„Zu Europa gibt es keine Alternative“
Vortrag Theo Waigel spricht in Rettenbach über fatale Parallelen, den Brexit und natürlich auch die anstehenden Wahlen
Rettenbach Natürlich hat Theo Waigel auch Werbung für die CSU gemacht. Schließlich stehen Landtagsund Bezirkstagswahlen bevor. Und die Umfragewerte der Christsozialen sind nicht die besten. Ansonsten aber hielt der ehemalige Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzende ein leidenschaftliches Plädoyer für den Erhalt von Errungenschaften und Werten, die weit über Parteigrenzen hinausgehen. Vor rund 50 Besuchern in der Rettenbacher Gemeindehalle erklärte Waigel, die hasserfüllten Äußerungen von AfDFunktionären erinnerten ihn fatal „an die Töne um 1930“– und dem Ende in einer Katastrophe.
Das jüngste Buch Theo Waigels trägt den Titel „Unsere Zukunft heißt Europa“. Diesem Thema waren denn auch weite Teile der knapp einstündigen Rede Waigels gewidmet. „Wir brauchen ein geeintes Europa“habe Franz Josef Strauß schon zu Beginn der 1950er Jahre betont. Daran habe sich nichts geändert. Nicht zuletzt wegen des seit mehr als 70 Jahren währenden Friedens. Ohne die EU und ohne den Euro wären die Länder Europas nicht mehr als „ein Spielball“der Großmächte – politisch und wirtschaftlich. „Die Briten werden selbst am meisten büßen“, prophezeite Waigel mit Blick auf den Brexit. Wenn Politiker für alles, was schieflaufe, Europa verantwortlich machten, dann dürfe man sich nicht wundern, „wenn Europa nicht populär ist“. Bei allen Problemen und Defiziten gebe es zu Europa aber keine Alternative, betonte Waigel.
Die von manchen gewünschte Rückkehr zur D-Mark wäre in höchstem Maße schädlich. „Der Druck auf die Mark wäre enorm“. Mit allen negativen Folgen vor allem für die Export- und die Landwirtschaft. Nicht zuletzt in Bayern. Etwa 50 Jahre hat es die D-Mark gegeben. In der Hälfte dieser Zeit sei die Inflation höher gewesen als die Zinsen des Bankguthabens. Waigel: „Angesichts der momentanen NullZins-Politik wird das vielfach vergessen“.
Dankbarkeit gebe es in der Politik nicht, kam Waigel auf die Wiedervereinigung zu sprechen. Bis heute seien etwa 2,5 Billionen Euro in die Einheit investiert worden. „Zur Kenntnis nehmen sollte man das schon.“Kein Land weltweit habe so viel leisten müssen, trotzdem stehe Deutschland „besser da als alle Länder um uns herum“. Dennoch gebe es eine „Unzufriedenheit wie selten zuvor“. Auch früher habe es „die Gegnerschaft von Personen und Parteien“gegeben. Aber man habe sich noch immer in die Augen sehen können. Der von AfD-Funktionären wie Alexander Gauland „bewusst geschürte Hass“und ihre Verbindung „zu den widerlichen Gestalten von Pegida“sei alarmierend und erinnere an dunkelste Zeiten. Waigel: „Das ist in der Politik indiskutabel.“Die Entwicklung Bayerns in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sei „glanzvoll“, kam Waigel auf die Wahlen zu sprechen. Die innere Sicherheit sei beispielhaft, gleiches gelte für die Industrie-, die Regional- und Strukturpolitik. Die Bildungsangebote seien massiv ausgebaut worden, es herrsche Vollbeschäftigung und auch die „Flüchtlingssteuerung“sei gut bewältigt worden.
In einer kurzen Diskussionsrunde erklärte ein Besucher, für vieles, unter anderem für die Flüchtlinge, sei Geld da. Nicht aber für die Rente. Waigel erwiderte, der Bund schieße jährlich etwa 90 Milliarden Euro aus Steuermitteln bei der Rente zu. „Bald werden es 100 Milliarden sein.“Und wegen der Flüchtlinge sei keine einzige Rente auch nur um einen Euro gekürzt worden.