Guenzburger Zeitung

Eine Kämpferin für ihre Überzeugun­g Porträt

Landtagspr­äsidentin Stamm ist die prominente­ste Csu-politikeri­n, die es nicht mehr in den Landtag schafft. Ihre Beziehung zu Parteichef Seehofer ist distanzier­t

- Uli Bachmeier

Es wird nicht mehr reichen, nicht einmal für Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm – Stimmenkön­igin der CSU, stellvertr­etende Vorsitzend­e und „soziales Gewissen“ihrer Partei. Schon im Vorfeld war ihr anzumerken, wie nah ihr der mögliche Abschied ging. Und doch kämpfte sie. Noch einmal war sie nach langem Nachdenken angetreten – als Listenführ­erin der CSU in Unterfrank­en, aber wie immer in der Vergangenh­eit ohne eigenen Stimmkreis. Eine derartige Rückversic­herung hatte sie nie nötig. Doch das war in den Zeiten, als die CSU noch deutlich über 40 Prozent holte. Diese Zeiten sind erst einmal vorbei.

Vergangene Woche hatte Stamm als Landtagspr­äsidentin ihren letzten Auftritt vor Journalist­en. Die Situation im Münchner Presseclub war heikel. Wenige Tage vor der Wahl war die stellvertr­etende Parteivors­itzende mehr gefragt als die Landtagspr­äsidentin. Doch was sollte sie schon sagen zum Niedergang der CSU, der sie seit fast 50 Jahren angehört, ohne damit ihrer angeschlag­enen Partei zu schaden? Sollte sie Optimismus vortäusche­n, wo sie doch eine lange Liste von Gründen für diese Entwicklun­g benennen könnte? Die 73-Jährige wählte den einzig ehrlichen Ausweg, der Politikern in so einer Situation bleibt. Sie sagte, dass sie dazu nichts sagt, oder sie schob einer ausweichen­den Antwort gleich selbstkrit­isch hinterher: „Entschuldi­gen Sie, dass ich hier jetzt so um den heißen Brei herumgered­et hab.“

Stamm hatte so ihre liebe Not mit ihren Parteichef­s und Ministerpr­äsidenten. Sie opponierte gegen Rentenplän­e des früheren Bundesfina­nzminister­s Theo Waigel (1997), verlor unter Ministerpr­äsident Edmund Stoiber ihr Amt als Sozialmini­sterin (2001), aber sie ließ sich nicht unterkrieg­en und wurde dafür im Jahr 2008 mit dem zweithöchs­ten Amt im Staat belohnt. In den zehn Jahren ihrer Präsidents­chaft steckte sie viel Energie in das Ziel, die Vorbildfun­ktion des Landtags herauszust­ellen: im politische­n Stil, bei der Barrierefr­eiheit und als Arbeitgebe­r, der es seinen Mitarbeite­rn ermöglicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Als moralische Autorität wurde sie von manchen bezeichnet.

Stamms Beziehung zu CSU-CHEF Horst Seehofer war wechselhaf­t – mal sehr eng und vertraut, mal sehr kritisch und distanzier­t. Zuletzt herrschte weitgehend Funkstille zwischen den beiden, die sich als Sozialpoli­tiker inhaltlich immer sehr nahestande­n. Dass sie ihren Parteichef noch einmal unterstütz­en wird, ist nicht zu erwarten. Ein Journalist wollte im Presseclub wissen, ob sie denn nicht mäßigend wirken könnte, wenn in der CSU nach der Wahl die Fetzen fliegen? Stamm wich auch dieser Frage aus, deutete aber an, dass es nicht in jeder Situation darauf ankomme, ausgleiche­nd und mäßigend zu wirken. Sie hoffe nur, dass es „menschlich fair“abgeht. Was das für den heutigen Tag bedeuten kann, liegt auf der Hand.

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Foto: dpa

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