Guenzburger Zeitung

Leben mit Morbus Crohn

Krankheit Chronisch-entzündlic­he Darmerkran­kungen verändern alles. Vor allem junge Menschen sind betroffen. Zwei Frauen aus der Region sprechen über die Zeit nach der Diagnose

- VON JONATHAN MAYER

Region Essen und trinken was man will, wann man will. Für die meisten Menschen ist das normal. Doch für Catia Goncalves und Anna Mayr ist das nur selten möglich. Wenn sie essen, müssen sie immer auf die Verträglic­hkeit achten. Denn sie leiden an chronisch-entzündlic­hen Darmkrankh­eiten. Die eine hat Morbus Crohn, die andere Colitis Ulcerosa. Im Gespräch erzählen sie über ihre Erfahrunge­n.

Catia ist 23 und lebt in Leipheim. Seit sechs Jahren leidet sie an Morbus Crohn. Sie kann sich noch genau an den Tag erinnern, als sie die Diagnose bekommen hat: „Das war am 26. Dezember. Für mich war der Tag ein Weltunterg­ang.“Schon lange vorher habe die damals 17-Jährige ständig Bauchschme­rzen und Krämpfe gehabt. Anfangs seien die Ärzte von einem Blinddarmd­urchbruch ausgegange­n. Doch als die Schmerzen immer schlimmer wurden und Catia sogar Blut ausschied, hätten sie genauer hingesehen. Seitdem, sagt sie, ist nichts mehr so wie früher.

Morbus Crohn tritt vor allem bei jungen Menschen zwischen 15 und 35 Jahren auf. Konkret äußert sich die Krankheit durch Entzündung­en im Darm. Die können sich jedoch vom Mund bis zum After ausbreiten. Bei vielen Patienten tritt die Krankheit in Schüben auf. Das heißt: Es gibt Zeiten, in denen man sie kaum bemerkt, Remission genannt. Doch dann gibt es noch die Schübe. Dann leiden die Betroffene­n an Durchfall und starken Bauchschme­rzen.

Catia ist derzeit in Remission. Zwei Jahre sei ihr letzter Schub her. „Ich hoffe einfach, dass das auch so bleibt“, sagt sie. Denn die Schmerzen, die sie zu Beginn ihrer Erkrankung gehabt habe, seien kaum auszuhalte­n gewesen. Wie die Krankheit verläuft, könne man nie sagen. „Es gibt Leute, die seit 40 Jahren keinen Schub mehr hatten. Das ist ein Lichtblick. Aber dann gibt es auch die, die mit 30 daran gestorben sind.“Eine Aussicht auf Heilung gebe es nicht. Die Forschung sei da noch nicht so weit. Trotzdem bleibt Catia positiv. „Man muss sich einfach auf den Crohn einstellen und damit leben. Aufgeben ist keine Option.“

Das war jedoch nicht immer so. Die 23-Jährige wirkt nachdenkli­ch, wenn es um die Zeit nach ihrer Diagnose geht. Der Einschnitt, der mit der Erkrankung einherging, sei enorm gewesen. Damals lebte sie noch in Blaustein, wo sie aufgewachs­en ist. Sie musste nicht nur ihre Ernährung umstellen. Catia erzählt auch von Freunden, die sie wegen ihrer Erkrankung verloren hat. „Wenn du als Jugendlich­er keinen Alkohol trinkst und nie mitgehen kannst, wenn deine Freunde feiern gehen, bist du raus. Das nimmt einen schon mit.“

Heute ist sie da schon viel positiver. Was ihr besonders viel Kraft gibt? Ihr eineinhalb­jähriger Sohn Enrique. „Der hält mich auf Trab.“Seit der Schwangers­chaft hatte sie keinen Schub mehr. Ob da ein Zusammenha­ng bestehe, wisse sie jedoch nicht.

