Guenzburger Zeitung

Kundig, klug und humorvoll

Gesellscha­ft Der etwas andere politische Abend mit dem Regierungs­chef Baden-Württember­gs

- VON WALTER KAISER

Günzburg Wahlkampf im klassische­n Sinne war das nicht. Dafür war der Abend mit Winfried Kretschman­n wohltuend. Kundig und klug, humorvoll und nicht selten philosophi­sch ging der badenwürtt­embergisch­e Ministerpr­äsident am gestrigen Freitagabe­nd im Forum am Hofgarten auf zentrale Fragen der Gegenwart und der Zukunft ein. So viel Wahlkampf war dann doch: Wie Baden-Württember­g zeige, gehe die Welt nicht unter, wenn Grüne an der Regierung sind. Im Gegenteil: Es sei höchste Zeit, der Sicherung der Lebensgrun­dlagen auch in Bayern einen höheren Stellenwer­t in der Politik zu geben.

Der große Saal im Forum war nahezu voll besetzt, als die Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz nicht nur Kretschman­n, sondern auch Claudia Roth, die Vizepräsid­entin des Bundestage­s, begrüßte. Zudem stellte sie kurz die Kandidatin­nen und Kandidaten der Kreis-Grünen für den Landtag – Bernhard Lohr und Maximilian Deisenhofe­r – sowie Harald Lenz und Angelika Fischer für den Bezirkstag vor.

Im Gespräch mit dem Journalist­en Marc Hettich ging Kretschman­n ganz grundsätzl­ichen Fragen nach. Was ist konservati­v? „Nicht das nostalgisc­he Festhalten an Vertrautem, sondern der Erhalt des Wertvollen in Zeiten des Wandels“. Etwa, wenn es um Werte und Grundüberz­eugungen gehe, oder bei der Bewahrung der Natur, die Grundlage allen Lebens. „Der Klimawande­l ist dramatisch.“Ökologie müsse auch ökonomisch erfolgreic­h sein. Anders sei Wohlstand nicht zu halten oder gar auszubauen. Es sei aber die Aufgabe eines starken Wirtschaft­sstandorte­s wie Deutschlan­d, noch mehr „in eine grüne Richtung“zu gehen „und zu zeigen, dass es geht“.

Manche Töne aus der CSU mit Blick auf Europa seien „verstörend“, sagte Kretschman­n weiter. Viele Unionspoli­tiker hätten Europa mit aufgebaut, zuletzt sei „die CSU vom Pfad der Tugend abgekommen“. Der Ministerpr­äsident: „Aber deshalb gibt es die Grünen.“

Was ist deutsch, was die deutsche Leitkultur? Eine schwierige Frage. Für Kretschman­n jedenfalls nicht das, was die AfD propagiere. „Das ist völkisches Stammesden­ken.“Die meisten Werte seien keine deutschen, sondern europäisch­e Werte, erinnerte Kretschman­n an die griechisch­en Philosophe­n oder die europäisch­e Aufklärung.

Kretschman­ns Eltern waren Flüchtling­e. „Das war damals ein Schimpfwor­t.“Bei allen Problemen: Gegenüber Flüchtling­en heutiger Tage müssten Menschlich­keit und Bürgerrech­te gelten, erklärte Kretschman­n, der immer wieder von Beifall unterbroch­en wurde.

In einem Grußwort erklärte Oberbürger­meister Gerhard Jauernig, er sei stolz, „als Roter im tiefschwar­zen Bayern einen grünen Ministerpr­äsidenten“begrüßen zu dürfen. Das sei ein Zeichen des fairen politische­n Wettstreit­s, wie er in der bunten Stadtgemei­nschaft Günzburg gepflegt werde.

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