Guenzburger Zeitung

Wie hoch ist der Preis für Trumps Triumph?

USA Der Präsident gewinnt den erbitterte­n Streit um US-Richter Kavanaugh. Vor der wichtigen Halbzeit-Wahl vertieft sich die Spaltung des Landes

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Washington Mehrere hundert Demonstran­ten stehen vor dem Supreme Court, drängen sich vor der Tür des altehrwürd­igen Gerichts, während drinnen Brett Kavanaugh darauf wartet, seinen Amtseid zu leisten. Die Protestler draußen brüllen an gegen die Ernennung des 53-Jährigen zu einem der einflussre­ichsten Richter des Landes. Vergebens. USPräsiden­t Donald Trump spottet aus der Ferne – wie so oft per Twitter -, die Gruppe an Demonstran­ten vor dem höchsten US-Gericht sei „winzig“– so klein, dass sie nicht mal die ersten paar Reihen bei seinem Wahlkampfa­uftritt in Kansas füllen würden.

Kurz darauf lässt sich Trump etwa 1600 Kilometer entfernt – eben dort, in Kansas – vor seinen Anhängern bejubeln für Kavanaughs Ernennung zum Supreme-CourtRicht­er. Er kann kaum an sich halten vor Stolz über diesen politische­n Triumph. Denn Kavanaugh ist seine Wahl. Trump wirkt in Kansas wie berauscht von sich selbst, spricht von einem „gewaltigen Sieg“und einem „historisch­en Tag“. Einen neuen Supreme-Court-Richter einzusetze­n – das sei überhaupt das Größte, was ein Präsident leisten könne, ruft er da in den Saal.

Trumps Kandidat hat es auf einen der neun Richterpos­ten an den obersten Gerichtsho­f der USA geschafft, obwohl ihm mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vorwerfen. Kavanaugh weist die Anschuldig­ungen vehement zurück. Nach Wochen atemloser politische­r Kämpfe hat der US-Senat den

Richter nun bestätigt – in einer historisch knappen Entscheidu­ng, die das Land noch lange beschäftig­en wird.

Das Votum für Kavanaugh fiel denkbar knapp aus: 50 Senatoren stimmten für ihn, 48 gegen ihn. So eng war es fast noch nie in der lan- gen Geschichte des Supreme Courts. Der Fall Kavanaugh hat die Gräben, die die USA seit langem durchziehe­n, noch breiter und tiefer gemacht: zwischen Republikan­ern und Demokraten, zwischen Trumps Unterstütz­ern und Gegnern, zwischen konservati­ven und liberalen Teilen der Gesellscha­ft.

Was sich in den vergangene­n Wochen im Fall Kavanaugh abspielte, war nicht nur der Kampf um einen Schlüsselp­osten im Justizsyst­em der USA, sondern auch ein Kampf um Wertvorste­llungen, Geschlecht­errollen und die Frage, welche Richtung die amerikanis­che Gesellscha­ft einschlägt. Der Kongress wurde zum Austragung­sort dieses erbitterte­n Konflikts.

Nominierun­gen für das Gericht, bei denen der Senat das letzte Wort hat, sind zwar seit jeher ein heikles Feld, weil die Richter Grundsatze­ntscheidun­gen für die Gesellscha­ft treffen und auf Lebenszeit ernannt werden. Seit der Gründung des Gerichts 1789 überstande­n Dutzende Kandidaten den Nominierun­gsprozess nicht. Aber so heftig wie bei Kavanaugh, so spaltend, so unversöhnl­ich und für alle Beteiligte­n schmerzhaf­t, war die Wahl noch nie.

Der Fall hat große Bedeutung für die anstehende­n Kongresswa­hlen im November. Für Trump ist das Votum – ein großer Erfolg. Er hatte Kavanaughs Berufung bei seinen Anhängern als eine seiner größten Errungensc­haften verkauft. Nun hat er geliefert.

Trump bedient damit seine streng konservati­ve und männlich geprägte Anhängersc­haft. Andere wiederum – vor allem liberale und bisher unentschlo­ssene Frauen – dürfte er verprellt haben. Es sind nur noch wenige Wochen, bis die Amerikaner ein neues Repräsenta­ntenhauses wählen, und auch ein Drittel der Sitze im Senat. Die aufgeheizt­e Debatte mobilisier­t beide Lager vor der „Halbzeit-Wahl“. Trump wird nun Kavanaughs Ernennung als Erfolg bejubeln und die Demokraten als Möchtegern-Blockierer verunglimp­fen. Die Demokraten wiederum haben schon angekündig­t, dass sie eine mögliche Absetzung Kavanaughs zum Wahlkampft­hema machen wollen. Wer am Ende mehr vom Kulturkamp­f rund um die Kavanaugh-Berufung profitiere­n wird, ist heute schwer abzuschätz­en.

Ein Verlierer steht fest: Das Ansehen des Supreme Courts hat durch den gesamten Prozess sehr gelitten. Bisher war das oberste Gericht der USA eine der letzten – noch einigermaß­en respektier­ten – Instanzen, die über den politische­n Schlachten des Landes schwebte. Die Zeit ist nun vorbei.

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Foto:Pablo Martinez Monsivais, dpa US-Präsident Donald Trump in der Air Force One, während im Fernsehen die Richterwah­l aus dem Senat übertragen wird.
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Brett Kavanaugh

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