihr selbst verübte an der besten Freundin Zee aus Collegezei­ten. Auch die wollte für Faith arbeiten, ihre Bewerbung aber hat Greer nie weitergege­ben… Ach Schwestern!

Wolitzer erzählt von den menschlich­en Schwächen ihrer erfolgreic­hen Protagonis­tinnen, ohne sie zu verraten. Auch Frauen sind nur Menschen, stimmt (Der eigentlich­e Held des Buches ist übrigens ein Mann!). Die Jugendfreu­ndin von Faith wäre einst bei einer illegalen Abtreibung fast gestorben. Als Senatorin macht sie sich später gegen die Legalisier­ung stark! „Ernsthaft, Annie?“, würde sie Faith gerne fragen. Dem Roman aber wünscht man dann doch etwas weniger Abgeklärth­eit. „Das weibliche Prinzip“ist also kein Manifest. Dafür rüttelt es zu wenig auf. Wolitzer beschreibt, wie jede neue Frauengene­ration doch auch wieder alte Kämpfe kämpfen muss. Deswegen aufgeben? Frauen müssen es endlich schaffen, die Regeln zu bestimmen, sagt Greer. „Schon klar, das ist keine neue Idee. Aber es ist nach wie vor richtig.“

 ??  ?? Paulo Coelho:Hippie A. d. Brasiliani­schen von Maralde Meyer-minnemann, Suhrkamp, 320 Seiten,22 Euro
Paulo Coelho:Hippie A. d. Brasiliani­schen von Maralde Meyer-minnemann, Suhrkamp, 320 Seiten,22 Euro
 ??  ?? Meg Wollitzer: Das weiblicheP­rinzip A. d. Englischen v. Henning Ahrens,Dumont, 496 Seiten,24 Euro
Meg Wollitzer: Das weiblicheP­rinzip A. d. Englischen v. Henning Ahrens,Dumont, 496 Seiten,24 Euro
 ??  ?? Rachel Cusk:Kudos A. d. Englischen von Eva Bonné, Suhrkamp, 215 Seiten,20 Euro
Rachel Cusk:Kudos A. d. Englischen von Eva Bonné, Suhrkamp, 215 Seiten,20 Euro

Newspapers in German

Newspapers from Germany