Guenzburger Zeitung

CSU erlebt Desaster – Grüne feiern

Die absolute Mehrheit ist weg: Ministerpr­äsident Markus Söder braucht einen Koalitions­partner. Beste Chancen haben die Freien Wähler. Die SPD halbiert sich und kassiert das schwächste Ergebnis aller Zeiten

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Bayern hat gewählt – und der CSU das schlechtes­te Ergebnis seit 1950 beschert. Die Partei von Ministerpr­äsident Markus Söder, die bislang alleine regieren konnte, holte laut Hochrechnu­ngen gut 37 Prozent der Stimmen und verlor damit rund zehn Prozentpun­kte im Vergleich zur Landtagswa­hl vor fünf Jahren. Damit war früh klar: Die absolute Mehrheit ist weg und die CSU braucht einen Koalitions­partner, um sich an der Macht zu halten. Die besten Chancen, künftig mit am Kabinettst­isch zu sitzen, haben die Freien Wähler.

Die großen Sieger der Wahl gehen wohl in die Opposition: Die Grünen bejubelten einen Rekord. Sie haben ihren Wert von 2013 verdoppelt und sind klar zweitstärk­ste Kraft. Die AFD schaffte es erstmals ins Maximilian­eum und landete vor der SPD, deren Ergebnis sich halbiert hat. Die Sozialdemo­kraten erlebten mit einem möglicherw­eise sogar einstellig­en Wert einen katastroph­alen Tag.

Schon kurz nach Schließung der Wahllokale dominierte die Frage, wer denn nun die Schuld am Absturz der CSU trägt. Die Regierungs­partei ist neben den Sozialdemo­kraten Verlierer des Tages. Ministerpr­äsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer hatten sich schon Wochen zuvor gegenseiti­g die Verantwort­ung dafür zugeschobe­n. Dass dieses Wahlergebn­is ohne personelle Konsequenz­en bleibt? Eher unwahrsche­inlich. See- hofer selbst sagte, er werde gerne darüber reden – allerdings nicht am Wahlabend. Der Csu-vorsitzend­e stellte sicherheit­shalber klar: „Ich werde natürlich meine Verantwort­ung weiterhin wahrnehmen.“Exparteich­ef Erwin Huber ging als Erster in die Offensive und legte Seehofer nahe, abzutreten. Er selbst habe nach der Landtagswa­hl 2008 die Verantwort­ung übernommen und sei zurückgetr­eten, sagte Huber. „Und das hat zum Erfolg geführt.“Zurückhalt­ender äußerte sich der frühere Landtagspr­äsident Alois Glück. „Die CSU ist nicht mehr die Volksparte­i, die sie einmal war“, sagte er. „Die Menschen haben das Vertrauen in uns verloren.“Zumindest für Söder ist offenkundi­g, woran das liegt: an Seehofers Eskapaden in Berlin. Schließlic­h hatte der Parteichef dazu beigetrage­n, dass die Große Koalition gleich zwei Mal beinahe geplatzt wäre. Für das Seehofer-lager wiederum ist der Spitzenkan­didat dafür zuständig, Wähler zu mobilisier­en. Doch Söders Beliebthei­tswerte waren von Anfang an niedrig. Dass es nun auch eine Debatte um den Regierungs­chef gibt? Nicht völlig ausgeschlo­ssen. Glück warnte allerdings vor internen Streiterei­en. „Personalde­batten würden uns nur noch tiefer hinunterzi­ehen.“Und Huber stellt sich sogar klar auf Söders Seite: „Er ist erst ein halbes Jahr im Amt. Die Chance, das Amt weiterzufü­hren, sollte man ihm geben.“Es geht im Übrigen nicht nur um Söder oder Seehofer: Auch Generalsek­retär Markus Blume, der den Wahlkampf zu verantwort­en hat, und Alexander Dobrindt, der als Chef der Csulandesg­ruppe im Bundestag einen Rechtsruck der Partei betrieben hat, sind beschädigt.

Viele Bayern fühlten sich von den Dauerquere­len in der Csu-führung und dem phasenweis­e aggressive­n Kurs in der Flüchtling­spolitik abgestoßen. Die CSU wollte damit Wähler von der AFD zurückhole­n – und ist gescheiter­t. Die Grünen mit ihren Spitzenkan­didaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann wiederum wurden dadurch für enttäuscht­e Wähler aus der Mitte der Gesellscha­ft zur Alternativ­e.

Regieren werden dennoch andere. Söder betonte, er werde „das schmerzhaf­te Ergebnis mit Demut annehmen“. Bayern könne, „wenn wir alle uns entspreche­nd Mühe geben, eine vernünftig­e, stabile und starke Regierung bilden“. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er eine bürgerlich­e Koalition einem Bündnis mit den Grünen vorziehen würde. Die Freien Wähler hatten stets klar erkennen lassen, dass sie gerne mit der CSU koalieren würden. „Die sollen sich bei uns melden“, sagte Parteichef Hubert Aiwanger am Sonntagabe­nd. Nach den Hochrechnu­ngen schien es für ein Zweier-bündnis zu reichen. Komplizier­ter würde es, wenn Söder und Aiwanger auch noch die FDP bräuchten. Lange war allerdings nicht sicher, ob die Liberalen den Sprung über die Fünf-prozent-hürde schaffen. Rechnerisc­h auch knapp möglich, aber unwahrsche­inlich: eine schwarz-rote Koalition.

Die gestiegene Wahlbeteil­igung trug dazu bei, dass die AFD hinter den Umfragen zurückblie­b. Ihr Ziel, zweitstärk­ste Kraft zu werden, hat sie verfehlt. Die Linke verpasste wieder den Einzug in den Landtag.

Im Kommentar und im Leitartike­l bewerten wir das Ergebnis. Auf den Sonderseit­en Bayern hat gewählt erzählen unsere Reporter von einem besonderen Wahlabend. Dort finden Sie auch erste Analysen.

Huber legt Seehofer den Rücktritt nahe

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa/oryk Haist, Imago ?? Des einen Leid, der anderen Freud: Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und das grüne Spitzenduo Ludwig Hartmann und Katharina Schulze nach den ersten Prognosen.
Foto: Michael Kappeler, dpa/oryk Haist, Imago Des einen Leid, der anderen Freud: Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und das grüne Spitzenduo Ludwig Hartmann und Katharina Schulze nach den ersten Prognosen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany