Die CSU braucht einen Stilwandel
Nicht zu leugnen: Die Christsozialen erlebten einen Absturz, auch wenn es für eine Koalition reicht. Eine Personaldebatte ersetzt keinen glaubhaften Neuanfang
Der Wahlabend ist für die CSU ein ziemliches Debakel, selbst wenn es zu einer Koalitionsregierung reichen wird. Punkt. Die Partei muss nicht nur Ursachen-suche betreiben, sondern auch Ursachen-aufbereitung – mit dem Jahr 2008, als die Christsozialen in der FDP einen (schüchternen) Koalitionspartner fanden, ist der aktuelle Niedergang nicht vergleichbar.
Zur Aufarbeitung gehört natürlich: die Schuldsuche in Berlin. Parteichef Horst Seehofer war bislang nicht nur ein unbeliebter Bundesinnenminister, er war häufig ein überforderter. So wie Seehofer schon seine Nachfolgeregelung in Bayern entglitt, ist ihm das politische Bundesspiel oft entglitten.
Seine Drohungen, er werde um seine Ämter kämpfen, klangen zuletzt wie die Rufe von jemand, der sehr allein vor allem für sich kämpft (was bald stimmen könnte).
Dennoch wäre es zu einfach, nur auf Seehofer zu schauen. Er hat ja recht mit dem Hinweis, sein Kopf sei nicht auf den Wahlplakaten in Bayern zu sehen gewesen. Dort war Söder zu sehen, und das war offenbar auch ein Problem.
Natürlich, Söder hätte zu besseren Zeiten übernehmen können. Aber er regierte mit absoluter Mehrheit und vollen Kassen, es gibt schlechtere Voraussetzungen für einen Wahlkämpfer.
Am Ende dreht sich jeder Wahlkampf um die Menschen dahinter. Söder-vorgänger wie Edmund Stoiber hatten politische Defizite, eine ausbaufähige Kommunikationsgabe etwa. Söder hat die kaum, er ist rhetorisch begabt, ungeheuer fleißig, meist auch umgänglich.
Aber weniger begabten Politikverkäufern wie Stoiber hat man immer abgenommen, dass es ihnen erst um Freistaat und Partei ging – und darum, als Landesvater zu integrieren und ein „Bayern-gefühl“zu vermitteln. Vielleicht ist diese Fähigkeit nie wichtiger gewesen als in Zeiten des rasanten Wandels, die sogar Boom-bayern bange werden lässt. Auch Seehofer vermittelte diese Geborgenheit vor fünf Jahren in Tv-spots, in denen er seelenruhig einen Apfel schälte und von Bayern als Vorstufe zum Paradies erzählte. Söder hingegen wirkte im Wahlkampf bisweilen wie eine sehr unruhige ICH-AG.
Mal wollte er Kreuze aufhängen, dann nach Kirchenkritik Kommissionen einsetzen. Bald eskalierte er den Flüchtlingsstreit mit Kanzlerin Angela Merkel zum „Endspiel um die Glaubwürdigkeit“– bis er einlenkte, weil so viel Aggressivität auch nicht ankam.
Unterdessen versprach Kandidat Söder vielen sehr vieles. Das erschien irgendwann gar bei respektablen Vorhaben, etwa der Raumfahrtförderung, vielen unseriös.
Doch man muss Söder zugutehalten: Vielleicht war er so unruhig, weil er die ganze Unruhe in Bayern spürte. Der Freistaat wird stetig städtischer, kirchenferner, progressiver. Die Forschungsgruppe Wahlen hat vor kurzem vorgerechnet, wie viele Bürger hier mehr Ganztagsbetreuung wollen, die Homo-ehe normal finden und sich sogar mehr staatlichen Einsatz wünschen für Energiewende oder die Integration von Ausländern.
Ausgerechnet Jürgen Fischer, Seehofers aktueller Sprecher, hat schon vor zehn Jahren geschrieben, die CSU müsse „moderner, toleranter, lebendiger, frecher und im Umgang untereinander kameradschaftlicher werden – und dabei selbstredend konservativ bleiben“.
Das alles gilt nun erst recht. Man könnte hinzufügen: wieder bürgerlicher. Klar, die SPD hat mit ihren „Anstand“-plakaten nicht gepunktet. Aber klar ist auch, dass viele Wähler die (zuletzt oft) unbürgerlichen Umgangsformen in der CSU verstört haben.
Die Gretchenfrage der CSU dreht sich nicht um Personen – sondern um einen neuen politischen Stil.
Bayern wandelt sich – die CSU muss sich mit wandeln