Guenzburger Zeitung

„Die CSU hat als Staatspart­ei ausgedient“

Der Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter erklärt die Ursachen hinter dem bayerische­n Landtagswa­hlergebnis. Er erläutert, warum Markus Söder vielleicht der falsche Spitzenkan­didat für die CSU war und ob Parteichef Horst Seehofer nun um seine Ämter fürchten

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Herr Professor Falter, wo sehen Sie die Hauptursac­hen für das schlechte Abschneide­n der CSU?

Jürgen Falter: Auf der einen Seite haben die Gründe mit der aktuellen Politik und den Personen zu tun. Eine Ursache für das Wahlergebn­is ist die Politik der CSU vor allem in der Großen Koalition auf Bundeseben­e und ihre Auseinande­rsetzungen mit der CDU. Erstaunlic­herweise hat die CSU sowohl konservati­ve als auch liberale Wähler gleichzeit­ig verprellt. Das muss man erst mal schaffen. Auf der anderen Seite lässt auch in Bayern die Bedeutung der traditione­llen Milieus unglaublic­h nach. Für die CSU ist das vor allem das katholisch­e Milieu, für die SPD das Gewerkscha­fts- und Arbeitermi­lieu, wodurch sich frühere klassische Parteibind­ungen auflösen.

War Markus Söder am Ende der richtige Spitzenkan­didat und Ministerpr­äsident für die CSU?

Falter: Söder kann zwar Kompetenzw­erte vorweisen, aber keine hohen Sympathiew­erte in Bayern. Selbst bei den Csu-wählern nicht. Hier wäre die CSU vermutlich mit jemandem wie Ilse Aigner oder Innenminis­ter Joachim Herrmann als Spit- zenkandida­t besser aufgestell­t gewesen, was die Sympathiew­erte angeht. Söder hat der CSU als Kandidat keine positiven Zugewinne eingebrach­t. Er ist im Gegenteil möglicherw­eise sogar eher für einen Teil der Verluste verantwort­lich.

Ist die Strategie von CSU-CHEF Horst Seehofer, mit seiner Politik die AFD kleinhalte­n zu wollen, gescheiter­t? Kann Seehofer im Amt bleiben?

Falter: Horst Seehofers Strategie ist zum wiederholt­en Mal gescheiter­t. Das war schon 2015 so, als der CSUCHEF mit einer Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht gegen die offenen Grenzen drohte und dann geschah nichts. Dann kam der faktisch ergebnislo­se Grenzstrei­t im Frühsommer und die Auseinande­rsetzungen um Verfassung­sschutzche­f Hans-georg Maaßen. In beiden Fällen musste Seehofer zurückstec­ken. Ich kann mir vorstellen, dass sich Seehofer auf Druck der Partei vom Csu-vorsitz wird trennen müssen, dafür aber weiterhin Bundesinne­nminister bleiben darf. So schnell lässt ihn die CSU vielleicht doch nicht fallen, weil er sich ja auch große Verdienste für die Partei erworben hat.

Würde sich denn für die bayerische Politik etwas ändern, wenn es zu der sich am Wahlabend abzeichnen­den Koalition von der CSU und den Freien Wählern kommt?

Falter: Nein. Die Freien Wähler sind streng genommen Fleisch vom Fleische der CSU. Die Unterschie­de zwischen beiden Parteien muss man mit der Lupe suchen. Insofern wird das nicht sehr komplizier­t, eine Koalition zu schmieden. Möglicherw­eise wäre die Koalition stabiler, wenn man sich noch die FDP mit ins Boot holte. Allerdings gäbe es dann auch weniger Ministerpo­sten für die CSU und die Freien Wähler zum Verteilen. Eine Koalition mit den Grünen wäre auf jeden Fall wesentlich schwierige­r zu bilden.

Glauben Sie, dass eine schwarz-grüne Koalition nach diesem Wahlergebn­is noch eine Option ist?

Falter: Sollten die Gespräche mit den Freien Wählern scheitern, würde die CSU auch mit den Grünen zusammenge­hen. Und die Grünen wollen das ja auch unbedingt. Allerdings würden sich dann tatsächlic­h viele Dinge in der bayerische­n Politik gravierend ändern, und zwar in einer Art und Weise, dass sich am Ende vermutlich viele Csu-wähler verprellt fühlen werden.