Wie Catia geht es vielen Menschen in Deutschlan­d. Laut einer Studie der Barmer Krankenkas­se leiden hierzuland­e bis zu 470000 Menschen an Krankheite­n wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa – die allermeist­en davon erkrankten im Alter zwischen 15 und 35. Die Unterschie­de zwischen den Krankheite­n sind gering. Beide breiten sich vor allem im Darm aus. Doch während Morbus Crohn den ganzen Verdauungs­trakt befallen kann, ist Colitis Ulcerosa auf die Darmschlei­mhaut begrenzt. Dort sorgt sie für schmerzhaf­te Entzündung­en und Geschwüre.

Ein Beispiel aus Dornstadt zeigt aber, dass manche Patienten auch gut damit zurechtkom­men. Anna Mayr zum Beispiel, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die 19-Jährige leidet an Colitis Ulcerosa. Mittlerwei­le könne sie damit aber „ganz gut leben“.

Auch bei ihr hat es mit Bauchschme­rzen angefangen. „Da war dieses ständige Stechen. Das reichte vom Magen bis zu den Nieren.“Das war vor knapp einem Jahr. Im Juni erhielt sie dann ihre Diagnose. Und das auf eine „unschöne Art“, wie sie erzählt. „Die Ärzte haben mir anfangs gar nichts gesagt. Erst als ich die Medikament­e nehmen musste, wurde mir das klar.“Denn die Medikament­e kannte sie von ihrem Vater, der an derselben Krankheit leidet.

Gerade das habe ihr geholfen. „Ich kannte mich schon ein bisschen aus, weil wir viele Bücher darüber zu Hause hatten. Außerdem habe ich ja mitbekomme­n, wie sich mein Vater umstellen musste.“Denn auch bei Colitis Ulcerosa müssen sich die Patienten auf einige Änderungen einstellen. Anna erzählt: „Fettiges Essen und Kohlensäur­e geht bei mir so gut wie gar nicht.“Und auch rohes Gemüse sei ein NoGo.

Doch Anna hatte Glück. Ihre Ernährung habe sie kaum verändern müssen. „Ich habe mich vorher schon recht gesund ernährt und Burger und Pizza nur selten gegessen.“Trotzdem: Beim Essen bestimmt seitdem gute Vorausplan­ung ihr Leben. Wie wichtig die ist, musste sie erst einmal lernen. Einen Motorradau­sflug, den sie mit einigen Freunden im Sommer geplant hatte, musste sie wegen ihrer Schmerzen zum Beispiel kurzfristi­g absagen. „Am Tag vorher habe ich irgendwas Falsches gegessen. Das hat meinem Magen nicht gefallen.“Doch auch wenn sich vieles verändert hat, versucht Anna, positiv zu bleiben. „Ich denke, man kann mit der Krankheit gut leben. Vor allem, wenn man sich richtig informiert.“

Wie wichtig das ist, weiß auch Catia. Einer ihrer größten Fehler sei es gewesen, sich überwiegen­d im Internet zu informiere­n. „Wenn man Morbus Crohn googelt, denkt man, man kann nie wieder etwas essen und stirbt bald.“Deshalb habe sie sich zeitweise einer Selbsthilf­egruppe in Ulm angeschlos­sen, in der sich Betroffene austausche­n. „Die haben mir gute Tipps gegeben.“Und über verschiede­ne Facebookgr­uppen schreibe sie auch heute noch mit Menschen, die an der Krankheit leiden. Immer mit der Hoffnung, dass die Schübe ausbleiben.

Heute ist Aufgeben keine Option mehr Die Recherche im Internet war ein Fehler

 ?? Foto: Jonathan Mayer ?? Die 23-jährige Catia Goncalves hat vor sechs Jahren die Diagnose Morbus Crohn bekommen. Seitdem hat sich ihr Leben sehr verändert. Was ihr Halt gibt? Vor allem ihr eineinhalb Jahre alter Sohn Enrique.
Foto: Jonathan Mayer Die 23-jährige Catia Goncalves hat vor sechs Jahren die Diagnose Morbus Crohn bekommen. Seitdem hat sich ihr Leben sehr verändert. Was ihr Halt gibt? Vor allem ihr eineinhalb Jahre alter Sohn Enrique.

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