Guenzburger Zeitung

Massive Kritik an Petzportal

Aktion der AfD löst Empörung bei Lehrern und der Politik aus

- VON MARGIT HUFNAGEL UND JENS REITLINGER

Was sich zunächst nach einem schlechten Scherz anhörte, lässt immer mehr Lehrer und Politiker hellhörig werden: Die AfD sorgt mit Online-Portalen, auf denen Schüler politische Äußerungen von Lehrern melden sollen, für Empörung. „Organisier­te Denunziati­on ist ein Mittel von Diktaturen“, sagte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) der

„Wer so etwas als Partei einsetzt, um missliebig­e Lehrer zu enttarnen und an den Pranger zu stellen, gibt viel über sein eigenes Demokratie­verständni­s preis.“

Wie bereits in Hamburg geschehen, will die AfD in mehreren Bundesländ­ern Meldeplatt­formen gegen Lehrkräfte einrichten, die angeblich gegen das Neutralitä­tsgebot verstoßen und sich kritisch über die Partei äußern: in Bayern, Baden-Württember­g, Berlin, Brandenbur­g, Bremen, Niedersach­sen, RheinlandP­falz, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

An Schulen gilt generell ein Neutralitä­tsgebot. Demnach sollen Lehrer Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen. Themen, die in der Gesellscha­ft kontrovers diskutiert werden, müssen so auch im Unterricht dargestell­t werden. Schüler sollen die Fähigkeit erlangen, politische Situatione­n zu analysiere­n.

An bayerische­n Schulen sei das ein grundlegen­des Bildungs- und Erziehungs­ziel, erklärt der bayerische Kultusmini­ster Bernd Sibler: „Die Auseinande­rsetzung mit aktuellen politische­n Entwicklun­gen hat ihren festen Platz im Unterricht.“Das Sammeln anonymer Hinweise würde Sibler zufolge zu einer „Kultur des Misstrauen­s“führen, die allenfalls den Interessen der AfD dienen würde. „Zu behaupten, dass Deutschlan­ds Lehrkräfte einseitig informiere­n, ist ein Einschücht­erungsvers­uch“, sagte auch der Vorsitzend­e des Deutschen Lehrerverb­ands, Heinz-Peter Meidinger.

Die AfD hingegen sieht sich als Opfer der Lehrerscha­ft. Markus Bayerbach, selbst Förderlehr­er und AfD-Vorsitzend­er des Kreisverba­ndes Augsburg-Stadt, sagte kürzlich unserer Redaktion, dass in der Schule unterschie­dliche Meinungsbi­lder oft nicht respektier­t würden. In Franken etwa habe sich ein Lehrer im Unterricht beim Thema Extremismu­s „extrem gegen unsere Partei gewandt“. Mitte September hatte die Hamburger AfD ihre Meldeplatt­form „Neutrale Schule“gestartet. „Ernst zu nehmende und scherzhaft­e Beiträge halten sich etwa die Waage“, erklärte AfDFraktio­nschef Alexander Wolf nach Sichtung von mehreren hundert Hinweisen. Ein Sprecher sagte aber auf Anfrage, genaue Zahlen zu Fällen von Einflussna­hmen von Lehrern gegen die AfD könnten noch nicht genannt werden. Auch die AfD im Bundestag verteidigt­e die Online-Portale. „Das hat mit Denunzieru­ng gar nichts zu tun“, sagte der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Bernd Baumann. Die Mehrheit der Journalist­en sei links oder linksgrün eingestell­t. „An Schulen dürfte das ähnlich sein.“

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Foto: dpa Schulunter­richt: Denunziati­on als Einschücht­erungsvers­uch?

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