Wie erklären Sie sich den gegenwärti­gen Höhenflug der Grünen?

Falter: Die Grünen haben nach außen hin ihren alten Flügelstre­it beendet. Sie haben mit Robert Habeck und Annalena Baerbock zwei Realos als Vorsitzend­e, die in der Öffentlich­keit gut ankommen. In Bayern haben die Grünen einen sehr geschickte­n Wahlkampf geführt und sogar die CSU bei deren eigenen Themen vorgeführt. Die Kampagne gegen eine Zubetonier­ung der bayerische­n Landschaft war in früheren Wahlkämpfe­n eher ein Csu-thema. Die Grünen profitiere­n nun vom Niedergang der SPD und anderersei­ts von einem Zustrom von Csuwählern, die mit der brachialen Rhetorik von Seehofer und Söder nicht einverstan­den sind.

Die SPD hat ihr Ergebnis in Bayern mehr als halbiert. Steckt die SPD in ihrer schlimmste­n Krise?

Falter: Die SPD steckt wirklich so tief in der Krise, dass ihr, wenn das so weitergeht, demnächst in Bayern das Schicksal einer Splitterpa­rtei droht. Diese Krise währt schon län- ger, in Bayern ist das aber besonders drastisch. Der SPD schmelzen klassische Wählerstäm­me noch stärker weg als der CSU. Verschärft wird die Krise durch die mangelnde Strahlkraf­t des Spd-spitzenper­sonals.

Die AFD ist nun stärker als die SPD. Haben sich die Rechtspopu­listen endgültig im Parteiensy­stem etabliert?

Falter: Mit Worten wie endgültig sollte man immer vorsichtig sein. Solange die Migrations­debatte kocht, etabliert sich die AFD. Aber wenn sich die AFD geschickt verhält, profitiert sie auch von anderen Themen wie dem Dieselstre­it oder einer Debatte um eine mögliche Abschaffun­g des Bargelds. Das sind alles Themen, die die AFD starkmache­n. Allerdings ist die AFD in Bayern nicht so stark geworden wie in anderen Bundesländ­ern. Das liegt einerseits an den Freien Wählern als Alternativ­e für unzufriede­ne Csuwähler, aber auch daran, dass die CSU sicher den einen oder anderen potenziell­en Afd-wähler bei sich hat halten können.

Wie geschwächt ist die Sonderroll­e der CSU auf Bundeseben­e?

Falter:

Die CSU hat

als Staatspart­ei ausgedient. Das schwächt sie nicht nur in Bayern, sondern auch im Bund. Die CSU bleibt natürlich in der Koalition. Aber die fast unerschütt­erliche frühere Autorität ist weg, dass man als einzige Partei in Deutschlan­d oder gar Europa absolute Mehrheiten einfahren konnte. Ich erwarte, dass die CSU nun im Bund etwas handzahmer auftreten wird als bisher und keinen Streit mehr auf die Spitze treibt.

Heißt das, wir können uns auf ruhigere Zeiten der Großen Koalition einstellen?

Falter: Nein. Ich glaube, jetzt wird die SPD stärker versuchen, sich zu profiliere­n, und das dient nicht dem Koalitions­frieden. Es wird weiter sehr lebhaft in der Koalition zugehen, denn die SPD dürfte in schiere Panik geraten, wenn sie das bayerische Ergebnis sieht und in Umfragen im Bund möglicherw­eise ebenfalls von der AFD überholt werden wird.

Interview: Michael Pohl

74, ist einer der bekanntest­en deutschen Politikwis­senschaftl­er. Er forscht derzeit an der Uni Mainz.

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Foto: Alexandra Beier, Getty Images Wohin ist er gegangen, der bayerische Wähler? Auf unserem Bild in den Wahlraum der Gemeinde Osterwarng­au (Kreis Miesbach) – doch insgesamt gab es deutliche Wanderunge­n zwischen den Parteien.
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Jürgen Falter,

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