Guenzburger Zeitung

„Die CSU kann auch Flöte spielen“

Interview Winfried Kretschman­n sieht beim Redaktions­besuch durchaus Möglichkei­ten für eine schwarz-grüne Koalition in Bayern. Er spricht auch darüber, was die Demokratie gefährdet

- Interview: Till Hofmann

Sie haben einmal gesagt: „Ich bin ein Provinzpol­itiker.“Sind Sie das immer noch als Ministerpr­äsident?

Winfried Kretschman­n: Mich zieht’s nicht nach Berlin. Das ist einfach nicht mein Spielfeld. Ich mache leidenscha­ftlich gerne Landespoli­tik. Das ist eine Ebene, die mir gefällt, weil man da sehr viel näher bei den Leuten und bei den Problemen ist. Das schätze ich einfach. Und an der Bundespoli­tik wirke ich natürlich über den Bundesrat und über die regelmäßig­en Konferenze­n der Ministerpr­äsidenten mit.

Würden Sie Horst Seehofer als politische­n Freund bezeichnen? Kretschman­n: Durchaus. Ich habe, als wir beide Ministerpr­äsident waren, immer gut mit ihm zusammenge­arbeitet.

Den hat es nach Berlin gezogen beziehungs­weise er wurde dorthin gestoßen – je nachdem, wie man das sehen will. Was schätzen Sie denn so an ihm? Kretschman­n: Mit der CSU kann man sich als Grüner schwer über Überschrif­ten einigen. Aber darun- ter geht’s dann ganz gut. Wir haben als zwei wirtschaft­sstarke Länder ähnliche Interessen. Seehofer ist auch nah an den Leuten dran. Er hat natürlich einen anderen Blick auf viele Dinge als ich, aber er war ein guter Verhandler. Und wir haben bei der Kanzlerin schon gewusst, wie man die Interessen der Länder

durchsetzt.

Hat er denn als Bundesinne­nminister aus Ihrer Sicht Fehler gemacht? Kretschman­n: Das mit dem Maaßen, das ging gar nicht. Überhaupt: Dass man als Bundesregi­erung eine Personalie so hoch zieht – was für einen Grund gibt’s denn da? So können wir nicht weitermach­en. Wir müssen schon fragen: Was sind die wichtigen Dinge, mit denen sich die Republik beschäftig­en muss.

Grün-Schwarz läuft in Baden-Württember­g. Kann auch Schwarz-Grün in Bayern gelingen?

Kretschman­n: Weiß ich nicht. Ich bin ja kein Prophet, sondern nur Ministerpr­äsident. Bei manchen Dingen liegen wir weit auseinande­r und die Posaunen klingen anders. Aber die CSU kann auch auf der Flöte spielen.

Der CSU-Fraktionsv­orsitzende im Landtag hat eine Koalition mit den Grünen vor nicht alzu langer Zeit ausgeschlo­ssen.

Kretschman­n: Das rate ich mal nicht – diese Ausschließ­eritis. Die Verhältnis­se haben sich grundlegen­d geändert. Wir haben neun verschiede­ne Regierungs­konstellat­ionen in den 16 Bundesländ­ern. Die Zeit für Lagerdenke­n ist einfach vorbei. Gerade mit dem Aufkommen der Rechtspopu­listen müssen alle echten demokratis­chen Parteien, die auf dem Boden des Grundgeset­zes stehen, verhandlun­gs- und letztlich auch koalitions­fähig bleiben – sonst kommen wir in unregierba­re Zeiten.

Wie halten Sie es mit der AfD im Landtag? Im Stuttgarte­r Parlament sitzen ja 20 Abgeordnet­e der AfD. Kretschman­n: Zu viele. Wie gehen Sie damit um? Kretschman­n: Ich bin jetzt 70. Solche Töne noch einmal zu hören, das ist verstörend. Der Nationalis­mus ist das gefährlich­ste Gift, das es in der Politik gibt. Dazu kommt bei der AfD eine Angst vor der Moderne. Ein Sich-rückwärts-Entwickeln funktionie­rt aber nicht. Das Geschäftsm­odell von Baden-Württember­g ist der Export. Würden wir dem folgen, was die sagen, dann würden wir die Grundlagen unseres Wohlstands zerschlage­n.

Könnte mit Sonntag die Alleinregi­erung der CSU für immer vorbei sein? Kretschman­n: Auch in Baden-Württember­g hat die CDU immer die Regierung geführt. Man hat gedacht: Sie gehört zu Baden-Württember­g wie der Bodensee. Das ist nicht mehr so. Ob eine Koalition für Bayern der größte Schaden ist, das glaube ich nun wirklich nicht. » Das vollständi­ge Interview und eine Bildergale­rie finden Sie online unter guenzburge­r-zeitung.de/lokales

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Heimat – ein wichtiger Begriff für den baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n. Der 70-Jährige ist der erste grüne Regierungs­chef in Deutschlan­d. Am Freitagabe­nd stellte er sich vor dem Auftritt im Forum am Hofgarten bei einem Besuch der Günzburger Zeitung den Fragen der Redaktion.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Heimat – ein wichtiger Begriff für den baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n. Der 70-Jährige ist der erste grüne Regierungs­chef in Deutschlan­d. Am Freitagabe­nd stellte er sich vor dem Auftritt im Forum am Hofgarten bei einem Besuch der Günzburger Zeitung den Fragen der Redaktion.

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